Die Suche nach dem „Fountain of Youth“ oder dem Jungbrunnen, der das Leben verlängert und die Gesundheit bis ins hohe Alter bewahrt, beschäftigt Wissenschaftler seit Jahrzehnten. Eine vielversprechende Entwicklung auf diesem Gebiet stammt aus Spanien: Forscher der Universität Barcelona haben ein Protein namens Klotho identifiziert, dessen Verabreichung das Leben von Mäusen um fast 20 Prozent verlängert und gleichzeitig mehrere altersbedingte Funktionen verbessert. Diese Entdeckung könnte einen Meilenstein in der Altersforschung markieren und den Weg für neue, umfassende therapeutische Ansätze ebnen, die nicht einzelne Krankheiten isoliert behandeln, sondern das gesamte Altern verzögern und abmildern. Klotho ist ein Protein, das seit einiger Zeit als potenzieller Lebensverlängerer bekannt ist. Seine Bezeichnung stammt von der griechischen Schicksalsgöttin Klotho, die die Lebensfäden spinnt.
Es handelt sich dabei um einen natürlichen Regulator verschiedener biologischer Funktionen, darunter der Stoffwechsel, die Entzündungsreaktionen und die Reparaturmechanismen von Zellen. Besonders bemerkenswert an der jüngsten Studie vom Institut de Neurociències der Universitat Autònoma de Barcelona ist, dass eine einzige Behandlung mit dem löslichen Klotho-Protein (s-KL) bei Mäusen altersbedingte Verschlechterungen in mehreren Organsystemen zugleich verhindern konnte. Die Wissenschaftler nutzten eine innovative Gen-Therapie, bei der sie das Klotho-Gen mithilfe eines modifizierten harmlosen Virus (AAV9) in die Körperzellen der Mäuse einschleusten. Dieses Verfahren erlaubt es den Mäusen, das Protein langanhaltend selbst zu produzieren und somit dauerhaft von dessen vorteilhaften Eigenschaften zu profitieren. Das Treatmentset wurde sowohl bei jungen erwachsenen Mäusen (6 Monate) als auch bei solchen im mittleren Alter (12 Monate) durchgeführt – was beim Menschen etwa Lebensphasen von frühen 20ern bis zu 40 Jahren entspricht.
Besonders die mittleren Altersgruppen zeigten beeindruckende Ergebnisse hinsichtlich Lebensverlängerung und verbesserter Gesundheitsparameter. Das längere Leben der mit Klotho behandelten männlichen Mäuse wurde statistisch deutlich belegt: Sie lebten durchschnittlich 31,5 Monate, im Vergleich zu 26,3 Monaten bei unbehandelten Kontrolltieren. Übersetzt auf den Menschen könnte dies einer Verlängerung der durchschnittlichen Lebenszeit von etwa 80 auf 96 Jahre entsprechen. Aber die bloße Lebensverlängerung war nur ein Teil der Forschung. Die behandelten Mäuse wiesen auch eine wesentlich bessere körperliche Fitness auf.
Ihre Muskeln waren kräftiger, mit weniger Narbengewebe, was auf eine bessere Regenerationsfähigkeit hinweist. Tests wie die Rotarod-Prüfung, bei der Koordination gemessen wird, oder Kraftmessungen zeigten signifikante Verbesserungen, selbst noch im hohen Alter. Ebenso beeindruckende Ergebnisse wurden im Bereich der Knochengesundheit festgestellt. Insbesondere weibliche Mäuse profitierten von einer erhöhten Knochendichte und verbesserten inneren Knochenstruktur, was auf einen protektiven Effekt gegen altersbedingte Osteoporose hindeutet. Die Analyse der Muskel- und Knochenzellen offenbarte eine erhöhte Expression von Genen, die für den Erhalt und Aufbau dieser Gewebe entscheidend sind.
Dies bedeutet, dass Klotho nicht nur Symptome lindert, sondern auf molekularer Ebene die Reparaturmechanismen unterstützt und die natürliche Verjüngung vom Gewebe fördert. Im Gehirn der Klotho-behandelten Mäuse fanden die Forscher besonders bemerkenswerte Veränderungen. Die Produktion neuer Nervenzellen im Hippocampus – einem Bereich, der für Lernen und Gedächtnis zentral ist – wurde erhöht. Gleichzeitig kommunizierten Zellen des Immunsystems im Gehirn, sogenannte Mikroglia und Astrozyten, besser miteinander und funktionierten effizienter. Diese Zellen sind für das Aufräumen von Zellschutt zuständig und verhindern schädliche Entzündungen, die im Alter häufig zu neurodegenerativen Erkrankungen beitragen.
Dadurch verbesserten sich geistige Leistungsfähigkeit und Erinnerungsvermögen der Maus deutlich. Die transkriptomische Analyse via Genexpressionsprofile zeigte zudem, dass die mit Klotho behandelten Mäuse bessere Energiebilanzen in Gehirnzellen aufwiesen und die Alterung in neuronalen Netzwerken verzögert wurde. Eine besondere Herausforderung war es, das Klotho-Protein nicht nur über das Blut, sondern auch in das Gehirngewebe effektiv zu transportieren. Das Protein passiert die Blut-Hirn-Schranke nur schwer, weshalb Forscher sich für eine kombinierte Injektion über Blutgefäße und direkt ins Gehirn entschieden. Diese komplexe Methode ließ sich zwar im Labor realisieren, stellt aber eine Hürde dar, wenn man an zukünftige Therapien für Menschen denkt.
Allerdings entwickeln Wissenschaftler bessere Virenvektoren, die das Protein effizienter und einfacher im gesamten Körper verteilen können, ohne invasive Eingriffe. Trotz der vielversprechenden Ergebnisse sind wichtige Fragen und Herausforderungen offen. Zum einen handelt es sich bisher um Tierversuche. Mäuse altern zwar ähnlich wie Menschen, aber nicht identisch. Die Komplexität menschlichen Alterns wird von Umweltfaktoren, Lebensstil und genetischen Unterschieden beeinflusst.
Ob Klotho beim Menschen tatsächlich dieselben Effekte zeigt, steht daher noch aus. Zum anderen zeigten sich geschlechtsspezifische Unterschiede in der Studie. Während männliche Tiere deutlich länger lebten und verbesserte Gesundheitsparameter aufwiesen, hatten weibliche Mäuse zwar ebenfalls gesundheitliche Verbesserungen, litten aber unter anderen gesundheitlichen Problemen wie Hauterkrankungen, die ihre Lebensdauer beeinflussten. Diese Disparität muss näher untersucht werden, um mögliche Nebenwirkungen und Zielgruppen einer Klotho-Therapie besser zu verstehen. Darüber hinaus wird aktuell diskutiert, ob die Verabreichung eines einzigen Proteins tatsächlich ausreicht, um das komplexe Zusammenspiel des Alterns umfassend zu beeinflussen, oder ob zukünftige Anti-Aging-Therapien auf Kombinationen verschiedener molekularer Eingriffe setzen sollten.
Es ist ebenso unerlässlich, die Sicherheit solcher Behandlungen im Langzeitverlauf zu bestätigen, um unerwünschte Nebeneffekte – wie unerwünschtes Zellwachstum oder Tumorbildung – zu vermeiden. Der gesellschaftliche und ethische Kontext dieser Forschung ist ebenfalls hochrelevant. Die Aussicht auf eine einzige Behandlung, die das Altern verlangsamt und lebenswichtige Organsysteme schützt, weckt nicht nur Hoffnungen auf ein gesünderes Altern, sondern wirft auch Fragen der Zugänglichkeit, Kosten und Gleichberechtigung im Gesundheitswesen auf. Regulierungsbehörden und politische Entscheidungsträger werden gefordert sein, klare Richtlinien für den verantwortungsvollen Einsatz und die Verteilung solcher Therapien zu entwickeln. Klotho als biologischer Schlüssel bietet neue Perspektiven in der Altersmedizin, indem es die Vorstellung infrage stellt, dass Alterungsprozesse unabänderlich sind.