Amazon ist für viele Verbraucher synoym mit Online-Shopping. Das Bild von roten Lieferwagen, die Pakete direkt an die Haustür bringen, und einer schier endlosen Auswahl an Produkten prägen die Wahrnehmung. Die Amazon-Website ist dabei eine der größten und bekanntesten Online-Handelsplattformen weltweit. Doch wenn es um die finanzielle Seite des Unternehmens geht, offenbaren sich interessante Einblicke, die manche Erwartungen über den Konzern und seine Einnahmequellen hinterfragen. Für potenzielle Investoren ist es entscheidend, diese Hintergründe zu verstehen, um fundierte Entscheidungen treffen zu können.
Im ersten Quartal 2025 erzielte Amazon beeindruckende Umsätze im Bereich der Produktverkäufe, die sich auf rund 64 Milliarden US-Dollar beliefen. Diese Zahl verdeutlicht, wie groß und bedeutend der E-Commerce-Anteil am Gesamtkonzern ist. Produkte aus den verschiedensten Kategorien – von Elektronik über Haushaltswaren bis hin zu Lebensmitteln – generieren tagtäglich eine enorme Nachfrage. Andererseits zeigt ein genauerer Blick auf die Kostenstruktur, dass dieser Bereich für Amazon mit erheblichen Ausgaben verbunden ist. Die sogenannten „Kosten der verkauften Waren“ umfassen nicht nur die Einkaufspreise der Produkte, sondern auch die Logistik, Versandkosten und die Verwaltung in Zustellzentren.
Zudem sind darin auch die Kosten für digitale Medieninhalte enthalten, die auf den ersten Blick erstmal nicht in die Kategorie Produktverkäufe passen. Diese Multifunktionalität der Kostenkategorie lässt bereits erahnen, wie komplex die Geschäftsstruktur ist. Insbesondere, wenn die Kosten der verkauften Waren im ersten Quartal 2025 mit fast 77 Milliarden US-Dollar den Umsatz aus Produktverkäufen deutlich übersteigen, stellt sich die Frage nach der Rentabilität des Einzelhandelsgeschäfts. Aus dieser Perspektive scheint das reine Retailgeschäft von Amazon auf den ersten Blick wenig profitabel zu sein – Amazon verkauft zwar riesige Warenmengen, hat aber gleichzeitig sehr hohe Betriebskosten. Dieser Umstand führt oftmals zu einer Fehlinterpretation: Amazon sei ein „schlechter“ Einzelhändler.
Doch die Wahrheit ist differenzierter. Denn der Erfolg von Amazon beruht längst nicht mehr ausschließlich auf dem Verkauf von physischen Produkten. Vielmehr sind es die Dienstleistungen rund um die Plattform, die nachhaltig für Wachstum und Gewinne sorgen. Im selben Zeitraum konnte Amazon im Bereich „Services“ einen Umsatz von etwa 92 Milliarden US-Dollar verzeichnen, was sogar höher ist als die Einnahmen aus dem Produktverkauf. Diese Sparte umfasst ein breites Spektrum an Aktivitäten, die das Geschäftsmodell deutlich flexibler und widerstandsfähiger machen.
Darunter fallen Einnahmen aus Gebühren für Drittanbieter, die auf Amazon ihre Produkte verkaufen, Provisionen aus Versand und Fulfillment, Einnahmen aus Amazon Web Services (AWS), Werbedienstleistungen sowie Abo-Einnahmen aus Amazon Prime und digitalen Medienangeboten. Insbesondere Amazon Web Services (AWS) ist ein wesentlicher Treiber des Erfolgs und wird von Experten als der heimliche Star der Amazon Unternehmensstrategie angesehen. AWS ist eine führende Cloud-Computing-Plattform, die Unternehmen weltweit mit Servern, Speicherplatz, Datenbanken und weiteren IT-Infrastrukturen versorgt. Im Gegensatz zum Einzelhandel bietet AWS erheblich höhere Gewinnmargen. Diese Geschäftssparte hat Amazon eine stabile und vorhersagbare Einnahmequelle erschlossen, die unabhängig von saisonalen Trends oder Preiskämpfen im E-Commerce ist.
Darüber hinaus treiben Werbedienstleistungen und Drittanbieterprovisionen das Geschäft voran. Immer mehr Händler nutzen Amazon nicht nur als Verkaufsplattform, sondern investieren auch gezielt in Amazon-Werbung, um ihre Produkte optimal zu präsentieren. Diese Marketingdienste generieren Amazon wertvolle zusätzliche Umsätze. Die Prime-Mitgliedschaften spielen ebenfalls eine doppelte Rolle: Sie sorgen für wiederkehrende Einnahmen und binden Kunden langfristig, indem sie neben kostenlosem Versand auch den Zugang zu exklusiven Inhalten wie Prime Video und Prime Music ermöglichen. Für Anleger ist es wichtig, diesen Wandel in Amazons Geschäftsmodell zu verstehen.
Die Sichtweise, Amazon sei primär ein Online-Einzelhändler, greift zu kurz. Tatsächlich handelt es sich um ein diversifiziertes Technologie- und Serviceunternehmen, dessen größte Einnahmequelle nicht der Verkauf von physischen Produkten, sondern eben die umfassenden Services ist. Das wirkt sich positiv auf die Stabilität und das Wachstumspotential des Unternehmens aus. Allerdings sollten potenzielle Investoren auch die Herausforderungen nicht außer Acht lassen. Die hohen Kosten des Einzelhandelsgeschäfts drücken weiterhin auf die Profitabilität und bedeuten hohen Kapitalbedarf für Logistik und Infrastruktur.
Zudem steht Amazon vor starken regulatorischen Prüfungen weltweit, die den Markt und das Geschäftsmodell beeinflussen können. Wettbewerb im Cloud-Bereich etwa durch Microsoft oder Google zwingen AWS außerdem dazu, kontinuierlich zu investieren und sich technologisch weiterzuentwickeln. Die große Stärke Amazons liegt in seiner Fähigkeit, verschiedene Ertragsquellen zu kombinieren und so Schwankungen im Einzelhandel durch zuverlässige Einkünfte aus Dienstleistungen auszugleichen. Für Anleger bedeutet das eine Chance auf nachhaltiges Wachstum und Gewinnsteigerungen. Zudem kann die enorme Datenmenge von Amazon genutzt werden, um Kundenverhalten besser zu verstehen und zielgerichteter Angebote zu gestalten.
Wer also darüber nachdenkt, Amazon-Aktien zu kaufen, sollte sich nicht ausschließlich auf die beeindruckenden Umsatzzahlen im E-Commerce konzentrieren, sondern vor allem die Service-Sparte analysieren. Die Zukunft Amazons wird maßgeblich durch digitale Dienste, Cloud-Lösungen, Werbung und Mitgliedschaftsmodelle geprägt sein. Diese Bereiche bieten langfristig die besten Chancen auf Profitabilität und Marktexpansion. Die hohe Marktdominanz gepaart mit innovativen Geschäftsmodellen macht Amazon zu einem faszinierenden Unternehmen mit immensem Wachstumspotenzial, das weit über das Bild des traditionellen Online-Händlers hinausgeht. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Amazon trotz hoher Kosten für den Produktverkauf vor allem durch seine Dienstleistungen glänzt.
Potenziellen Anlegern eröffnen sich dadurch vielfältige Perspektiven, sollten aber stets eine umfassende Analyse der unterschiedlichen Geschäftsbereiche und ihrer Entwicklungen vornehmen. Wer die ganze Dimension von Amazon versteht, erkennt, warum gerade die Service-Sparte als größte Einnahmequelle besonders beeindruckend ist und das Unternehmen zu einem der wertvollsten und zukunftsträchtigsten Konzerne der Welt macht.