In der Welt der IT und Softwareentwicklung dreht sich viel um Performance. Doch meist liegt der Fokus auf dem sogenannten "Happy Case" – Situationen, in denen alles reibungslos läuft, die Systeme schnell und effizient reagieren und Nutzer keine Verzögerungen spüren. Dieser Fokus auf ideale Bedingungen ist verständlich, denn gute Performance bei normalen Betriebsbedingungen ist der Wunsch eines jeden Entwicklers und Systemadministrators. Doch was passiert, wenn Systeme an ihre Grenzen stoßen oder – schlimmer noch – darüber hinaus belastet werden? Genau hier liegt eine oft vernachlässigte Facette der Systemperformance, die für Verfügbarkeit und Stabilität entscheidend ist: die Leistung an schlechten Tagen, also bei Überlast oder Störungen. Der Gedanke daran, wie Systeme unter höchster Belastung agieren, sollte nicht nur technisches Interesse wecken, sondern ist essenziell für das Design zuverlässiger und robuster IT-Infrastrukturen.
Technische Systeme, vor allem im Cloud- und Serverless-Umfeld, sind heute komplexer denn je. Sie müssen Skalierbarkeit gewährleisten, gleichzeitig aber auch in Extremsituationen stabil bleiben. Doch in vielen Studien und Performance-Benchmarks wird genau der Punkt ignoriert, an dem Systeme in den gesättigten Zustand übergehen. Stattdessen konzentrieren sich Untersuchungen auf Durchsatz, Latenz und andere Metriken innerhalb des Bereichs, wo die Last zwar hoch, aber noch kontrollierbar ist. Warum ist das problematisch? Weil unbekannte oder nicht verstandene Verhaltensweisen bei Überlast häufig zu Ausfällen führen, die in der Praxis oft dramatische Folgen haben.
Ein entscheidendes Problem ist, dass viele Systemverantwortliche die „harten“ Metriken schlicht nicht messen oder darüber hinaus keine tiefergehende Analyse wagen. Gerade das Verhalten nach Überschreiten der Sättigungsgrenze wird zu selten untersucht. Dabei geht es nicht nur darum, wie schnell die Leistung unter Absicherungsmassnahmen wie etwa Ratenbegrenzung noch gehalten werden kann, sondern auch darum, wie das System intern mit Fehlerzuständen, Überlast und Rückstau umgeht. In der realen Welt ist das nicht nur eine technische Herausforderung, sondern ein kritischer Faktor für die Verfügbarkeit. Die Korrelation zwischen Überlast und Ausfällen zeigt sich in vielen Postmortem-Analysen von Systemausfällen bei großen Anbietern.
Eine Gefahr stellt dabei der sogenannte metastabile Zustand dar. Dieser beschreibt eine Situation in der das System, nachdem es durch Überlast in eine schlechte Verfassung geraten ist, trotz Entspannung der Last nicht sofort wieder in einen stabilen Betriebsmodus zurückkehrt. Solche Zustände sind oft der Grund, warum sich Ausfälle verlängern oder sogar noch verschlimmern, obwohl die eigentlich ursächliche Ursache, die Überlast, schon lange nicht mehr gegeben ist. Das Phänomen tritt zum Beispiel bei wiederholten Retries auf, die unkontrolliert auftreten, wenn Anfragen nicht erfolgreich abgearbeitet werden, oder bei Caches, die nicht richtig invalidiert werden und dadurch veraltete Daten liefern. Ein weiterer Grund für die gängige negative Praxis bei der Performancebewertung liegt im Gegensatz zwischen realen Systemen und Benchmark-Tests.
In der Forschung und auch in vielen Anwendungen dominieren geschlossene Systeme. Das bedeutet, dass Benchmarks oft mit einer festen Anzahl an gleichzeitigen Anfragen arbeiten, bei denen ein neuer Auftrag erst dann gestartet wird, wenn der vorherige abgeschlossen ist. In der Realität jedoch sind viele Systeme offene Systeme, bei denen Anfragen, Aufträge und Operationen unabhängig voneinander eintreffen, auch wenn die Bearbeitung langsam wird. Diese Diskrepanz führt dazu, dass Benchmarks die Auswirkungen von erhöhter Latenz und Überlast unterschätzen – ein Effekt, der als koordinierte Auslassung bekannt ist. Hierbei wird die Verzögerung in der Bearbeitung nicht ausreichend berücksichtigt, was eine bedeutende Quelle für Fehleinschätzungen der Systemperformance darstellt.
Das stark vereinfachte Verhalten in Benchmarks kann außerdem dazu verleiten, grundlegende Probleme bei der Analyse von Leistung und Skalierbarkeit zu übersehen. Beispielsweise reflektiert der bekannte TPC-C Benchmark gewisse Transaktionsmuster, die in der Praxis leichter zu skalieren sind, als viele reale Anwendungsfälle. Insbesondere durch Partitionierung und einen relativ geringen Grad an Cross-Segment-Interaktionen ist die Skalierbarkeit hier künstlich begünstigt. Reale Anwendungen zeigen vielfach komplexere Zugriffsmuster mit stärkerer Kontention und mehr Koordination zwischen Komponenten, wodurch es viel schwieriger wird, Lastspitzen und Engpässe zu handhaben. Was lernen wir daraus? Die Community rund um Performance Evaluation sollte sich stärker auch jenseits der Komfortzone des Normalbetriebs bewegen.
Mutige und offenherzige Veröffentlichungen, die zeigen, wie Systeme sich sogar im echten Überlastfall verhalten, sind nötig. Dieses Wissen hilft Entwicklern und Betreibern dabei, nicht nur Systeme zu bauen, die glänzende Benchmark-Ergebnisse erzielen, sondern vor allem solche, die robust und vorhersagbar auch an kritischen Tagen funktionieren. Ein praktisches Beispiel ist das bekannte TCP-Protokoll. Hier dienen Latenz und Paketverlust als Signale, um die Datenrate zu reduzieren und so eine Überlast zu vermeiden. Dieses saubere Verhalten lässt sich zwar elegant modellieren, doch komplexere Systeme, insbesondere verteilte Datenbanken oder serverlose Plattformen, reagieren meist nicht so kontrolliert.
Sie haben oft deutlich kompliziertere Lastregeln und reagieren weniger vorhersehbar, was wiederum zu problematischen Zuständen führen kann. Für Entwickler heißt das: Verständnis für das Verhalten unter Stress ist nicht nur eine akademische Übung, sondern eine Notwendigkeit. Nur wer die Grenzen seines Systems kennt und die Mechanismen versteht, die an der Sättigungsgrenze oder darüber hinaus greifen, kann zuverlässige, ausfallsichere Software entwerfen. Maßnahmen wie intelligente Ratenbegrenzung, Backpressure-Mechanismen und Retry-Strategien mit exponentiellem Backoff sind Beispiele für sinnvolle Techniken, um Überlast zu behandeln. Doch machtlos in der Hand der Entwickler bleiben sie, wenn das tatsächliche Systemverhalten unkalkulierbar ist.
Darüber hinaus ist es wichtig, dass Benchmarks und Simulationsmodelle die Realität so genau wie möglich abbilden. Reale Lastspitzen, unregelmäßige Zugriffe und hohe Koordinationsbedarfe innerhalb der Systeme müssen genauso Eingang in die Leistungsbewertung finden wie die üblichen gemittelten Durchsatzwerte unter moderater Last. Nur so kann man valide Rückschlüsse ziehen und robuste Systeme bauen. In der traditionell konservativen Forschung und Industrie ist diese Erkenntnis zwar gewachsen, aber es besteht noch Handlungsbedarf, um den Wandel vollständig zu vollziehen. Abschließend lässt sich sagen, dass gute Performance an schlechten Tagen kein Zufallsprodukt ist, sondern das Ergebnis aktiver Planung und anspruchsvoller Evaluierung.
Systeme, die auch bei Überlast stabil und vorhersagbar bleiben, sind die Basis für vertrauenswürdige Anwendungen und Services, die in der heutigen digitalisierten Welt unverzichtbar sind. Performance Engineering muss deshalb weiter über den Tellerrand der schönen Werte bei moderater Belastung hinausschauen und den Mut haben, auch die unangenehmen Szenarien offen zu betrachten. Nur so gelingt es, technische Systeme zu entwickeln, die auch an schlechten Tagen gute Leistung liefern und ihre Nutzer nicht im Stich lassen.