Li-Cycle Holdings Corp., ein in Toronto ansässiges Startup-Unternehmen spezialisiert auf das Recycling von Lithium-Ionen-Batterien, befindet sich in einer kritischen Finanzlage und hat daher den Schritt gewagt, sich zum Verkauf anzubieten. Seit seiner Gründung im Jahr 2016 verfolgte Li-Cycle ambitionierte Wachstumspläne und baute mehrere Recyclinganlagen in Nordamerika und Europa auf. Diese Anlagen sind darauf ausgelegt, wertvolle Rohstoffe wie Lithium, Nickel und Kobalt aus Altbatterien und Produktionsabfällen zurückzugewinnen und für die Herstellung neuer Batterien aufzubereiten. Doch trotz dieser zukunftsträchtigen Technologien und Partnerschaften hat der kanadische Batterie-Recycler aufgrund von Liquiditätsproblemen in den letzten Monaten Schwierigkeiten, seine Geschäftstätigkeit aufrechtzuerhalten.
Das Geschäftsmodell von Li-Cycle basiert auf einem innovativen, zweistufigen Recyclingprozess. In der ersten Phase werden Batterien zerkleinert und die Metalle mechanisch der Batterieflüssigkeit entzogen. Die zweite Phase sieht die chemische Weiterverarbeitung vor, die an der im Bau befindlichen Anlage in Rochester, New York, stattfinden sollte. Hier sollen die Metalle zu Batteriematerial hoher Reinheit aufbereitet werden. Leider musste das Unternehmen im November 2023 die Baustelle aufgrund von erheblichen Kostenüberschreitungen vorerst einfrieren.
Trotz eines vielversprechenden 475-Millionen-Dollar-Darlehens durch das US-Energieministerium im November 2024 konnte die Finanzierung für den crucialen Abschluss des Projekts nicht gesichert werden. Ein wesentlicher Faktor für Li-Cycle ist die starke Verbindung zum Automobilsektor, insbesondere durch General Motors (GM). Im Jahr 2021 einigte sich Li-Cycle mit Ultium Cells LLC, einem Joint Venture von GM und LG Energy Solution, darauf, das gesamte Material, das bei der Produktion von Batteriezellen anfällt, zu recyceln. Diese Kooperation war ein wichtiges Element in Li-Cycles Geschäftsstrategie und unterstrich die Bedeutung von nachhaltigen Lösungen in der Elektromobilität. Zudem investierten die südkoreanischen Batteriezulieferer LG Chem und LG Energy Solution 2022 rund 50 Millionen US-Dollar in das kanadische Unternehmen.
Trotz dieser Unterstützung konnten die finanziellen Schwierigkeiten nicht überwunden werden. Im Frühjahr 2025 begann Li-Cycle Gespräche mit dem Bergbaukonzern Glencore über eine mögliche Übernahme oder eine strategische Kooperation. Allerdings realisierte sich dieses Vorhaben nicht, was vermutlich auf unterschiedliche Interessen oder auf die komplexe Situation von Li-Cycle zurückzuführen ist. Nach dem gescheiterten Deal engagierte Li-Cycle Hilco Corporate Finance, um aktiv nach möglichen Käufern für das gesamte Unternehmen oder Teile davon zu suchen. Das Unternehmen warnte jedoch, dass es keine Garantie gebe, einen geeigneten Käufer zu finden.
Sollte der Verkauf nicht zustande kommen, könnte Li-Cycle gezwungen sein, rechtlichen Schutz gegenüber Gläubigern zu beantragen oder in die Insolvenz zu gehen. Die Herausforderungen für Li-Cycle spiegeln wider, wie schwierig es für Technologieunternehmen im Bereich nachhaltiger Batterierecycling-Methoden ist, sich auf dem rasch wachsenden, aber auch kapitalintensiven Markt zu behaupten. Während die Nachfrage nach Lithium, Nickel und Kobalt für die wachsende Elektrofahrzeugindustrie steigt, erfordern die fortschrittlichen Recyclingprozesse erhebliche Investitionen in Technik und Infrastruktur. Die schnellen technologischen Entwicklungen und der Wettbewerb mit etablierten Rohstofflieferanten verschärfen zusätzlich den Druck auf innovative Recyclingunternehmen. Die aktuelle Situation von Li-Cycle gibt auch Einblicke in die Risiken, die mit der Abhängigkeit von Großkunden wie GM sowie mit umfangreichen staatlichen Förderprogrammen verbunden sind.
Die hohen Erwartungen an das Recycling als Schlüsselfaktor für die Kreislaufwirtschaft treffen auf die Realität von Projektverzögerungen und unerwarteten Finanzierungsproblemen. Dabei spielt neben wirtschaftlichen auch die geopolitische Situation eine Rolle, insbesondere durch Lieferkettenunsicherheiten und die steigende Bedeutung von Nachhaltigkeitsanforderungen in der Industrie. Nicht zuletzt wirft der mögliche Verkauf von Li-Cycle Fragen über die Zukunft des nachhaltigen Batterierecyclings in Nordamerika auf. Das Unternehmen war bislang eine der wenigen Plattformen, die einen komplett integrierten Recyclingprozess anboten, der sowohl mechanische als auch chemische Verarbeitungsschritte umfasste. Ein Eigentümerwechsel oder die Betriebsauflösung könnten Auswirkungen auf die Versorgung mit recycelten Rohstoffen für Autobauer und Elektronikhersteller haben und die Entwicklung nachhaltiger Batterielösungen verzögern.
Auf der anderen Seite könnte eine Übernahme durch strategische Investoren aus den Bereichen Bergbau, Chemie oder der Automobilindustrie neue Synergien schaffen und den dringend benötigten Kapitaleinsatz ermöglichen. Neue Eigentümer könnten die bestehenden Anlagen optimieren, die Fertigstellung der Chemieanlage vorantreiben und Li-Cycles Fortschritte in der Batterierecyclingtechnologie weiterentwickeln. Ebenso könnte eine Integration in größere Rohstoff- oder Recyclingkonzerne die Position von Li-Cycle auf dem internationalen Markt stärken und gleichzeitig den nachhaltigen Kreislauf von Batteriematerialien fördern. Für die gesamte Batteriebranche ist es entscheidend, dass Recyclingunternehmen wie Li-Cycle in der Lage sind, robuste und wirtschaftlich tragfähige Geschäftsmodelle aufzubauen. Die Anforderungen der Elektromobilität verlangen Gesundheitsprüfungen der Lieferketten und verstärkte Kreislaufwirtschaftsansätze, die auch regulatorisch gefördert werden.