Die Kryptobranche steht in den Vereinigten Staaten erneut im Fokus der öffentlichen und rechtlichen Aufmerksamkeit. Coinbase, eine der größten und bekanntesten Krypto-Börsen weltweit, ist jüngst einen ungewöhnlichen und bedeutenden Schritt gegangen: Das Unternehmen hat Klagen gegen die US-Bundesbehörden Securities and Exchange Commission (SEC) sowie die Federal Deposit Insurance Corporation (FDIC) eingereicht. Ziel dieser Klagen ist es, Zugang zu internen Dokumenten und Informationen zu erhalten, die wesentliche Einblicke in die jeweiligen Strategien und Handlungsweisen der Behörden im Umgang mit Kryptowährungen geben sollen. Diese juristische Auseinandersetzung wirft ein scharfes Licht auf die anhaltenden regulatorischen Unsicherheiten und die Herausforderungen, denen die digitale Assetbranche gegenübersteht. Coinbase erhebt in den Klagen den Vorwurf, dass es seit Jahren eine koordinierte und absichtliche Anstrengung von Seiten der SEC, der FDIC und weiterer Finanzaufsichtsbehörden gebe, um Krypto-Firmen den Zugang zum traditionellen Bankensystem zu erschweren oder gar zu verwehren.
Das Unternehmen spricht in diesem Kontext von einem „Operation Chokepoint 2.0“, einer Anspielung auf eine frühere Initiative aus dem Jahr 2013, bei der ebenfalls kontroverse Praktiken verfolgt wurden, um „hochriskante“ Branchen vom Bankensektor auszuschließen. Für die Kryptobranche ist der Zugang zu verlässlichen Bankdienstleistungen essenziell, denn ohne enge Verbindung zum traditionellen Finanzsystem ist ein effizientes Handeln, etwa in der Abwicklung von Kundentransaktionen oder der Sicherung von Liquidität, stark erschwert. Besonders problematisch sind die sogenannten „pause letters“, die von der FDIC zwischen März 2022 und Mai 2023 an ausgewählte Banken verschickt worden sein sollen. Diese Schreiben forderten die Banken auf, sämtliche Krypto-bezogenen Aktivitäten einzustellen, bis die FDIC weitere Richtlinien vorlegen könne.
Die Veröffentlichung dieser Schreiben erfolgte durch einen Bericht des Inspektors General bei der FDIC und hat in der Krypto-Community Besorgnis ausgelöst, da sie den Anschein erwecken, die Branche werde systematisch in ihrer wirtschaftlichen Entfaltung behindert. Ein wesentlicher Teil von Coinbase’ Klage basiert auf dem Recht auf Informationszugang durch das Freedom of Information Act (FOIA). Dieses Gesetz gibt Bürgern und Unternehmen die Möglichkeit, nicht-öffentliche Dokumente von Bundesbehörden einzusehen. Coinbase beantragte unter FOIA mehrere Stapel von Dokumenten, die unter anderem die internen Untersuchungen der SEC bezüglich verschiedenster Krypto-Firmen und den Ethereum-Blockchain-Standard betreffen. Trotz des klar formulierten Rechtsanspruchs wurde Coinbase die Herausgabe nahezu aller verlangtet Dokumente verweigert.
Die SEC und FDIC argumentieren dabei hauptsächlich mit dem Schutz aktiver Ermittlungen und möglichen Folgen für die „Sicherstellung ordnungsgemäßer Ermittlungen und Durchsetzungsmaßnahmen“. Exakt dieselbe Begründung führte bereits zu mehreren anderen ähnlichen FOIA-Klagen gegen die SEC, etwa von der American Securities Association Anfang Juni 2024. Diese blockierte Veröffentlichung spiegelte sich in Coinbase’s Vorwurf wider, dass die Behörden eine Strategie verfolgen, durch die sie bankenbasierte „Lebensadern“ des Krypto-Sektors gezielt abschneiden. Die Klagen von Coinbase werfen somit ein Licht auf ein zunehmend angespanntes Verhältnis zwischen der aufstrebenden Kryptowährungsbranche und den regulierenden Aufsichtsbehörden, die unter anderem die Überwachung von Wertpapiergesetzen und die Stabilität des Finanzsystems sicherstellen wollen. Gleichzeitig verdeutlichen sie die fehlenden klaren Richtlinien und die unübersichtlichen Kommunikationsebenen, welche in der Branche großes Misstrauen gegenüber der US-Regierung und deren Institutionen säen.
Besonders ein Blick auf die Anklagepunkte zur SEC zeigt das Dilemma für Unternehmen in der Krypto-Ökonomie. Coinbase wird vorgeworfen, auf seiner Plattform potenziell unverzeichnete Wertpapiere anzubieten – eine rechtliche Position, die von Coinbase bestritten wird. Die fehlende einheitliche, nachvollziehbare und stabile Regulierungsphilosophie der SEC wird zunehmend als Hemmschuh für Innovation und Wachstum in der Branche gesehen. Darüber hinaus illustriert die Klage die Schwierigkeiten von Innovationsführern in einem Marktumfeld, das von Unsicherheiten und verschiedenen Widersprüchen zwischen staatlichen Stellen geprägt ist. Ebenfalls von wachsender Bedeutung ist der Vergleich zu anderen Krypto-Akteuren wie Shapeshift oder der Bank Custodia, die ebenfalls juristische und regulatorische Probleme im Zusammenhang mit der Teilnahme am traditionellen Bankwesen haben.
Vor allem der Fall von Custodia zeigt, dass selbst staatlich regulierte Institute mit Krypto-Fokus Schwierigkeiten haben, Zugang zu Zentralbank-Services zu bekommen – ein Fakt, der die strukturellen Barrieren für die gesamte Branche unterstreicht. Dieses rechtliche Vorgehen von Coinbase wird auch in einem größeren Kontext der politischen Debatte zur Zukunft von Kryptowährungen in den USA gesehen. Innerhalb der US-Gesetzgebung und unter verschiedenen politischen Akteuren herrscht nach wie vor Uneinigkeit über den Stellenwert und die Regulierung digitaler Assets. Coinbase selbst gab im Verlauf der letzten Jahre Millionenbeträge aus, um anti-krypto-politische Kräfte aus dem Kongress zu drängen und für mehr klare, innovationsfreundliche Regulierungsansätze zu werben. Trotz dieses Einsatzes verwischen sich weiterhin viele Grenzen zwischen Innovation und staatlicher Kontrolle.
Ein weiterer interessanter Aspekt liegt in der Rückstausituation bei FOIA-Anfragen, die Coinbase durch Verweise auf Berichte des Government Accountability Office anführt. Die Behörden befinden sich aktuell aufgrund eines drastisch gestiegenen Volumens an Informationsanfragen in einem massiven Bearbeitungsstau, der die zeitnahe Klärung und Einsichtnahme behindert und so den Konflikt zusätzlich verschärft. Für die gesamte Krypto-Welt signalisiert die Klage von Coinbase ein entscheidendes Signal: Die Debatte um Regulierung und Marktzugang ist eine der zentralen Herausforderungen, die die digitale Assetbranche in den USA bewältigen muss, um langfristig erfolgreich zu sein. Transparenz und berechenbare Rahmenbedingungen sind dabei gleichermaßen gefordert wie ein offener Dialog zwischen Branchenakteuren und der Politik. Ohne solche klaren Strukturen droht, dass wichtige Innovationen ausgebremst und amerikanische Unternehmen im globalen Wettbewerb um technologische Vorherrschaft benachteiligt werden.