Die Schriftgestaltung ist eine Kunstform, die Tradition und Innovation vereint. In einer Zeit, in der digitale Kommunikation dominiert, gewinnt das Thema Handschriftlichkeit neue Bedeutung, insbesondere wenn es um die Lesbarkeit und den ästhetischen Eindruck von Schriftarten geht, die eine informelle, aber gleichzeitig professionelle Ausstrahlung vermitteln sollen. Playpen Sans, eine Schriftfamilie von TypeTogether, ist ein Meisterwerk dieser Entwicklung und bietet eine spannende Antwort auf die Herausforderung, eine handschriftliche Schrift zu schaffen, die authentisch, modern und technologisch ausgereift ist. Die Entstehung von Playpen Sans ist eng mit umfangreicher Forschung zum Thema Handschrift im Bildungsbereich verbunden. 2022 startete TypeTogether ein ambitioniertes Projekt, das die Methoden des lateinischen Schriftsystems für Grundschulkinder weltweit untersuchte.
Das Ergebnis dieser Untersuchung, Primarium, ist eine frei zugängliche Ressource für Typografie und Pädagogik, die einen tiefgreifenden Einblick in das Lernen von Lesen und Schreiben liefert. Dieses Projekt wurde von Expertinnen und Experten wie José Scaglione, Veronika Burian, Pooja Saxena, Cecilia Brarda und Sandro Fetter geleitet und beleuchtet unter anderem, wie wichtig das Erlernen des Handschreibens in einer zunehmend digitalen Welt bleibt. Anhand der Erkenntnisse des Primarium-Projekts erstellte TypeTogether ein umfangreiches typografisches System, das unterschiedliche Facetten der Handschrift beleuchtet. Innerhalb dieses Systems wurde neben der Schule-Schriftfamilie Playwrite auch Playpen Sans entwickelt, das eine ganz andere Art von Handschrift repräsentiert. Während Playwrite auf die pädagogische Anwendung und den Bildungsbereich ausgelegt ist, zielt Playpen Sans auf einen breiteren, informellen Gebrauch ab.
Playpen Sans zeichnet sich durch einen lässigen Stil aus, der an den alltäglichen Schreibstil angelehnt ist, dabei aber auf Verbundenheit der Buchstaben, wie man sie aus der Kursivschrift kennt, verzichtet. Diese Form ist besonders für Anwendungen geeignet, die eine menschliche, ungezwungene Atmosphäre ausstrahlen wollen, sei es in Apps, Webseiten oder im alltäglichen Schriftverkehr. Die Schriftfamilie punktet mit hoher Qualität und Vielseitigkeit und wurde kostenlos zur Verfügung gestellt, um einer breiten Nutzerschaft zugutekommen zu können. Ein Hauptproblem, dem sich die Entwickler stellten, war die Balance zwischen Natürlichkeit und typografischer Systematik. Traditionelle Casual-Schriften neigen häufig dazu, entweder zu kindlich oder zu unnatürlich zu wirken.
Die Herausforderung bestand darin, das natürliche, handschriftliche Gefühl in ein digitales System zu überführen, das gleichzeitig konsistent und flexibel bleibt. Im Gegensatz zu früheren Casual-Fonts wie Microsofts Comic Sans oder Apples Chalkboard, die vor der Einführung moderner OpenType-Features entstanden, nutzt Playpen Sans ausgefeilte Technologien, um unterschiedliche Buchstabenvarianten kontextabhängig zuzuweisen. Dazu integriert Playpen Sans einen komplexen Mechanismus, der sogenannte glyph shuffler, welcher verhindert, dass dieselben Buchstabenvarianten unmittelbar aufeinander folgen. Dieses dynamische System sorgt dafür, dass die Schrift auch bei wiederholtem Text lebendig und abwechslungsreich bleibt, was ihr einen unverwechselbar spontan wirkenden Charakter verleiht. Selbst der Abstand zwischen den Wörtern variiert subtil, um das Gefühl einer handgeschriebenen Seite noch stärker zu simulieren.
Die visuelle Gestaltung der Zeichen wurde von der renommierten Lettering-Künstlerin Laura Meseguer durchgeführt, die auf Basis von Playwrite-Skeletten mit ihrem digitalen Stift auf dem Tablet arbeitete. Dieser Prozess erlaubte es, organische Formen zu kreieren, die bewusst nicht zu perfekt ausgearbeitet wurden, um die charakteristische Natürlichkeit zu bewahren. Interessant ist, dass Meseguer in der Entstehungsphase verschiedene Schreibwerkzeuge, Stiftdicken und Schreibgeschwindigkeiten testete, um ein authentisches Schriftbild zu erreichen. Eine Besonderheit von Playpen Sans ist die Vielzahl von Variationen pro Zeichen. So kann beispielsweise jeder Buchstabe bis zu sieben unterschiedliche Formen annehmen.
Zudem gibt es alternative Versionen für Zeichen wie ‚f‘, ‚G‘, ‚I‘ und ‚M‘, sowie unterschiedliche Endformen bei Buchstaben wie ‚i‘, ‚l‘ und ‚y‘. Die Schriftauswahl zwischen geraden und abgerundeten Endungen bietet zusätzliche Gestaltungsspielräume. Die zwei Varianten „two-storey“ und andere Optionen für das „a“ erhöhen weiter die Ausdrucksstärke und Flexibilität. Playpen Sans ist mit acht verschiedenen Schriftschnitten ausgestattet, die von Light bis Black reichen, und unterstützt über 150 lateinbasierte Sprachen – ideal für international ausgerichtete Projekte. Für Entwickler und Designer steht außerdem eine variable Schriftversion zur Verfügung, die maximale Kontrolle bei geringem Datenvolumen erlaubt und so modernen Anforderungen an Performanz und Responsivität gerecht wird.
Der für das Projekt verantwortliche Typoingenieur Joancarles Casasín entwickelte darüber hinaus eine innovative OpenType-Codierung, die für die automatische Zufallsvergabe der Buchstabenvarianten zuständig ist. Dieses technische Feature macht die Schrift nicht nur optisch dynamisch, sondern erhöht auch die natürliche Lesbarkeit und vermeidet monoton wirkende Wiederholungen. Der gesamte Entwicklungsprozess brachte das TypeTogether-Team über die üblichen Grenzen der Schriftgestaltung hinaus und ermöglichte es, Aspekte wie Wahrscheinlichkeiten, Unvorhersehbarkeit und sogar bewusste Schriftfehler in den kreativen Schaffensprozess zu integrieren. Darüber hinaus enthält Playpen Sans neben Buchstaben auch eine Sammlung von Emoji-Stickern, die vor allem für lockere und motivierende Kommunikationssituationen entworfen wurden. Diese ergänzen die Schrift um eine visuelle Kommunikationsfacette und eignen sich beispielsweise gut für Social Media, Messenger-Anwendungen oder interaktive Webformate.
Das Projekt Playpen Sans steht auch in engem Bezug zu den pädagogischen Playwrite-Schulschriften. Beide basieren auf der Idee, den Übergang zwischen den Druckbuchstaben zum fließenden Handschriftgebrauch durch eine sogenannte „pre-cursive“ Form zu erleichtern. Dies vermittelt Kindern das Erlernen der Handschrift in einem fließenden und zugleich verständlichen Stil. Playpen Sans ist somit nicht nur eine neue Schrift, sondern ein durchdachtes Konzept, das traditionelle Handschrift mit modernen, technologischen Möglichkeiten kombiniert. Die Schriftfamilie stellt eine Brücke zwischen der Bedürfnissen von Alltagsnutzern und professionellen Designern dar und setzt neue Maßstäbe in Sachen Flexibilität, Charme und Authentizität im Bereich der Casual-Fonts.
Die Veröffentlichung als freie Schrift macht Playpen Sans zudem zu einem wertvollen Asset für Kreative, Bildungseinrichtungen und Unternehmen, die nach einer handschriftlichen Note suchen, ohne auf professionelle Qualität zu verzichten. Damit zeigt TypeTogether eindrucksvoll, wie sich Schriftgestaltung mit Forschung, Innovation und künstlerischer Handschrift zu einem zukunftsweisenden Projekt verbinden lässt. Der Blick in die Zukunft verspricht zudem vielfältige Anpassungen und Erweiterungen, eventuell sogar für komplexere Schriftsysteme jenseits des lateinischen Alphabets. Playpen Sans ist ein lebendiger Beweis dafür, wie zeitgemäße Typografie menschliche Ausdruckskraft digital neu erlebbar macht – und dabei sowohl die Grenzen des Machbaren verschiebt als auch neue kreative Türen öffnet.