Der US-amerikanische Einzelhändler Target steht vor großen Herausforderungen. Im ersten Quartal 2025 sind die Umsätze deutlicher als erwartet eingebrochen, was das Unternehmen veranlasst hat, seine Prognosen für das Gesamtjahr nach unten zu korrigieren. Die Situation wirft wichtige Fragen darüber auf, wie große Einzelhandelsketten in einem turbulenten wirtschaftlichen Umfeld agieren, und eröffnet zugleich Diskussionen über Veränderungen im Kundenverhalten, den Einfluss von gesellschaftspolitischen Themen und die Reaktionsfähigkeit von Konzernen in Krisenzeiten. Der Rückgang der Quartalsumsätze betrug 2,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum, mit einem Wert von 23,85 Milliarden US-Dollar. Analysten hatten dagegen auf höhere Umsätze von rund 24,23 Milliarden US-Dollar gehofft.
Besonders bemerkenswert ist, dass die vergleichbaren Umsätze – also die Umsätze bestehender Filialen und Online-Kanäle – um 3,8 Prozent gesunken sind. Dieser Anteil setzt sich zusammen aus einem Rückgang der Ladenverkäufe von 5,7 Prozent, während die Online-Verkäufe zwar um 4,7 Prozent zulegen konnten, der Zuwachs jedoch nicht ausreicht, um die Verluste im stationären Handel auszugleichen. Ein weiteres alarmierendes Signal ist die gesunkene Anzahl der Transaktionen in den Läden und online um 2,4 Prozent. Gleichzeitig sank der durchschnittliche Einkaufswert um 1,4 Prozent. Diese Doppelbelastung durch weniger Kunden und geringere Ausgaben sorgt für zusätzlichen Druck auf die Umsätze von Target.
Das Unternehmen selbst gibt an, dass es nicht in der Lage sei, den separaten Einfluss all dieser Faktoren zuverlässig zu quantifizieren, was auf die Komplexität der Marktsituation hinweist. Die Gründe für den Umsatzrückgang sind vielfältig. Ein bedeutender Faktor ist die Unsicherheit der Verbraucher angesichts der wirtschaftlichen Lage. Inflation, steigende Lebenshaltungskosten und insbesondere die Angst vor weiteren Belastungen durch Zölle scheinen viele Konsumenten zu verunsichern. In einem Umfeld, in dem Verbraucher zunehmend auf ihr Budget achten, fällt es vielen Einzelhändlern schwer, stabile Umsätze zu erzielen.
Verschärft wird diese Situation bei Discountern wie Target, die traditionell für ihr günstiges und zugleich modisches Sortiment bekannt sind, aber nun Mühe haben, genau diese Balance zu halten. Ein nicht zu unterschätzender Aspekt ist zudem der Einfluss gesellschaftspolitischer Kontroversen auf das Kundenverhalten. Target hatte in der Vergangenheit eine klare Positionierung für Diversity, Equity und Inclusion (DEI) eingenommen und sich für die Rechte von Black-Community und LGBTQ+ stark gemacht. Im Januar 2025 zog das Unternehmen jedoch viele dieser Initiativen zurück, nachdem konservative Gruppen und das Weiße Haus kritische Stimmen erhoben hatten. Diese Veränderung führte zu einer Gegenreaktion von Verbrauchern, die sich über die Reduzierung von LGBTQ+-Themen, beispielsweise die Verminderung thematischer Produkte für den Pride Month im Juni 2023, enttäuscht zeigten.
Diese Polarität hat das Markenimage belastet und offenbar Auswirkungen auf die Verkaufszahlen. An der Börse schlug sich die unerwartete Umsatzschwäche von Target ebenfalls nieder. Die Aktien gaben im Handel am Tag der Veröffentlichung um 3,5 Prozent nach. Die Investoren zeigten sich angesichts der Nachbesserung der Jahresprognose verunsichert. Ursprünglich war im März ein leichtes Umsatzwachstum von einem Prozent erwartet worden, doch nun spricht Target von einem Umsatzrückgang im niedrigen einstelligen Prozentbereich für das Gesamtjahr 2025.
Das operative Ergebnis zeigt jedoch ein zwiespältiges Bild. Trotz fallender Umsätze konnte Target im ersten Quartal 1,04 Milliarden US-Dollar Gewinn vorweisen, was deutlich über dem Vorjahreswert von 942 Millionen US-Dollar liegt. Auch der Gewinn pro Aktie stieg von 2,03 auf 2,27 US-Dollar. Dies deutet darauf hin, dass das Unternehmen an Effizienzmaßnahmen gearbeitet oder vielleicht auch andere Ertragsquellen nutzte, um die Profitabilität zu stützen. Um dem Umsatzrückgang entgegenzuwirken, setzt Target auf organisatorische Umstrukturierungen.
Ein neues Büro unter Leitung des Chief Operating Officer Michael Fiddelke soll schnellere Entscheidungsprozesse ermöglichen und so eine Beschleunigung des Umsatzwachstums bewirken. Gleichzeitig verlässt die bisherige Chief Strategy and Growth Officer Christina Hennington das Unternehmen in einer strategischen Übergangsphase. Hennington wurde als potenzielle Nachfolgerin des Vorstandsvorsitzenden Brian Cornell gehandelt, ihr Abschied unterstreicht die Herausforderungen bei der Neuausrichtung von Target. Fachleute aus der Branche beobachten die Situation mit gemischten Gefühlen. Neil Saunders, Managing Director bei GlobalData Retail, sieht den Rücktritt von Hennington durchaus als notwendiges Signal, um Veränderungen anzustoßen.
Allerdings betont er, dass ein Wandel nur gelingen kann, wenn Target seine bisher eher geschlossene und defensive Unternehmenskultur offen für neue Ideen und agiler gestaltet. Für Anleger und Kunden bleibt die Zukunft von Target daher spannend. Das Unternehmen steht am Scheideweg zwischen Anpassung und Stagnation. Die Investitionen in die Digitalisierung und Online-Präsenz zeigen erste Erfolge, doch die Verluste im stationären Handel bleiben eine Herausforderung. Zugleich stellt sich die Frage, wie Target seine Marke und seine Positionierung gegenüber einem sich wandelnden gesellschaftlichen Umfeld stabilisieren kann.
Obwohl der Einzelhandel in den USA allgemein mit Unsicherheiten kämpft, sind die Entwicklungen bei großen Discountern wie Target ein wichtiger Indikator für die Gesamtwirtschaft und das Verbrauchervertrauen. Die Analysen der kommenden Quartale werden zeigen, ob Target seine Umsätze stabilisieren und das Vertrauen der Verbraucher zurückgewinnen kann. Für Verbraucher könnten die Turbulenzen bedeuten, dass sich das Sortiment und die Unternehmenswerte von Target weiter verändern. Wer bisher Wert auf Diversity-orientierte Produkte legte, muss möglicherweise mit einem eingeschränkterem Angebot rechnen, zumindest kurzfristig. Gleichzeitig könnten Preisanpassungen und die strategische Neuausrichtung Einfluss auf die Einkaufsgewohnheiten haben.
Der Rückgang der Umsätze bei Target im ersten Quartal 2025 ist somit nicht nur ein wirtschaftliches Problem, sondern spiegelt auch gesellschaftliche Dynamiken und strategische Herausforderungen wider. Das Unternehmen hat die schwierige Aufgabe, sich in einem volatilen Marktumfeld zu behaupten, seine Geschäftsmodelle zu modernisieren und dabei sensibel auf Kundenbedürfnisse und gesellschaftliche Erwartungen einzugehen. Wie erfolgreich dieses Unterfangen sein wird, bleibt eine der spannendsten Geschichten im Einzelhandel des Jahres.