In den letzten Monaten hat sich der Krieg in der Ukraine auf vielseitige Weise weiterentwickelt, insbesondere durch den zunehmenden Einsatz moderner Drohnentechnologie. Dabei rücken die iranisch designten Shahed-Drohnen, die von Russland zunehmend für Langstreckenangriffe genutzt werden, ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Diese unbemannten Luftfahrzeuge haben ihre Wirksamkeit dank verschiedener technologischer Verbesserungen deutlich gesteigert. Besonders hervorzuheben ist dabei der Einsatz von Starlink-Satellitenverbindungen, die eine Echtzeitsteuerung und verbessertes Situationsbewusstsein ermöglichen. Dies verändert die Art der russischen Lufteinsätze fundamental und stellt die ukrainische Luftabwehr vor enorme Herausforderungen.
Die Shahed-136 ist eine von Iran entwickelte Drohne, die ursprünglich als eine vergleichsweise kostengünstige, bislang eher rudimentäre Waffe galt. Seit Herbst 2022 setzen russische Streitkräfte diese Drohnen in großer Anzahl ein, um Tiefenschläge auf ukrainischem Gebiet durchzuführen. Von Anfang an zeichnete sich diese Drohne durch eine Kombination aus langer Reichweite, relativ hoher Flughöhe und einfacher Produktion aus, was sie zu einem bevorzugten Mittel für Angriffe machte. In den letzten Monaten hat Russland jedoch bedeutende Upgrades an den Shaheds vorgenommen. Dazu gehören der Einbau von Jet-Triebwerken, wodurch die Drohnen deutlich schneller und höher fliegen können, sowie die Ausstattung mit Starlink-Terminals, die eine satellitengestützte Online-Kommunikation und Fernsteuerung erlauben.
Die Geschwindigkeit der Shaheds hat sich durch den Einbau von Jet-Motoren praktisch verdoppelt, teilweise sogar fast verdreifacht. Während die ursprünglichen Versionen mit etwa 200 km/h unterwegs waren, erreichen neuere Modelle Spitzengeschwindigkeiten von bis zu 477 km/h. Diese Geschwindigkeit erschwert das Erkennen und Abfangen durch ukrainische Luftabwehrsysteme erheblich. Hinzu kommt eine größere Bombenlast, die mit bis zu 90 Kilogramm deutlich höher liegt als zuvor. Dadurch können pro Angriff mehr Schäden verursacht werden – auch wenn sie weiterhin hinter klassischen Marschflugkörpern in der Sprengkraft zurückbleiben.
Dennoch ermöglicht die Masseneinsatztaktik der Shaheds eine breite Wirkung, insbesondere wenn sie in Schwärmen von mehreren Hundert Drohnen auf einmal losgeschickt werden.Die Flughöhe wurde ebenfalls erhöht, auf bis zu zwei Kilometer, was 2000 Meter bedeutet. Das stellt die Ukraine vor zusätzliche Probleme, denn viele ihrer bodengestützten Waffen und Maschinengewehre reichen nicht bis in diese Höhe oder sind in ausreichender Zahl nicht verfügbar. Schultergestützte Luftabwehrraketen wie die sowjetischen Igla oder amerikanischen Stinger können zwar in höheren Lagen operieren, sind jedoch begrenzt vorhanden und können angesichts der Masse von anfliegenden Drohnen rasch verbraucht sein. Zudem fliegen einige Shaheds bewusst in sehr niedrigen Höhen von nur 100 bis 300 Metern, um Radarsichtlinien zu umgehen und in einem nur äußerst kurzen Zeitfenster entdeckt und bekämpft zu werden.
Für deutsche Leser mag diese Kombination aus niedriger Flughöhe und hoher Geschwindigkeit ein schwer zu fassendes Ziel darstellen.Ein weiterer kritischer Punkt ist die Steuerung der Drohnen. Klassischerweise wurden die Shahed-Drohnen anhand vorgegebener Flugpfade gesteuert, was es den ukrainischen Truppen erleichterte, sie zu analysieren und gezielt abzufangen. Neuerdings jedoch kann man beobachten, dass einige Drohnen deutlich flexibler reagieren. Sie scheinen in der Lage zu sein, auf Lichtquellen wie Suchscheinwerfer zu reagieren und Kursänderungen vorzunehmen.
Dies deutet auf eine verbesserte visuelle Erkennung und programmierte Ausweichmanöver hin, was die Bedingungen für die Luftabwehr weiter verschärft.Noch bedeutsamer ist die Integration von Starlink-Terminals in manchen Shahed-Drohnen. Starlink ist ein satellitenbasiertes Internetnetzwerk des privaten Unternehmens SpaceX, das weltweit eine stabile und niederschwellige Internetverbindung ermöglicht. Durch die Anbindung an Starlink kann die Drohne in Echtzeit geleitet werden, Pilotinnen und Piloten können ihre Positionen live auskundschaften, Kamerabilder empfangen und unmittelbar Kursanpassungen vornehmen. Dies macht den Angriff dynamischer und weniger berechenbar, da Drohnen flexibel auf sich ändernde Situationen reagieren können.
Russische Operatoren nutzen die Satellitenkommunikation offenbar auch, um reale Informationen an die Drohnen zu übermitteln, die dann etwa versuchen, ukrainische Bodenstellungen zu umfliegen oder die Bedrohungslage für sich günstiger zu gestalten.Die Verwendung von Starlink als Kommunikationsmedium für bewaffnete Drohnen stellt eine weitere Dimension der Digitalisierung moderner Kriegsführung dar. Satcom-Netzwerke bieten eine deutlich robustere Verbindung als Funkgeräte mit begrenzter Reichweite oder anfällige Mobilfunknetze. Dies ermöglicht nicht nur eine längere Einsatzdauer der Drohnen, sondern auch eine engere Verzahnung von Beobachtung, Steuerung und Führung über große Distanzen hinweg. Für die ukrainische Luftverteidigung bedeutet dies, dass sie nicht mehr nur automatisierte Flugbahnen bekämpfen muss, sondern hochgradig vernetzte und agile Angriffssysteme.
Gleichzeitig stellt die Ukraine eine Verbesserung ihrer eigenen Luftabwehr-Infrastruktur und -Kommunikation fest und setzt verschiedene digitale Werkzeuge ein, um schneller und besser auf Drohneneinsätze zu reagieren. Mobile Luftverteidigungstrupps sind mit Browning-Maschinengewehren auf Truck-Plattformen ausgerüstet, was eine flexible Reaktion erlaubt. Zusätzlich wurden Wärmebildkameras flächendeckend eingeführt, die in der Nacht oder bei schlechten Sichtverhältnissen wertvolle Unterstützung bieten. Die vernetzte Nutzung von Apps wie Visage und Delta ermöglicht es den Einheiten, Bedrohungen in Echtzeit zu identifizieren, zu verfolgen und gemeinsam zu bekämpfen. Diese technischen Fortschritte sind essenziell, um den Shahed-Schwärmen wenigstens teilweise entgegenzuwirken.
Nichtsdestotrotz verzweifelt die ukrainische Seite angesichts der Masse und Geschwindigkeit der Drohnen. Das Zeitfenster, drohnengestützte Angriffe zu erkennen, zu erfassen und zu neutralisieren, beträgt oft nur wenige Sekunden. Fehlende Über-Kurven-Radarsysteme, die Drohnen unterhalb des Horizonts erfassen könnten, erschweren die Situation zusätzlich. Programmierer und Taktiker auf ukrainischer Seite diskutieren über die Notwendigkeit erweiterter radarbasierter Frühwarnsysteme sowie die verstärkte Nutzung von Satellitendaten zur Drohnenerkennung und –abwehr.Über die technischen Aspekte hinaus offenbart der Einsatz von Starlink in diesem Kontext auch ein geopolitisches und militärisches Dilemma.
Ursprünglich wurde Starlink von zivilen Nutzern und Regierungen als Instrument für schnelles Internet beworben. Die russische Nutzung des Systems für Kriegstechnologie zeigt die Umwidmung zivil genutzter Infrastruktur in militärische Zwecke. Gleichzeitig erhöht dies den Druck auf Anbieter wie SpaceX und westliche Regierungen, Fragen der Kontrolle, Regulierung und möglichen Sanktionen gegen die Verwendung zivilen Netzwerks für Kriegszwecke zu beantworten. Es entsteht eine Schnittstelle zwischen privater Technologiefirma und Konfliktparteien, die bislang ungeahnte sicherheitspolitische Dimensionen offenbart.Zurückblickend auf die Geschichte des Krieges in der Ukraine sind die Shahed-Drohnen ein eindrucksvolles Beispiel für die Dynamik moderner Konflikte, in denen asymmetrische Strategien mit hochentwickelter Kommunikationstechnologie kombiniert werden.