William Shatner, eine Ikone der Popkultur, ist vor allem als Captain James T. Kirk aus der legendären Science-Fiction-Serie „Star Trek“ bekannt. Doch sein künstlerisches Schaffen reicht weit über diesen berühmten Charakter hinaus. Über Jahrzehnte hinweg hat er sich nicht nur als Schauspieler, sondern auch als Musiker, Sprecher und vielseitiger Performer etabliert. Seine Werke polarisieren – sie ernten Lob wie Kritik gleichermaßen.
Doch ein genauerer Blick auf sein musikalisches Schaffen, insbesondere auf das 2004 erschienene Album „Has Been“, offenbart eine künstlerische Tiefe und Verletzlichkeit, die in der öffentlichen Wahrnehmung häufig übersehen wird. Diese Verteidigung William Shatners wählt einen Weg abseits klischeehafter Urteile und zeigt auf, warum sein Werk eine ernsthafte Beachtung verdient hat. Die Karriere Shatners ist untrennbar mit dem Bild des Captain Kirk verbunden. Ein Charakter, der den Schauspieler wie ein Schatten begleitet, kann einerseits Türen öffnen, andererseits aber auch eine schwere Bürde darstellen. Viele Künstler kämpfen mit der Stereotypisierung durch eine herausragende Rolle.
Während viele ihn nur aus „Star Trek“ oder der Reality-Show „Rescue 911“ kennen, fehlen oft die Kenntnisse über seine weiteren kreativen Projekte. Das Album „Has Been“ markiert einen Meilenstein in Shatners musikalischem Werdegang. Es ist sein drittes offizielles Album, hergestellt in Zusammenarbeit mit dem Musiker und Produzenten Ben Folds. Diese Partnerschaft hebt die Platte weit über übliche Celebrity-Alben hinaus. Das Album „Has Been“ ist kein typisches Musikprojekt.
Vielmehr handelt es sich um ein Spoken-Word-Werk, das durch musikalische Arrangements ergänzt wird. Diese Herangehensweise passt perfekt zu Shatners unverwechselbarer Vortragsweise, die oft als theatralisch oder eigentümlich belächelt wird, jedoch gerade dadurch eine ganz besondere Intensität erzeugt. In den Liedern verarbeitet Shatner Themen wie Ruhm, Alter, Liebe und Vergänglichkeit mit einer Mischung aus Ironie, Humor und ernsthafter Reflexion. Besonders auffallend ist die Bereitschaft, sich selbst und seine Eigenheiten humorvoll und kritisch zu betrachten. Das Stück „Common People“, eine Coverversion des bekannten Britpop-Songs von Pulp, eröffnet das Album mit einem provokanten Ton und vermittelt ein Gefühl von Bodenständigkeit, das im Kontrast zu Shatners Ikonenstatus steht.
Die Produktion von Ben Folds verankert das Werk fest im musikalischen Kontext seiner Zeit und sorgt gleichzeitig für zeitlose Klänge, die verschiedene Genres wie Jazz, Avantgarde und Country anreißen. Namhafte Gastmusiker wie Adrian Belew, Aimee Mann oder Brad Paisley tragen zur stilistischen Vielfalt des Albums bei und unterstreichen die künstlerische Ernsthaftigkeit des Projekts. Inhaltlich bewegt sich „Has Been“ zwischen nachdenklicher Melancholie und schwarzem Humor. Tracks wie „It Hasn’t Happened Yet“ behandeln den Zwiespalt eines Menschen in der Lebensmitte, der sich mit der eigenen Sterblichkeit auseinandersetzt und zugleich nach innerem Frieden sucht. Die poetische Sprache gepaart mit Shatners markanter Stimme verleiht den Texten eine eigenständige Wirkung, die nicht nur Fans des Schauspielers anspricht, sondern auch Hörer, die intensive lyrische Erfahrungen schätzen.
Shatners unverblümte Ehrlichkeit zeigt sich besonders in Titeln wie „What Have You Done“, in dem er über den tragischen Verlust seiner dritten Ehefrau Nerine spricht. Die minimalistischen musikalischen Elemente unterstützen die emotionale Tiefe dieses Stückes, das an eine Art musikalisches Tagebuch erinnert. Die Fähigkeit, solch intime Schmerzen in Kunst zu verwandeln, spricht für seinen Mut und seine künstlerische Reife. Sein Umgang mit Erotik und Beziehungen wird im Song „Familiar Love“ sensibel und ungewohnt realistisch dargestellt. Statt Hollywood-Klischees zu bedienen, beschreibt Shatner alltägliche, fast schon banale Momente eines langen Zusammenlebens.
Das schafft Nähe zum Zuhörer und bricht mit stereotypen Vorstellungen von Romantik. Auch selbstironische Passagen wie in „Ideal Woman“ offenbaren einen Künstler, der seine Schwächen kennt und sich nicht scheut, sie humorvoll zu verarbeiten. Neben den ernsteren Themen erlaubt Shatner sich immer wieder humorvolle Ausbrüche. Das Stück „I Can’t Get Behind That“, in dem er zusammen mit Henry Rollins über alltägliche Ärgernisse sinniert und regelrecht wild agiert, zeigt seine vielseitige Theater- und Performance-Erfahrung. Die Kombination aus sarkastischem Wortwitz, intensiver Bühnenpräsenz und musikalischer Experimentierfreude macht diese Passage besonders bemerkenswert und unterhaltsam.
William Shatners künstlerischer Weg nach „Star Trek“ ist geprägt von einem stetigen Ringen mit dem eigenen Image und der Suche nach künstlerischer Eigenständigkeit. Gerade dadurch entsteht ein faszinierendes Spannungsfeld zwischen öffentlicher Wahrnehmung und persönlichem Ausdruck. Sein Umgang mit dem Ruhm und der eigenen Legende ist von einer ansteckenden Leichtigkeit geprägt, die zugleich eine tiefe Menschlichkeit erkennen lässt. Die Zusammenarbeit mit Ben Folds als Produzent und Musiker ist maßgeblich für die Qualität von „Has Been“. Folds versteht es meisterhaft, Shatners einzigartige Stimme und Präsenz in ein klangliches Gesamtbild einzubetten, das sowohl zugänglich als auch originell ist.
Die musikalische Umsetzung reicht von dezenten Klavierpassagen über rockige Arrangements bis hin zu choralen Einlagen, die das Album vielfältig und abwechslungsreich gestalten. Für viele bleibt William Shatner der Captain Kirk, eine unverrückbare kulturelle Ikone. Doch Alben wie „Has Been“ eröffnen eine neue Perspektive auf einen Künstler, der keine Angst vor Experimenten hat und seine Verletzlichkeit offen zeigt. Seine musikalische Arbeit fordert heraus, regt zum Nachdenken an und kann berühren – jenseits von Genregrenzen und dem Glanz alter Fernsehheldentümer. Die künstlerische Geschichte Shatners zeigt, wie vielschichtig persönliche und kreative Identitäten sein können.