Die vergleichende Verhaltensforschung stellt einen zentralen Pfeiler dar, um das komplexe soziale Verhalten von Tieren besser zu verstehen. Besonders bei Primaten liefern solche Untersuchungen wertvolle Erkenntnisse über evolutionäre Prozesse, soziale Dynamiken und ökologische Anpassungen. Makaken, als weitverbreitete und sozial vielseitige Affenart, bilden dafür ein exzellentes Modell. Durch ihre große geographische Verbreitung und die Vielfalt ihrer Lebensräume eröffnen sie Forschern die Möglichkeit, Verhalten in unterschiedlichen Kontexten vergleichend zu analysieren. Doch eine der größten Herausforderungen in der Verhaltensforschung liegt darin, Daten aus verschiedenen Studien vergleichbar und zugänglich zu machen.
Hier setzt MacaqueNet als innovative Initiative an. MacaqueNet ist ein globales Netzwerk, das über 100 Wissenschaftler und Forschungsteams miteinander verbindet, um soziale Verhaltensdaten von Makaken zentral zu bündeln und standardisiert aufzubereiten. Damit wird der Weg geebnet, um sowohl intra- als auch interspezifische Vergleiche für 14 der aktuell 25 anerkannten Makakenarten durchzuführen, basierend auf Daten, die bis ins Jahr 1981 zurückreichen. Diese große Bandbreite erlaubt es, Vor- und Nachteile verschiedener Verhaltensanalysen zu identifizieren und den Einfluss von Umweltbedingungen auf soziale Strukturen aufzuzeigen. Einer der Kernpunkte von MacaqueNet ist die Schaffung eines relationalen Datenbanksystems, das neben Verhaltensdaten auch umfangreiche Metadaten zu Beobachtungsmethoden, Studienpopulationen und beteiligten Forschungsteams enthält.
Dies gewährleistet, dass Informationen nicht isoliert vorliegen, sondern in ihrem Kontext verständlich sind. Die Verhaltensdaten umfassen hauptsächlich affiliative und agonistische Interaktionen, wie beispielsweise die Häufigkeit und Dauer von Pflegeverhalten, Körperkontakt oder Aggressionsakten. Diese Verhaltensweisen bilden die Basis für das Verständnis komplexer sozialer Beziehungen und Hierarchien innerhalb der Gruppen. Eine enorme Herausforderung bei der Aggregation von Datensätzen aus verschiedensten Quellen besteht in der Heterogenität der Erhebungsmethoden und der Definitionen der Beobachtungen. MacaqueNet begegnet diesem Problem durch ein eigens entwickeltes Standardisierungsverfahren, das eng mit den Datengebern abgestimmt wird.
So werden Unklarheiten vermieden und die Vergleichbarkeit der Daten über unterschiedliche Standorte und Zeiträume sichergestellt. Zudem wird durch transparente Dokumentation und offene Zugänglichkeit der Datenplattform ein Höchstmaß an Nachvollziehbarkeit und Reproduzierbarkeit geboten. Der Aufbau von MacaqueNet begann im Jahr 2017 als kleineres Kooperationsprojekt und hat sich schnell zu einer internationalen Bewegung entwickelt. Das Netzwerk ist offen für Forscher aller Erfahrungsstufen und Herkunft, wobei besonderer Wert daraufgelegt wird, auch Wissenschaftler aus den Makakenverbreitungsgebieten einzubinden, um eine inklusive Forschungscommunity zu schaffen. Neben der Bereitstellung der Daten fördert MacaqueNet den kontinuierlichen Austausch innerhalb der Gemeinschaft durch regelmäßig stattfindende Symposien, Mailinglisten und Online-Plattformen.
Dies führt nicht nur zu einem verbesserten Wissenstransfer, sondern regt auch die Entwicklung neuer Forschungsfragen und Projekte an. Die systematische vergleichende Analyse der Makakenverhaltensdaten durch MacaqueNet eröffnet vielfältige wissenschaftliche Perspektiven. Zum Beispiel können evolutionäre Muster in Dominanzhierarchien oder die Rolle von Verwandtschaft in Sozialverbänden besser nachvollzogen werden. Ebenso lassen sich die Einflüsse von Umweltbedingungen und menschlicher Einflussnahme auf das Sozialverhalten untersuchen. Dank der langen Beobachtungszeiträume und der umfangreichen Populationsstichproben kann auch die soziale Alterung oder Veränderungen im Verhalten unter dem Einfluss von Lebensraumveränderungen analysiert werden.
Neben diesen Forschungsergebnissen hat MacaqueNet auch eine Vorbildfunktion für die gesamte Verhaltensforschung. Die Initiative stellt eine Blaupause für ähnliche kollaborative Großprojekte dar, in denen heterogene Daten aus vielen Quellen zusammengeführt, standardisiert und langfristig zugänglich gemacht werden. Die Bereitstellung eines offenen R-Pakets zur Datenstandardisierung und der transparente Softwarecode unterstreichen die Verpflichtung zu Offenheit und Nachnutzbarkeit. Die Bedeutung solcher big-team Science-Projekte wächst stetig, da sie die Herausforderung der datengetriebenen Wissenschaft effektiv adressieren. Anstatt isolierte Einzelstudien zu produzieren, schaffen sie eine gemeinschaftliche Infrastruktur, die Forschung beschleunigt und Ressourcen effizient nutzt.
Auch der Schutz der Interessen der Datenspezialisten wird berücksichtigt, indem Datenbesitzer ihre Rechte wahren und ihre Beiträge anerkannt werden. Dies fördert eine nachhaltige Beteiligung und langfristiges Engagement. Insgesamt hat MacaqueNet das Potenzial, die vergleichende Primatenverhaltensforschung entscheidend zu verändern. Durch die Kombination von standardisierten, umfangreichen Datensätzen und einer lebendigen internationalen Forschungscommunity entsteht ein Motor für innovative und interdisziplinäre Studien. Die gewonnenen Erkenntnisse tragen nicht nur zum wissenschaftlichen Verständnis von sozialen Systemen bei, sondern können auch Impulse für den Naturschutz und den Schutz bedrohter Arten liefern, indem sie menschliche Einflüsse und deren Auswirkungen auf Wildtierpopulationen beleuchten.