Die Energiesektoren weltweit befinden sich in einem tiefgreifenden Wandel, geprägt von Versuchen, Wärmeerzeugung und Stromversorgung nachhaltiger zu gestalten. Vor allem in Großbritannien spielt Gas weiterhin eine zentrale Rolle – trotz ambitionierter Pläne zur Dekarbonisierung der Wirtschaft und dem massiven Ausbau erneuerbarer Energien. Ein aktueller Deal zwischen dem Eigentümer von British Gas, Centrica, und dem norwegischen Staatsenergieunternehmen Equinor zeigt exemplarisch, wie die gasbasierte Energieversorgung der Inselnation für die kommenden Jahre gesichert wird und zugleich den Weg hin zu einer klimafreundlicheren Zukunft ebnet. Mit einem Vertragsvolumen von rund 20 Milliarden Pfund sichert sich Centrica die Lieferung von etwa 5 Milliarden Kubikmetern Gas jährlich von dieser Wintersaison bis 2035. Damit werden etwa fünf Millionen britische Haushalte versorgt, was fast zehn Prozent des nationalen Gasbedarfs entspricht.
Dies unterstreicht die fortlaufende Bedeutung Norwegens als einer der wichtigsten Energiepartner Großbritanniens, der seit über fünf Jahrzehnten seine Rolle als verlässlicher Lieferant einnimmt. Das Vertragsvolumen mag im Vergleich zu früheren Abkommen etwas kleiner ausfallen, doch der Deal besticht durch eine innovative Komponente. Er beinhaltet eine Klausel, die es erlaubt, die Gaslieferungen durch emissionsfreien Wasserstoff aus Equinors britischem Wasserstoffwerk zu ersetzen. Dieser Punkt markiert einen bedeutenden Schritt in der noch jungen britischen Wasserstoffwirtschaft und fügt sich nahtlos in das ambitionierte Ziel Großbritanniens ein, den Kohlendioxidausstoß bis 2050 auf Netto-Null zu senken. Die Zusammenarbeit zwischen Equinor, Centrica und dem britischen Energieunternehmen SSE konzentriert sich bereits auf mehrere Wasserstoffprojekte entlang des nördlichen Ufers des Humber-Gebiets.
Ein besonders hervorzuhebendes Projekt ist das sogenannte „Pathfinder“-Wasserstoffprojekt am bestehenden Gaslager Aldbrough in East Yorkshire, das voraussichtlich bis 2029 in Betrieb gehen soll. Dieses Projekt könnte als Leuchtturm für zukünftige Wasserstoffanlagen dienen und den Grundstein für eine neue, grüne Industriewertschöpfung in der Region legen. Die Infrastruktur im Bereich Wasserstoff soll demnach dazu beitragen, fossile Brennstoffe allmählich zu ersetzen und das britische Energiesystem flexibler sowie klimafreundlicher zu gestalten. Trotz der langfristigen Gaslieferverträge sinkt die Gasnachfrage im Vereinigten Königreich stetig. Die Ursachen hierfür liegen vor allem in der steigenden Erzeugung von erneuerbarem Strom sowie im zunehmenden Import von Energie aus Europa.
Ein anderer wesentlicher Faktor ist der politische Wille, den Gasverbrauch zugunsten elektrischer Alternativen in Haushalten und der Industrie dramatisch zu reduzieren. Aktuell heizen rund 70 Prozent der britischen Haushalte mit Gas, zudem stammen etwa 25 Prozent der Stromerzeugung aus gasbefeuerten Kraftwerken. Die Regierung stellte ehrgeizige Ziele auf, wonach bis zu 600.000 elektrische Wärmepumpen jährlich installiert werden sollen, um die Abhängigkeit von fossilen Gasheizungen zu verringern. Zudem sollen Gas-Kraftwerke in Zukunft nur noch fünf Prozent der Zeit im Betrieb sein, was zu einem spürbaren Rückgang des Gasverbrauchs führen wird.
Das britische Klimaberatungskomitee Climate Change Committee prognostiziert, dass die Gasnachfrage von aktuellen 720 Terawattstunden auf unter 168 Terawattstunden bis 2050 fallen muss, um die Landesziele in Sachen CO2-Emissionen zu erreichen. Dennoch betonen Experten, dass Gas auch in zukünftigen Energieszenarien eine wichtige Übergangsrolle übernimmt, indem es Versorgungssicherheit bietet und Produktions-Spitzen abfängt, die durch wetterabhängige erneuerbare Energien entstehen. Centricas CEO Chris O’Shea bezeichnet den Deal als „Meilenstein“, der die zentrale Bedeutung von Gas für Großbritanniens Energiesicherheit bestätigt und zugleich das Tor für eine noch kräftig wachsende Wasserstoffwirtschaft öffnet. Dies zeigt deutlich, wie klassische Energieunternehmen ihre Geschäftsmodelle neu orientieren und zunehmend auf nachhaltige Technologien setzen, ohne die Versorgungssicherheit aufs Spiel zu setzen. Der Vertrag folgt auf Anpassungen im Zuge geopolitischer Veränderungen, insbesondere nach der russischen Invasion in die Ukraine, die Europas Gasmarkt auf den Kopf stellten.
So erhöhte Centrica seine Lieferverträge mit Equinor kurzzeitig auf mehr als 10 Milliarden Kubikmeter pro Jahr, um die Abhängigkeit von russischem Pipelinegas auszugleichen. Dieser Schritt verdeutlicht die Bedeutung verlässlicher Partner wie Norwegen für die Stabilität des britischen Energiemarkts. Insgesamt spiegelt das Abkommen den Balanceakt wider, den Großbritannien derzeit vollzieht: Zum einen den Ausbau erneuerbarer Energien ebenso wie emissionsarme Technologien wie Wasserstoff voranzutreiben und zugleich kurzfristig auf bewährte Gaslieferanten zu setzen, um Versorgungslücken und Engpässe zu vermeiden. Die Integration von Wasserstoff als austauschbare Option innerhalb des Vertragsfeldes zeigt, dass die Gaswirtschaft sich schrittweise auf einen Wandel vorbereitet, der fossile Brennstoffe durch saubere Energiequellen ersetzen wird. Die Position Norwegens als zuverlässiger Erdgaslieferant ist weiterhin unverändert stark, auch wenn die Liefermengen leicht zurückgehen.
Die Zusammenarbeit mit britischen Firmen bei Wasserstoffprojekten unterstreicht zudem Norwegens Ambition, ebenfalls bei den Zukunftstechnologien ganz vorne mitzuspielen. Auf der Verbraucherseite besteht weiterhin ein großer Bedarf an bezahlbarer und sicherer Energie, weshalb langfristige Lieferverträge eine wichtige Rolle für den Energiemarkt darstellen. Gleichzeitig zeigen politische und wirtschaftliche Analysen, dass die Landkarte der Energieerzeugung in Großbritannien in den kommenden Jahren immer vielfältiger wird und der Anteil erneuerbarer und kohlenstoffarmer Technologien weiter wächst. Der britische Energiesektor befindet sich mitten in einem fundamentalen Wandel, bei dem Gas zwar kurzfristig eine unverzichtbare Brückenfunktion behält, langfristig jedoch von Wasserstoff und Elektrizität abgelöst werden soll. Der aktuelle Deal zwischen Centrica und Equinor ist dafür beispielgebend, denn er öffnet den Weg für mehr Flexibilität, Nachhaltigkeit und Innovation in der britischen Energieversorgung.
Die kommenden Jahre werden zeigen, wie schnell und effizient dieser Wandel umgesetzt werden kann, um Großbritannien auf seinem Weg zu einem klimaneutralen Energiesystem erfolgreich zu unterstützen. Zugleich verdeutlicht das Abkommen, dass internationale Partnerschaften bei Energiefragen auch in Zukunft unverzichtbar sein werden, um Versorgungssicherheit und wirtschaftliche Stabilität gleichermaßen zu gewährleisten.