In der heutigen schnelllebigen Softwareentwicklungswelt stehen Ingenieure unter zunehmendem Druck, nicht nur funktionale Produkte bereitzustellen, sondern diese gleichzeitig optisch ansprechend und benutzerfreundlich zu gestalten. Traditionelles Design war oft eine Abhängigkeit – solange das Figma-Design nicht fertig war, konnte der Entwickler nicht mit der Implementierung starten. Das führte zu Verzögerungen und einer erhöhten Abhängigkeit von Designteams. Um diese Engpässe zu umgehen und Designprozesse zu beschleunigen, hat sich das sogenannte Vibe Design etabliert – eine Methode, bei der Entwickler selbst mit schnellem, geschmackvollem, unterstützendem Einsatz von KI-Tools ein ansprechendes Design erschaffen, ohne auf externe Designer warten zu müssen. Dieser Leitfaden zeigt den Weg vom Konzept bis zum fertigen, polierten Produkt und gibt dabei praktische Beispiele und nützliche Prompt-Vorlagen an die Hand.
Im Fokus steht, wie Ingenieure mit wenigen Werkzeugen und klaren Prozessen durchdachte Vibes erzeugen können, die Nutzer ansprechen und das Entwicklungsprojekt voranbringen. Zunächst ist es entscheidend, das Kernproblem des Produkts genau zu definieren – der sogenannte Job to be Done. Nutzer interessieren sich nicht für Ihr Produkt als solches, sondern für die Lösung, die es ihnen ermöglicht, eine bestimmte Aufgabe schnell und effektiv zu erledigen. Dieser Satz fungiert als Kompass für das gesamte Design. Er macht Prioritäten klar und hilft dabei, sinnvolle Abwägungen zu treffen.
Ein präzises Job-to-be-Done-Statement ist in der Regel eine klare Aussage, die den Auslöser, die Zielgruppe, ihre gewünschte Handlung sowie das zu erreichende Ergebnis beschreibt. Etwa: Wenn ein Entwickler einen Fehler entdeckt, möchte er ihn schnell erfassen und einem Kollegen zuweisen, damit er seinen Workflow nicht unterbrechen muss. Solche verständlichen und kontextbezogenen Formulierungen tragen dazu bei, Designentscheidungen konsequent auf den tatsächlichen Nutzerbedarf auszurichten. Ein weiterer zentraler Schritt im Vibe Design ist das sogenannte „Steal like a product engineer“ – oder frei übersetzt, das gezielte Inspirierenlassen bei bestehenden Produkten. Dabei spielen Sie mit ähnlichen Anwendungen, analysieren deren Aufbau, Navigationsmuster, Animationen und das Griffgefühl.
Sie achten auf Details wie erste Blickfänge, die Anzahl der Klicks bis zum Ziel, emotionale Eindrücke der Oberfläche, subtile Mikro-Interaktionen oder wahrgenommene Geschwindigkeiten beim Laden. Notizen und Screenshots helfen dabei, einen individuellen Geschmack und Referenzrahmen aufzubauen, der als Input für KI-gestützte Wireframe-Generierung dient. So entstehen keine Blindflüge, sondern auf echten Erfahrungsschätzen basierende Entwürfe. Die Wireframe-Phase bereitet die Struktur des Produkts vor. Werkzeuge wie Lovable, v0.
dev oder Bolt ermöglichen es, mit Hilfe von KI schnell erste Prototypen zu erstellen. Für optimales Ergebnis ist es wichtig, dem Modell möglichst viel Kontext zu geben: Wer sind die Nutzer? Was soll die App leisten? Wie soll sie sich anfühlen? Welche Features sind zwingend notwendig, und welche Bereiche sollen ausgespart bleiben? Ebenso sind Hinweise zur bevorzugten technischen Basis und Designstimmung hilfreich. Eingebettete Inspirationen aus Wettbewerbsprodukten sorgen dabei für gut informierte Vorschläge, sodass das Wireframe sofort praxisnah und realistisch wirkt. Damit diese Phase nicht zur Frustration wird, ist es hilfreich, klar zu kommunizieren und mit dem Modell so lange zu arbeiten, bis das Ergebnis den Vorstellungen entspricht. Für ein Bugtracking-Tool könnte der Fokus etwa auf Schnelligkeit, klarer Übersicht und minimalen Klicks liegen – ganz im Sinne der Entwicklungsarbeit.
Wenn das Wireframe steht und grundsätzliche Abläufe stimmig sind, folgt die Umsetzung in ein realistisch wirkendes User Interface. Hier unterscheidet sich die Herangehensweise, je nachdem, ob Sie ein neues Produkt von Grund auf neu bauen oder eine Erweiterung in eine bestehende Anwendung integrieren. Bei ersterem müssen Farbpaletten und Designtoken definiert werden. Dabei helfen Online-Tools wie Coolors oder Figma, um harmonische Farbräume zu erzeugen. Anschließend ordnet man diesen Farben bestimmte Funktionen im Interface zu, beispielsweise Hintergrundfarben, Primär- und Sekundäraktionen, Fehleranzeigen oder Fokusmarkierungen.
Dabei müssen Kontrastanforderungen nach WCAG-Standards eingehalten werden, um Barrierefreiheit sicherzustellen. Wichtig ist, keine unangemessenen Farben oder Farbtöne außerhalb der Palette zu erfinden, sondern gewissenhaft Tönungen und Helligkeiten anzupassen. KI-Modelle können diese Arbeit zuverlässig erledigen, wenn sie mit klaren Anweisungen gefüttert werden und die Farbwerte in sauberem JSON-Format liefern. Anschließend fließen diese Farbtoken, Typografie, Abstände und Schatten in die Entwicklung eines konsistenten Designsystems ein, das die Grundlage für das finale UI bildet. Schwierig wird es oftmals bei der Integration in bereits bestehende Apps.
Hier muss das KI-Modell vertraut gemacht werden mit vorhandenen UI-Komponenten, Layout-Primitiven, Design-Tokens und Seitenstrukturen. Die Herausforderung besteht darin, visuell ansprechende Oberflächen zu produzieren, die zugleich auf bereits programmierte Bausteine zurückgreifen. Gute Ergebnisse erzielen Sie, wenn Sie das Live-Code-Repository als Kontext an das Modell übergeben, klare Wiederverwendungsregeln definieren und Inline-Stile sowie neue Farben vermeiden. Auch hier ist eine iterative Vorgehensweise wichtig: Fragen stellen, Feedback geben und den Output solange optimieren, bis er harmonisch ins bestehende System passt. Mit dem Look-and-feel-Finale sind Sie aber noch nicht am Ziel.
Das letzte Quäntchen Feinschliff hebt das Produkt auf ein professionelles Niveau. Sechs Designprinzipien helfen dabei, typische Fehler zu korrigieren: Hierarchie, Kontrast, Balance, Konsistenz, Ausrichtung und Nähe der Elemente zueinander. So sollten Überschriften nicht größer sein als wichtig, Texte und Farben klar und lesbar, Komponenten ausgewogen auf der Oberfläche verteilt und Schaltflächen einheitlich gestaltet sein. Kleine Unebenheiten im Abstand, in der Größenordnung oder beim Zusammenspiel von Symbolik bringen die visuelle Harmonie durcheinander und können die Nutzererfahrung beeinträchtigen. Das Identifizieren und bewusste Beseitigen solcher Inkonsistenzen makelt das Design und schafft ein angenehmes, intuitives Nutzungserlebnis.
Um den Prozess erfolgreich abzuschließen, gehört auch die schnelle Markteinführung mit anschließender Iteration zum Vibe Design. Eine neue UI soll so früh wie möglich echten Nutzern zugänglich gemacht werden, um wertvolle Erkenntnisse über Einsatz und Usability zu gewinnen. Dies gelingt am besten mithilfe von Feature Flags, die schrittweise Rollouts an kleine Gruppen ermöglichen. Parallel helfen Session Replays oder Produkt-Analytics, kritische Schwachstellen im Klickfluss zu erkennen, die für Verwirrung sorgen oder Nutzer abbrechen lassen. Der direkte Kontakt mit der Zielgruppe liefert ein unbezahlbares Verständnis für echte Probleme und ermöglicht Priorisierung der nächsten Verbesserungen.
Schnell in kleinen, kontinuierlichen Schritten Anpassungen einzuführen, zahlt sich oft schneller aus als umfassende Releasepläne und umfangreiche Reviews. Der Kern von Vibe Design ist die Erkenntnis, dass Design keinesfalls eine undurchdringliche Disziplin sein muss, sondern ein lernbarer Prozess für Ingenieure und Entwickler ist. Die Integration von KI-Tools, klarem Fokus auf Nutzerbedürfnisse und pragmatischem Vorgehen erlaubt es, in wenigen Stunden anstatt Wochen ansprechende, wirksame Nutzeroberflächen zu erstellen und zu verbessern. Vibe Design ist somit ein wertvoller Ansatz, der moderne Entwicklungsteams in die Lage versetzt, Produktqualität und Geschwindigkeit erfolgreich zu verbinden – ohne auf Designer warten zu müssen und dabei die Bedürfnisse der Nutzer immer im Blick zu behalten. Wer künftig im Engineering-Team nicht länger auf externe Designer angewiesen sein will und mit schnellen, nutzerorientierten Oberflächen punkten möchte, der findet mit Vibe Design die richtige Methodik und nützliche Werkzeuge vor.
Probieren Sie es aus – experimentieren Sie mit Job-to-be-Done-Statements, recherchieren Sie Konkurrenten, nutzen Sie KI für Wireframes und Designsysteme und perfektionieren Sie Ihre Produkte im iterativen Prozess. So entsteht modernes Produktdesign, das beeindruckt und Nutzer begeistert.