Der Finanz- und Rechnungswesensektor befindet sich im Umbruch. Laut aktuellen Berichten, wie dem CFO Pulse Report 2025 von Personiv, einer Division des Unternehmens eClerx, hat sich der Mangel an Fachkräften in diesem Bereich in den letzten Jahren stark verschärft. Die Zahl der offenen Stellen im Finanz- und Rechnungswesen ist allein im vergangenen Jahr um 150 % gestiegen. Diese Entwicklung wird begleitet von einer deutlich gestiegenen Sensibilität unter den Führungskräften: Bereits 87 % der Entscheidungsträger erkennen einen eklatanten Fachkräftemangel, während es im Jahr 2020 noch 63 % waren. Besonders alarmierend ist, dass jede fünfte befragte Person den Tenor vertritt, die Situation habe sich im Vergleich zum Vorjahr sogar verschlechtert.
Diese Zahlen lassen keine Zweifel daran, dass der Sektor vor massiven Herausforderungen steht. Die Ursachen für den Fachkräftemangel im Finanz- und Rechnungswesen sind vielfältig. Zum einen spielt die demografische Entwicklung eine Rolle: Die Babyboomer-Generation geht nach und nach in den Ruhestand, und die nachrückenden Generationen sind zahlenmäßig kleiner. Zum anderen verändern sich die Anforderungen an Fachkräfte fundamental. Die zunehmende Digitalisierung zwingt Unternehmen, neben klassischen Buchhaltungs- und Controlling-Kompetenzen immer häufiger Kenntnisse in IT, Datenanalyse, KI und Automatisierung zu fordern.
Gleichzeitig ist der Arbeitsmarkt insgesamt von hoher Konkurrenz geprägt, sodass talentierte Arbeitnehmer in diesem Segment vermehrt im globalen Wettbewerb stehen. Vor diesem Hintergrund setzen viele Unternehmen verstärkt auf neue Technologien, um die Lücke zu schließen. Künstliche Intelligenz (KI) und Automatisierung sind hierbei Schlüsselinstrumente. Laut der Studie haben bereits 21 % der Entscheidungsträger den Einsatz von AI- und Automatisierungstechnologien in der Finanzabteilung zu einer Priorität erklärt, während lediglich 12 % der Organisationen noch keine entsprechenden Technologien implementiert haben. Die Nutzung dieser Technologien ermöglicht es, repetitive und zeitaufwändige Aufgaben deutlich zu reduzieren.
Prozesse wie Rechnungsprüfung, Buchhaltung, Steuerberechnung und Reporting können somit effizienter und fehlerärmer gestaltet werden. Durch diese Automatisierung werden nicht nur Kosten gesenkt, sondern auch die Work-Life-Balance für die Mitarbeiter verbessert, was die Attraktivität der Arbeitsstellen erhöht und zur Bindung von Fachkräften beiträgt. Die Umstellung auf automatisierte Systeme nutzt allerdings nur dann, wenn sie von einer strategischen Personalpolitik begleitet wird, die die Bedürfnisse der Mitarbeiter berücksichtigt. Laut Megan Weis, Vizepräsidentin und General Managerin von Personiv FAO Services, zeigt sich eine veränderte Denkweise in der Branche: Themen wie ausgewogene Work-Life-Balance, attraktive Weiterbildungsmöglichkeiten und wettbewerbsfähige Gehälter gewinnen zunehmend an Bedeutung. Bereits heute legen viele Unternehmen einen stärkeren Fokus darauf, ihren Angestellten langfristige Perspektiven zu bieten, um sie trotz des Fachkräftemangels langfristig an sich zu binden.
Diese Entwicklung markiert einen deutlichen Wandel in einem traditionell eher konservativen Feld. Neben der Einführung von Technologien und verbesserten Arbeitsbedingungen ist auch die Gewinnung neuer Talente entscheidend. Hochschulen und Bildungsanbieter reagieren auf den steigenden Bedarf, indem sie verstärkt spezialisierte Studiengänge und praxisnahe Weiterbildungsangebote im Finanz- und Rechnungswesen anbieten. Zudem gewinnen berufsbegleitende Qualifikationen sowie Zertifikate im Bereich FinTech, Datenanalyse und digitaler Transformation an Bedeutung. Diese neuen Bildungsformen tragen dazu bei, den Nachwuchs besser auf die heutigen und zukünftigen Anforderungen vorzubereiten.
Auch die Attraktivität der Branche spielt eine wichtige Rolle. Finanz- und Rechnungswesen wird oft als trockener oder monotone Arbeitsbereich wahrgenommen. Doch die Digitalisierung und der Wandel hin zu datengetriebenen Entscheidungen schaffen zunehmend spannende Berufsbilder, die technisches Know-how mit strategischem Denken kombinieren. Unternehmen, die diese Vorzüge kommunizieren und moderne Arbeitsumfelder bieten, haben bessere Chancen, junge Fachkräfte zu gewinnen. Flexibilität etwa durch Remote-Arbeit oder hybride Arbeitsmodelle, ebenso wie ein offenes, innovationsfreundliches Betriebsklima, sind heute wichtige Faktoren beim Wettbewerb um Talente.
Praxisbeispiele zeigen, wie Unternehmen die Herausforderungen meistern. Einige Finanzabteilungen setzen bereits vollständig auf automatisierte Buchführung und Berichtswesen, während Entscheidungen durch intelligente Analytik unterstützt werden. Andere Firmen bieten umfangreiche Talentprogramme, die Talente schon frühzeitig identifizieren, individuell fördern und klare Karrierewege im Finanz- und Rechnungswesen sichtbar machen. Solche Initiativen reduzieren die Fluktuation und stärken die Organisationsbindung. Es ist jedoch klar, dass technologische Innovation alleine das Problem nicht lösen wird.
Der Fachkräftemangel erfordert ein ganzheitliches Vorgehen, bei dem Technologie, Personalentwicklung und Unternehmenskultur Hand in Hand gehen. Darüber hinaus können strategische Partnerschaften mit Dienstleistern für Outsourcing zusätzliche Entlastung bieten, indem sie hochqualifizierte Leistungen externer Experten einbinden. Die wirtschaftlichen Konsequenzen eines anhaltenden Talentengpasses sind nicht zu unterschätzen. Unternehmen, denen es nicht gelingt, ihre Finanzfunktionen effektiv zu besetzen, riskieren ineffiziente Abläufe, Compliance-Probleme, Fehler in der Buchhaltung und unzureichende Entscheidungsgrundlagen. In einem Umfeld zunehmender regulatorischer Anforderungen und wachsender Datenmengen könnten solche Schwachstellen erhebliche Wettbewerbsnachteile verursachen.
Vor diesem Hintergrund zeigt sich, dass der verstärkte Einsatz von KI und Automatisierung nicht nur eine Reaktion auf den akuten Fachkräftemangel ist, sondern auch eine strategische Investition in die Zukunftsfähigkeit des Finanz- und Rechnungswesens. Die Technologien schaffen sowohl Freiräume für wertschöpfende Tätigkeiten als auch die Basis für eine moderne, agile und datenorientierte Arbeitsweise, die mit den dynamischen Anforderungen des Marktes Schritt hält. Abschließend lässt sich sagen, dass die Finanz- und Rechnungswesenbranche aktuell vor einer der größten personellen Herausforderungen steht, die es in den letzten Jahrzehnten gegeben hat. Unternehmen müssen innovative Wege finden, um qualifizierte Fachkräfte nicht nur zu gewinnen, sondern langfristig zu halten. Die Kombination aus technologischer Innovation, strategischer Personalentwicklung und einer mitarbeiterorientierten Unternehmenskultur bildet den Schlüssel für den Erfolg.
Nur so kann die Branche ihre zentrale Rolle in der Steuerung von Unternehmen und der Wirtschaft insgesamt auch in Zukunft wirksam wahrnehmen.