Mythen und Fehlvorstellungen begleiten die Menschheit seit Anbeginn. Sie sind Teil der Kultur, prägen unsere Wahrnehmung und beeinflussen unser Denken, oft ohne dass wir es merken. Einige dieser Mythen beruhen auf alten Überlieferungen, andere entstehen durch Missverständnisse oder falsche Interpretationen von wissenschaftlichen Erkenntnissen. Im Laufe der Zeit haben sich diese Irrtümer festgesetzt und werden von Generation zu Generation weitergegeben. Dabei sind viele dieser sogenannten „Wahrheiten“ leicht zu widerlegen, wenn man genauer hinschaut und den Fakten auf den Grund geht.
Einer der bekanntesten Mythos ist die Vorstellung, dass Napoleon Bonaparte besonders klein gewesen sei. Tatsächlich war er mit einer Körpergröße von etwa 1,70 Metern weder außergewöhnlich kurz noch ungewöhnlich groß für seine Zeit. Dieser Mythos entstand wahrscheinlich aufgrund von Verwechslungen zwischen den französischen und englischen Maßeinheiten oder als Propaganda seiner Gegner. Ebenso wird oft behauptet, dass Haie nicht an Krebs erkranken können. Dies ist jedoch falsch, denn es gibt dokumentierte Fälle von Haien mit Hautkrebs und anderen Tumoren.
Viele Menschen glauben, dass es auf der Zunge unterschiedliche Zonen für unterschiedliche Geschmacksrichtungen gibt. Der sogenannte „Zungentest“ mit eigenständigen Bereichen für süß, sauer, salzig und bitter ist jedoch wissenschaftlich überholt. Die gesamte Zunge kann alle Geschmacksrichtungen schmecken, wobei gewisse Bereiche nur eine wenig höhere Empfindlichkeit für bestimmte Geschmäcker zeigen. In Süd-Korea herrscht der weit verbreitete Glaube, dass ein elektrischer Ventilator in der Nacht tödlich sein kann. Die sogenannte „Fan Death“ ist eine urbane Legende, die medizinisch nicht belegt ist.
Der Effekt, dass Menschen angeblich durch das Einschalten eines Ventilators im Schlafzimmer sterben, ist höchst unwahrscheinlich und wissenschaftlich widerlegt. Es sei denn, der Ventilator wird in einer Weise verwendet, die eine direkte Gefahr darstellt, etwa wenn er ans Bett gebunden wird und die Atmung behindert. Der Mythos, dass die Große Mauer Chinas vom Weltraum aus mit bloßem Auge sichtbar ist, hält sich ebenfalls hartnäckig. Astronauten haben jedoch bestätigt, dass die Mauer nicht deutlich genug ist, um vom niedrigen Erdorbit aus ohne technische Hilfsmittel erkannt zu werden. Sie ist oft mit ihrer Umgebung farblich so ähnlich, dass sie optisch kaum wahrnehmbar ist.
Ein weiteres verbreitetes Missverständnis betrifft die sogenannte „Fünf-Sekunden-Regel“ beim Essen. Es wird angenommen, dass Lebensmittel, die innerhalb von fünf Sekunden vom Boden aufgenommen werden, noch sicher zu essen seien. In Wahrheit hängt die Übertragung von Bakterien von der Verschmutzung des Bodens ab und nicht von der Dauer des Kontakts. Selbst kurzzeitig heruntergefallene Nahrung kann mit schädlichen Keimen belastet sein. Die Annahme, dass wir Menschen nur 10 Prozent unseres Gehirns nutzen, ist ebenfalls falsch.
Neurowissenschaftliche Forschungen zeigen, dass nahezu alle Bereiche des Gehirns unterschiedliche Funktionen haben und bei verschiedenen Tätigkeiten aktiv sind. Die Vorstellung von einem „unentdeckten“ Bereich ist eher ein populäres Missverständnis. Was die Evolution betrifft, prägen viele falsche Behauptungen den öffentlichen Diskurs. Ein häufig zitierter Irrtum ist, dass der Mensch vom Affen abstammt. Tatsächlich haben Menschen und heute lebende Affenarten wie Schimpansen und Bonobos einen gemeinsamen Vorfahren, der vor etwa fünf bis acht Millionen Jahren lebte.
Wir haben uns auf getrennten evolutionären Pfaden entwickelt. Ein weiterer Mythos, der insbesondere in der Psychologie Verbreitung gefunden hat, ist die „chemische Ursache“ von Depressionen. Es wird oft vereinfacht angenommen, dass Depressionen allein durch ein Ungleichgewicht von Neurotransmittern wie Serotonin verursacht werden. Wissenschaftliche Erkenntnisse zeigen jedoch, dass psychische Erkrankungen viel komplexer sind und durch ein Zusammenspiel von genetischen, biologischen, umweltbedingten und psychosozialen Faktoren entstehen. Bei vielen historischen Vorstellungen wird die Realität durch populäre Kultur verzerrt.
So ist das Bild der Wikinger mit Hörnerhelmen zum Beispiel eine Erfindung des 19. Jahrhunderts, die durch Opern und Theater geprägt wurde. Tatsächlich gab es solche Helme nicht, was durch archäologische Funde belegt ist. Auch im medizinischen Bereich irren viele über die Wirkung von Alkohol oder Ernährung. Die verbreitete Ansicht, dass das Trinken von Alkohol den Körper „wärmt“, basiert auf der Tatsache, dass Alkohol die Blutgefäße der Haut erweitert und so kurzzeitig ein Wärmegefühl erzeugt.
Dies führt aber tatsächlich zu einem Wärmeverlust, da die Wärme an die Umgebung abgegeben wird. Ähnliches gilt für die Annahme, dass Zucker Hyperaktivität bei Kindern verursacht. Studien konnten dafür keine belastbaren Belege finden – die Ursachen für ADHS oder auffälliges Verhalten sind vielfältig und Zucker spielt keine bestätigte Hauptrolle. Viele Mythen drehen sich auch um Alltagswissen und Ernährung, wie beispielsweise die Vorstellung, dass Bananen an Bäumen wachsen. Tatsächlich sind Bananenbeete große Stauden, die zu den Kräutern gehören, was überraschend für viele klingt.
Ebenso populär ist die Vorstellung, dass man Öl ins Kochwasser geben sollte, um Pasta am Verkleben zu hindern. Tatsächlich verhindert Öl das Überkochen des Wassers, aber die Pasta kann dadurch nicht besser voneinander getrennt werden. In der Wissenschaft ist das Verständnis von Begriffen wie „Theorie“ oft falsch. Das Wort wird umgangssprachlich oft so verwendet, als sei eine Theorie etwas Unbewiesenes oder Mutmaßliches. In der Wissenschaft bezeichnet eine Theorie jedoch eine fundierte Erklärung, die auf zahlreichen Beweisen basiert und viele Beobachtungen miteinander verbindet.
So ist etwa die Evolutionstheorie eine der am besten belegten wissenschaftlichen Theorien überhaupt. Auch in Bezug auf Gesundheit und Medizin kursieren viele falsche Vorstellungen. Die Behauptung, dass Impfstoffe Autismus verursachen, basiert auf einer widerlegten und zurückgezogenen Veröffentlichung sowie auf irreführenden Studien. Die überwältigende wissenschaftliche Evidenz widerlegt diesen Zusammenhang klar und belegt die Sicherheit und den Nutzen von Impfungen. Ein weiterer populärer Irrtum ist die „Fotografische Erinnerung“, also die Vorstellung, dass manche Menschen Erinnerungen wie Fotos speichern können.
Es gibt keine wissenschaftlichen Belege für eine solche Fähigkeit. Was als fotografische Erinnerung gilt, ist meist eine Kombination aus hervorragendem Gedächtnis, Übung und Techniken zur Informationsverarbeitung. Mythen gibt es nicht nur in der Wissenschaft, sondern auch bei kulturellen und religiösen Vorstellungen. So denken viele, dass der Begriff „Jihad“ im Islam „heiliger Krieg“ bedeutet. Tatsächlich bedeutet das Wort „Anstrengung“ oder „Kampf“, wobei dieser Begriff in unterschiedlichen Kontexten positive, spirituelle oder auch militärische Bedeutungen haben kann.