Mit dem schnellen Fortschritt der künstlichen Intelligenz eröffnen sich neue Möglichkeiten, die bislang undenkbar schienen – darunter die digitale Repräsentation von verstorbenen Personen. Diese sogenannten AI-Geister oder „grief bots“ simulieren Gespräche und Interaktionen mit den Verstorbenen anhand von zuvor gesammelten Daten wie Nachrichten, Bildern, Stimmen oder Videos. Für viele Trauernde bieten diese virtuellen Abbilder eine Art Trost und ermöglichen es, Erinnerungen lebendig zu halten. Doch zugleich werfen sie tiefgreifende ethische, psychologische und rechtliche Fragen auf, allen voran die nach der Selbstbestimmung über die eigene digitale Identität nach dem Tod. Die Idee, eine Verfügung zu entwerfen, die eine solche digitale Wiederauferstehung ausdrücklich verhindert, rückt zunehmend in den Fokus.
Doch wie gestaltet sich der rechtliche Rahmen, und wie kann man ein Testament oder eine Verfügung formulieren, um nicht selbst zum AI-Geist zu werden? Zunächst ist festzuhalten, dass die Nutzung von Daten Verstorbener zur Herstellung digitaler Nachbilder eine relativ neue Herausforderung darstellt, für die das Rechtssystem kaum konkrete Vorgaben bietet. Aus diesem Grund ist diese Thematik bei vielen Juristen und insbesondere bei Experten für Nachlassplanung noch wenig bekannt und kaum Gegenstand von Standardverfügungen. Experten wie Katie Sheehan, erfahrene Vermögensstrategin und Nachlassplanerin, berichten, dass sie in ihrer täglichen Praxis bisher kaum auf solche Wünsche gestoßen sind und dass „keine Dokumente bekannt sind, die bereits AI-Geister-Prävention thematisieren“. Dennoch zeichnet sich ab, dass eine vorsorgliche Regelung künftig wichtiger werden könnte, da die Technologie sich verbreitet und immer mehr Menschen auf die Möglichkeit einer digitalen Repräsentation ihrer selbst oder ihrer Angehörigen aufmerksam werden. Eine Möglichkeit, vorzusorgen, besteht darin, in der rechtlichen Nachlassplanung explizit Anweisungen zu hinterlegen, die den Umgang mit digitalen Daten einschränken.
Dies kann in Form von Klauseln in einem Testament oder einer Vollmacht geschehen, in denen festgelegt wird, dass der Bevollmächtigte oder Nachlassverwalter keine digitalen Inhalte – etwa Texte, Bilder, Ton- und Videoaufnahmen – an KI-Dienste weitergeben darf, um daraus digitale Abbilder oder Chatbots zu erstellen. Entscheidend ist dabei auch die vertragliche Seite: Es gilt, Urheber- und Persönlichkeitsrechte zu wahren, um eine nicht autorisierte Nutzung der Daten zu verhindern. Doch derzeit sieht die Rechtslage keine ausdrücklichen Verbote gegen nicht-kommerzielle, private AI-Geister vor. Vergleichbar mit dem Umgang mit geistigem Eigentum oder dem Recht am eigenen Bild besitzen Privatpersonen in vielen Fällen nur begrenzte Kontrolle, sobald die Daten öffentlich oder in die Hände Dritter gelangen. Während Prominente und in der Öffentlichkeit stehende Persönlichkeiten einen höheren rechtlichen Schutz genießen, bleibt die Rechtslage für die breite Bevölkerung ambivalent und oft lückenhaft.
Das Revised Uniform Fiduciary Access to Digital Assets Act (RUFADAA), welches bereits in zahlreichen US-Bundesstaaten gilt, regelt zwar den Zugang zu Online-Konten Verstorbener, wie E-Mail- und Social-Media-Accounts, bezieht sich jedoch nicht spezifisch auf AI-generierte digitale Abbilder. Dieses Gesetz kann höchstens indirekt Schutz bieten, da es den Zugriff auf die digital gespeicherten Daten reglementiert. Eine ausdrückliche Kontrolle darüber, ob und wie die eigenen Daten für künstliche Intelligenz verwendet werden dürfen, ist darin nicht erfasst. Es ist also keine Garantie gegeben, dass Wünsche nach „Kein AI-Geist“ von Gerichten oder Begünstigten vollumfänglich respektiert werden. Rechtsexperten prognostizieren, dass derartige Fälle erst vor Gericht geklärt werden und sich in den nächsten Jahren ein neuer Rechtsrahmen entwickeln wird, der möglicherweise auch Standardformulierungen in Nachlassdokumenten umfasst, die heute noch selten sind.
Ein weiteres wichtiges Thema im Kontext digitaler Nachlässe ist der sogenannte „Recht auf Löschung“ (Right to Deletion). Dieses Konzept sieht vor, dass der Verstorbene oder seine Erben das Recht haben, digitale Daten löschen zu lassen, welche zur Erstellung von AI-Geistern genutzt werden könnten. Juristin Victoria Haneman argumentiert, dass dieses „Recht auf Löschung“ einen praktikableren und gerechteren Weg zur Vermeidung unerwünschter digitaler Reproduktionen darstellt, als eine umfassende Kontrolle von AI-Ausgaben durch Testament oder Gesetze. Sie weist darauf hin, dass viele Menschen ohne Testament sterben und ein Nachlassplan, der sich auf das Verhindern von AI-Geistern konzentriert, allein einer privilegierten Minderheit Vorteile bringen würde. Stattdessen sollten gesetzliche Lösungen entwickelt werden, die möglichst allen Mitbürgern zugutekommen.
Auch wenn ein formal korrektes Testament AI-Resurrektionswünsche enthält, läuft man Gefahr, dass diese von Erben ignoriert oder nicht durchgesetzt werden können. Fehlende eindeutige gesetzliche Richtlinien und die technische Komplexität erschweren die Umsetzung solcher Verfügungen. Ein sehr persönliches Beispiel verdeutlicht die Problematik: Muhammad Aurangzeb Ahmad, ein Informatikprofessor aus Washington, entwickelte vor über zehn Jahren einen eigenen grief bot auf Basis der Daten seines verstorbenen Vaters. Obwohl seine Absicht darin bestand, den Charakter seines Vaters authentisch zu bewahren und ausschließlich den direkten Datenpool seines Vaters zu nutzen, hatte er dessen ausdrückliche Zustimmung nie eingeholt. Im Nachhinein erkannte er, dass der Bot stark subjektiv seine eigene Wahrnehmung widerspiegelt und bei anderen Familienmitgliedern nicht auf dieselbe Akzeptanz stieß.
Diese Erfahrung zeigt, wie wichtig eine vorherige Einwilligung der betroffenen Person ist, um Streitigkeiten und mögliche Konflikte innerhalb der Familie zu vermeiden. Sie macht zudem deutlich, dass digitale Nachbilder kein objektives Abbild der verstorbenen Persönlichkeit garantieren können. Geistiges Eigentum, Persönlichkeitsrechte und Datenschutz überschneiden sich an dieser Schnittstelle, wobei vielfach noch regulatorische Lücken bestehen. Neben den juristischen Aspekten birgt der Einsatz von AI-Geistern auch psychologische Risiken. Fachleute warnen, dass eine zu intensive oder unkontrollierte Interaktion mit virtuellen Abbildern den natürlichen Trauerprozess stören kann.
Gerade das Abschiednehmen und das Loslassen sind zentrale Faktoren für psychische Heilung. Eine dauerhafte „Anbindung“ an einen digitalen Nachgebildeten besteht die Gefahr, Trauernde in einem emotionalen Seitental hängen zu lassen und so den Heilungsverlauf zu verlängern oder gar zu hemmen. Gleichzeitig sehen manche Therapeuten die Technologie als Möglichkeit, den Schmerz zu lindern und den Umgang mit Verlusten besser zu bewältigen – allerdings nur als ergänzendes Hilfsmittel und unter professioneller Begleitung. Gesellschaftlich herrscht noch Unsicherheit darüber, wie AI-Geister wahrgenommen und reguliert werden. Während extreme Fälle von „digitalen Wiederauferstehungen“ prominenter Persönlichkeiten bereits mediale Aufmerksamkeit erlangt haben, ist das allgemeine Bewusstsein und die gesetzliche Verankerung unzureichend.
Der Umgang mit dem digitalen Nachlass verlangt zukünftig eine sensible Balance zwischen Respekt vor dem Verstorbenen, den Bedürfnissen der Hinterbliebenen und ethischen wie rechtlichen Standards. Wer verhindern möchte, ein AI-Geist zu werden, sollte bereits zu Lebzeiten klare Regelungen treffen und diese professionell im Rahmen der Nachlassplanung fixieren. Dabei helfen juristische Fachkräfte mit Expertise im digitalen Erbrecht und Nachlassmanagement, die passende individuelle Formulierung zu gestalten. Es empfiehlt sich, klare Verbote der Weitergabe persönlicher digitaler Informationen an KI-Dienste zu formulieren und diese in Vollmachten sowie Testamente aufzunehmen. Zudem sollte der Wunsch nach Löschung bestimmter Daten explizit festgehalten und, falls möglich, entsprechenden Institutionen oder Nachlassverwaltern übertragen werden.
Allerdings ist es ebenso wichtig, dass Begünstigte, Familienmitglieder und Exekutoren die getroffenen Willensäußerungen respektieren und umsetzen, was ohne gesetzlich verankerte Hilfe oft schwer erzwingbar ist. Für die Zukunft bleibt zu hoffen, dass mehrere Bundesstaaten und Staaten auch international zeitnah klare Rahmenbedingungen schaffen, um die Persönlichkeitsrechte und digitalen Identitäten Verstorbener wirksam zu schützen. Gesetzgeber könnten das Recht auf Löschung erweitern und den Zugang zur Weiterverarbeitung persönlicher Daten auf den Todesfall hin an strenge Regeln binden. So kann sichergestellt werden, dass die Selbstbestimmung eines Menschen auch über den Tod hinaus gewahrt bleibt und unerwünschte, ethisch problematische digitale AI-Darstellungen systematisch verhindert werden. Aufgrund der dynamischen Entwicklung der Technologie und der rechtlichen Unsicherheit ist es für jeden Ratsuchenden sinnvoll, sich frühzeitig mit Experten für digitale Nachlassgestaltung zu beraten.
Das Verfassen eines Testaments oder einer Verfügung bezüglich AI-Geistern ist komplex, aber eine bedeutende Maßnahme für den Schutz der digitalen Persönlichkeit. Noch lebt die Gesellschaft in einer Übergangsphase zwischen Chancen und Risiken, welche die digitale Zeitrechnung mit sich bringt. Wer heute schon aktiv wird und klare Wünsche hinterlässt, kann spätere Konflikte vermeiden und die eigene Würde im digitalen Zeitalter bewahren. Denn die Frage „Wie verfasst man ein Testament, um kein AI-Geist zu werden?“ ist nicht nur rechtlich komplex, sondern betrifft auch die elementaren Vorstellungen von Persönlichkeit, Erinnerung und Tod in einer zunehmend digitalisierten Welt.