Der Schweizer Baustoffriese Holcim hat auf seiner Hauptversammlung in Zug eine bedeutende Weichenstellung vollzogen. Die Aktionäre stimmten mit großer Mehrheit für die Abspaltung des nordamerikanischen Geschäftsbereichs, der künftig als eigenständiges Unternehmen namens Amrize firmieren wird. Dieses strategische Manöver soll Holcim und Amrize in die Lage versetzen, sich jeweils stärker auf ihre regionalen Märkte zu konzentrieren und von den wirtschaftlichen Entwicklungen vor Ort zu profitieren. Die Zustimmung der Investoren fiel dabei nahezu einstimmig aus, signalisiert aber auch eine klare Erwartungshaltung gegenüber einer fokussierten und wachstumsorientierten Unternehmensstruktur. Bei der Abstimmung zeigte sich jedoch auch die anhaltende Unzufriedenheit einiger Aktionäre über die exorbitante Vergütung des bisherigen Holcim-Vorstandsvorsitzenden Jan Jenisch, der künftig CEO und Vorsitzender von Amrize wird.
Die Spaltung des Konzerns in zwei klar getrennte Einheiten reflektiert den wachsenden Trend großer multinationaler Unternehmen, regional spezifische Geschäftsfelder zu separieren. Für Holcim bedeutet diese Umstrukturierung, dass sich das Unternehmen verstärkt auf die Märkte außerhalb Nordamerikas konzentrieren kann – vor allem Europa, Asien, Südamerika und Afrika bleiben im Fokus. Das neue Unternehmen Amrize wird hingegen ganz auf Nordamerika und dessen infrastrukturelle Dynamik setzen. Mit mehr als 1.000 Standorten und 19.
000 Beschäftigten zählt Amrize zu den größten Zementproduzenten in Kanada und den USA. Die wirtschaftlichen Eckdaten des Jahres 2024 zeigen eindrücklich das Potenzial der Region: Ein Nettogewinn von 1,3 Milliarden US-Dollar bei einem Umsatz von 11,7 Milliarden US-Dollar belegen die wirtschaftliche Kraft und die strategische Bedeutung Nordamerikas für die Holcim-Gruppe. Die umfangreichen Infrastrukturinvestitionen in den USA bieten für Amrize günstige Rahmenbedingungen, um weiter zu wachsen und sich als Marktführer zu positionieren. Die künftige Börsennotierung von Amrize an der New Yorker Börse sowie an der Schweizer Börse SIX sorgt für verstärkte Transparenz und ermöglicht den Holcim-Aktionären den direkten Zugang zu den Aktien der neuen Gesellschaft. Dies wird nicht nur die Liquidität der Aktien erhöhen, sondern auch eine klare Bewertung der beiden Unternehmen nach deren jeweiligen Geschäftsmodellen erlauben.
Holcim und Amrize werden damit unabhängige Unternehmen mit eigenen strategischen Plänen und operativen Zielen, die besser an die regionalen Marktgegebenheiten angepasst sind. Der Holcim-Vorstandsvorsitzende Jan Jenisch erläuterte zuversichtlich, dass die Trennung einen stärkeren strategischen und operationellen Fokus bei beiden Gesellschaften ermöglicht. Er sieht darin eine Chance, die Flexibilität zu erhöhen und die Marktchancen optimal zu nutzen. Neben der strategischen Neuausrichtung stand die Hauptversammlung auch im Zeichen der personellen Veränderungen im Vorstand. Die Aktionäre bestätigten Kim Fausing, den CEO des dänischen Engineering-Konzerns Danfoss, als neuen Vorsitzenden von Holcim.
Dies markiert einen bedeutenden Führungswechsel, denn Jan Jenisch übernimmt in Zukunft die Doppelrolle von CEO und Vorsitzendem bei Amrize. Die Neuaufstellung unterstreicht das Bestreben der Gruppe, zwei eigenständige Managementstrukturen für die unterschiedlichen Unternehmensbereiche zu etablieren. Jenisch, der als ehemaliger Holcim-CEO über umfassende Erfahrung und Branchenkenntnisse verfügt, kann so den nordamerikanischen Markt gezielt weiterentwickeln. Trotz der Zustimmung zu den entscheidenden Weichenstellungen der Holcim-Hauptversammlung standen die hohen Vergütungen von Jan Jenisch und weiteren Führungskräften im Fokus der Kritik. Für das Jahr 2024 wurde Jenisch eine Gesamtsumme von rund 48 Millionen Schweizer Franken an Vergütung zugestanden, was umgerechnet etwa 57,24 Millionen US-Dollar entspricht.
Dies macht ihn zum bestbezahlten Manager unter den Schweizer börsennotierten Blue-Chip-Unternehmen. Die Höhe der variablen Vergütung, die maßgeblich durch Aktienoptionen und leistungsorientierte Komponenten bestimmt wird, beträgt etwa das 25-fache seines Grundgehalts als CEO. Diese außergewöhnliche Auszahlung löste bei einigen Aktionären und externen Beratern erhebliche Irritationen und Kritik aus. Der Schweizer Proxy-Berater Ethos bewertete das Vergütungspaket als inakzeptabel und stellte besonders die stark gestiegene variable Vergütung infrage. Die Betonung lag dabei auf einer besseren Angemessenheit von Bezügen in Relation zur nachhaltigen Unternehmensentwicklung und einer stärkeren Bindung an langfristige Performancefaktoren.
Auch ein weiteres Beratungsunternehmen, Actares, äußerte Zweifel an der Angemessenheit der Spitzenmanager-Honorare. Frank van Pernis, Vertreter von Actares, sprach von einem "Elefantenrennen" unter Top-Managern, bei dem es primär um die Maximierung des eigenen Verdienstes gehe. Für den Durchschnittsbürger sei eine solche Höhe der Vergütung kaum nachvollziehbar und stelle ein gesellschaftliches Spannungsfeld dar. Trotz dieser kritischen Stimmen votierten dennoch über 92 Prozent der anwesenden Aktionäre für das Vergütungspaket in einer nicht bindenden Abstimmung. Diese hohe Zustimmung zeigt einerseits das Vertrauen der Investoren in das bisherige Management und die Geschäftsentwicklung, wirft andererseits jedoch die Frage auf, wie künftige Vergütungsstrukturen besser mit den Erwartungen von Aktionären, Arbeitnehmern und der Öffentlichkeit in Einklang gebracht werden können.
Das Thema Managergehälter bleibt im Kontext der zunehmenden Diskussionen um Nachhaltigkeit, fairen Löhnen und sozialer Verantwortung ein sensibles Feld. Die Holcim-Abspaltung spiegelt eine größere Tendenz in der Baustoff- und Infrastrukturbranche wider, wo Unternehmen versuchen, ihre Aktivitäten regional spezifisch auszurichten, um Kapital aus lokalen Wachstumschancen besser zu schlagen. Während traditionelle Geschäftsmodelle vermehrt auf globale Skaleneffekte setzen, gewinnen regional fokussierte Strategien an Bedeutung, insbesondere wenn große öffentliche Infrastrukturprojekte und staatliche Investitionsprogramme an Fahrt aufnehmen. Nordamerika profitiert aktuell von enormen Investitionen in Verkehrswege, Energieinfrastruktur und urbanem Ausbau, was Amrize in eine hervorragende Ausgangsposition bringt. Die Neuausrichtung eröffnet für beide Unternehmen diverse Chancen, erhöht aber auch den Wettbewerbsdruck.
Holcim muss sich im globalen Markt bewähren, insbesondere gegen asiatische und europäische Konkurrenten, während Amrize sein Wachstumspotenzial in einem dynamischen und wettbewerbsintensiven nordamerikanischen Umfeld entfalten will. Die Börsennotierungen werden zudem eine stärkere öffentliche Scrutiny mit sich bringen, sodass nachhaltige Unternehmensführung und Transparenz einen noch höheren Stellenwert erhalten. Insgesamt festigt Holcim durch die Abspaltung seine Position als einer der zentralen Akteure der globalen Baustoffindustrie, der durch strategische Anpassungen und gezielte Führungskräftewechsel den Herausforderungen des Marktes begegnet. Die klare Fokussierung auf unterschiedliche Regionen dürfte es ermöglichen, schneller auf Markttrends zu reagieren und Kapital effizienter einzusetzen. Gleichzeitig mahnt die Diskussion um hohe Managergehälter zur Sensibilität gegenüber sozialer Verantwortung und zur Balance zwischen Anreizsystemen und gesellschaftlicher Akzeptanz.
Das künftige Zusammenspiel zwischen Holcim als global agierendem Unternehmen und Amrize als regional fokussiertem Player wird von Marktbeobachtern mit großem Interesse verfolgt. Beide Unternehmenszweige stehen vor der Herausforderung, Wachstum und Rentabilität unter sich wandelnden wirtschaftlichen Rahmenbedingungen auszubauen. Die Aktionäre scheinen mit der eingeschlagenen Richtung grundsätzlich zufrieden zu sein, fordern aber gleichzeitig eine kritische Kontrolle der Führungsvergütungen und ein verantwortungsbewusstes Management, das langfristigen nachhaltigen Erfolg in den Mittelpunkt stellt. Die kommenden Monate und Quartale werden zeigen, wie gut die Neustrukturierung bei Holcim und Amrize tatsächlich funktioniert und ob die Trennung den erwarteten Mehrwert für Investoren, Mitarbeiter und weitere Stakeholder schafft.