Der Klimawandel und die wachsende Bevölkerungszahl stellen weltweit enorme Herausforderungen an die Verfügbarkeit und den nachhaltigen Umgang mit den Ressourcen Nahrung, Energie und Wasser. Diese drei Ressourcendomänen sind im sogenannten Food–Energy–Water (FEW) Nexus eng miteinander verknüpft, was bedeutet, dass Veränderungen in einem Bereich unmittelbare Auswirkungen auf die anderen haben können. Im Spannungsfeld von landwirtschaftlicher Flächennutzung und erneuerbarer Energieerzeugung gewinnt die Agrisolar-Technologie zunehmend an Bedeutung. Agrisolar beschreibt die kooperative Nutzung oder die räumliche Kombination von landwirtschaftlichen Flächen mit Solar-Photovoltaik-Anlagen. Diese Co-Location-Praktiken zielen darauf ab, die durch den Ausbau der Solarenergie auf landwirtschaftlich genutzten Flächen entstehenden Zielkonflikte zu minimieren und gleichzeitig ökologische und ökonomische Synergien zu schaffen.
Die global rapide wachsende Solar-Photovoltaik-Nutzung ist ein Schlüsselfaktor, um energie- und klimapolitische Ziele wie die Netto-Null-Emission bis zur Mitte des Jahrhunderts zu erreichen. Insbesondere in Gebieten mit hoher Sonneneinstrahlung und gleichzeitig intensiv genutzten Agrarlandschaften – beispielhaft hierfür steht das kalifornische Central Valley – besteht ein spannungsreicher Wettbewerb um landwirtschaftlich produktive Flächen. Solarparks führen hier zu einer partiellen Verdrängung der landwirtschaftlichen Produktion, was scheinbar der Ernährungssicherheit entgegensteht. Doch neuere Studien zeigen, dass Agrisolar neben Herausforderungen auch bemerkenswerte Vorteile im FEW-Nexus liefern kann. Ein wesentlicher Aspekt ist der Wasserverbrauch.
Landwirtschaftliche Flächen in wasserarmen Regionen benötigen intensive Bewässerung, welche neben Wasser auch Energieressourcen bindet. Die Umwandlung dieser Flächen in Flächen mit Solar-Photovoltaik-Anlagen führt nicht nur zur Produktion erneuerbarer Energie, sondern auch zu deutlichen Einsparungen im Wasserverbrauch, da der Bewässerungsbedarf entfällt. Bemerkenswert ist dabei, dass diese Wasserersparnis den oft zitierten Ertragsverlust durch Flächenentzug teilweise oder vollständig kompensieren kann – was für viele Farmer eine Stärkung der wirtschaftlichen Sicherheit bedeutet. Bei der Abwägung der Auswirkungen von Agrisolar ist die Unterscheidung zwischen Agrivoltaik und Agrisolar Co-Location entscheidend. Agrivoltaik integriert die landwirtschaftliche Produktion direkt unter oder zwischen Solarpaneelen.
Diese innovative Praxis nutzt Sonnenlicht doppelt: zur Stromerzeugung und zur Photosynthese von Pflanzen, was durch Schattenwirkung sogar positive Mikroklimaregulationseffekte hervorrufen kann. Agrisolar Co-Location hingegen beschreibt meist die Umwidmung landwirtschaftlicher Flächen zu Solarparks mit der Folge, dass dort keine Landwirtschaft mehr betrieben wird. Trotz Rückgang der Lebensmittelproduktion zeigt die Forschung, dass vor allem in wasserarmen Gebieten diese Flächenumwandlung ökonomisch attraktiv und mit Wassererleichterungen verbunden ist. Im kalifornischen Central Valley wurde eine umfassende Untersuchung zu 925 Solar-Photovoltaik-Anlagen auf landwirtschaftlichen Flächen durchgeführt. Diese umfassen sowohl kleine kommerzielle Anlagen als auch große Versorgungsanlagen mit einer Gesamtfläche von knapp 4000 Hektar.
Die Ergebnisse unterstreichen die multidimensionalen Effekte von Agrisolar: Die landwirtschaftliche Produktion wird lokal verringert, was sich in einem kalorischen Verlust von rund 1,57 Billionen Kilokalorien über die 25-jährige Lebensdauer der Anlagen niederschlägt. Bezogen auf die Ernährung entspricht dies der Kalorienmenge, die etwa 86.000 Menschen in diesem Zeitraum versorgen könnte – ein Wert, der auf regionaler Ebene Aufmerksamkeit erfordert. Gleichzeitig erzeugen die Anlagen Strom in einem Umfang, der etwa 466.000 US-Haushalte mit Strom versorgen könnte.
Dabei spielt die Einsparung von Strom für Bewässerung nur eine untergeordnete Rolle, ist jedoch ein positiver Nebeneffekt. Außerdem wird für die Betreiber ein erhebliches wirtschaftliches Potenzial sichtbar: Kommerzielle Anlagen bieten durch Net-Metering-Regelungen eine attraktive Einnahmequelle, die mindestens 25-mal höher ist als das durchschnittlich entgangene Einkommen durch den Wegfall landwirtschaftlicher Produktion. Für landwirtschaftliche Betriebe bedeutet dies nicht nur eine stabile Einkommensbasis, sondern auch eine Verringerung finanzieller Unsicherheiten durch Wassermangel. Die Wasserersparnis ist bei Agrisolar besonders bedeutsam. Fast drei Viertel der untersuchten Anlagen wurden auf irrigierten Flächen errichtet.
Über die Dauer des Projektzeitraums könnten dadurch bis zu 544 Millionen Kubikmeter Wasser eingespart werden. Das entspricht dem Trinkwasserbedarf von rund 27 Millionen Menschen oder einer Bewässerung von 3000 Hektar Obstplantagen über 25 Jahre. Da das Wasserverbrauchsbudget für Landwirtschaft gewöhnlich umfangreich ist, zeigen diese Einsparungen erhebliches Potenzial für Wassermanagement und Dürreverträglichkeit. In wasserstressbelasteten Regionen ist dies ein entscheidender Vorteil, der auch verstärkte staatliche Förderungen und Fallmanagement-Strategien ergänzt. Die wirtschaftliche Attraktivität von Agrisolar wird durch verschiedene Vergütungsmodelle beeinflusst.
Landwirte, die kleine kommerzielle Solarprojekte auf ihren Flächen installieren, profitieren von Net-Metering-Modellen sowie dem Verkauf von Überschussstrom an das Netz. Trotz anfänglicher Investitionskosten resultiert dies in einem umso deutlicheren Nettogewinn über die Betriebsdauer. Auf der anderen Seite erzielen Landwirte, deren Flächen an Versorgungsunternehmen verpachtet werden, kleinere, aber dennoch positive Einkünfte aus Landpachten und Betriebskostenersparnissen. Während der anfängliche Cash-Flow unterschiedlich verteilt ist, überwiegen langfristig die finanziellen Vorteile der Solarproduktion oft die entgangenen Einnahmen aus der landwirtschaftlichen Nutzung. Die ökologische Dimension von Agrisolar erstreckt sich über die Reduzierung der Treibhausgasemissionen durch substituierte fossile Energieerzeugung hinaus.
Durch verminderte Wasserentnahmen wird die Grundwasserneubildung potenziell gefördert und Bodenressourcen können sich erholen. Auf sozialer Ebene beeinflusst Agrisolar die Akzeptanz von Solarenergie und bietet damit eine Möglichkeit, den Ausbau erneuerbarer Energien auf landwirtschaftlichen Flächen gesellschaftlich verträglicher zu gestalten. Zudem unterstützt es die Diversifizierung der Einkommensquellen von Landwirtinnen und Landwirten, was wirtschaftliche Resilienz gegenüber Klimawandelfolgen oder Marktschwankungen fördern kann. Trotz der positiven Effekte erfordert Agrisolar eine sorgfältige Planung und regionale Anpassung. Die Verdrängung von Ernährungsbasisprodukten und wertvollen Spezialkulturen kann lokale und regionale Nahrungsmittelversorgung beeinflussen.
Insbesondere bei Kulturen, deren Anbau an spezifische klimatische Bedingungen gebunden ist, ist die Substitution schwierig. Eine strategische Auswahl der umzuwandelnden Flächen, kombiniert mit technischen Innovationen der Agrivoltaik, kann diese Risiken minimieren. Zusätzlich eröffnet Agrisolar die Möglichkeit, multifunktionale Landschaften zu schaffen, die neben Energieerzeugung und Agrarproduktion auch Lebensräume für Bestäuber und Biodiversität bieten können. Die Integration von naturnahem Vegetationsmanagement und ökologischen Dienstleistungen innerhalb von Solarparks bietet Chancen für eine nachhaltige Landschaftsentwicklung und fördert so ökologische Resilienz. Die politischen Rahmenbedingungen spielen bei der Skalierung von Agrisolar eine wesentliche Rolle.
Förderprogramme, steuerliche Anreize und wasserrechtliche Regelungen können Investitionen erleichtern und finanzielle Anreize schaffen. Gleichzeitig müssen rechtliche Grundlagen so gestaltet sein, dass landwirtschaftliche Einsatzflächen geschützt und gleichzeitig der Ausbau erneuerbarer Energien ermöglicht wird. Die neusten Erfahrungen aus Kalifornien mit unterschiedlichen Net-Metering-Stufen zeigen, wie komplex und dynamisch solche politische Systeme sind. Insgesamt zeigt die Praxis von Agrisolar, dass die Herausforderungen des Food–Energy–Water-Nexus lösbar sind, wenn innovative Ansätze sowohl die Umweltverträglichkeit als auch die wirtschaftliche Nachhaltigkeit berücksichtigen. Die Verbindung von landwirtschaftlicher Flächennutzung mit Solarenergieerzeugung kann in wasserarmen und wirtschaftlich herausfordernden Regionen eine Win-win-Situation schaffen.
Durch gezielte Forschung, politische Unterstützung und regionale Anpassungen kann Agrisolar einen wichtigen Beitrag zur nachhaltigen Transformation des Energiesystems und zum Schutz der Nahrungsmittel- und Wassersicherheit leisten. Die künftige Forschung im Bereich Agrisolar sollte verstärkt praxisrelevante Managementstrategien, sozioökonomische Wirkungsanalyse und technologische Innovationen untersuchen. Insbesondere die Weiterentwicklung der Agrivoltaik-Technologie, um landwirtschaftliche Erträge unter Solarmodulen zu steigern und ökologische Vorteile weiter zu optimieren, birgt hohes Potenzial. Zusätzlich können partizipative Ansätze mit Landbesitzern und Gemeinden die Akzeptanz fördern und lokale Bedürfnisse besser integrieren. Abschließend ist Agrisolar eine vielversprechende Lösung im Spannungsfeld zwischen wachsendem Energiebedarf, Nahrungsmittelsicherheit und Wasserknappheit.
Durch die bewusste Gestaltung dieser Ko-Nutzung landwirtschaftlicher Flächen mit Solarenergieanlagen sind erhebliche Beiträge zur nachhaltigen Entwicklung möglich, sowohl auf lokaler als auch globaler Ebene. Die Chancen, die sich aus der Synergie von Lebensmittelsicherheit, sauberer Energie und Wasserersparnis ergeben, sollten genutzt werden, um die ökologischen und sozialen Herausforderungen der Gegenwart und Zukunft zu meistern.