Spanien steht erneut im Zentrum einer Debatte über die Auswirkungen von Tourismus auf lokale Gemeinschaften, insbesondere im Zusammenhang mit der zunehmenden Nutzung von Plattformen wie Airbnb für Kurzzeitvermietungen. Im Sommer 2025 hat die spanische Regierung ein deutliches Signal gesetzt, indem sie die Entfernung von fast 66.000 Airbnb-Angeboten angeordnet hat, die gegen geltende Vorschriften für touristische Unterkünfte verstoßen sollen. Diese Maßnahme ist eine Reaktion auf den wachsenden öffentlichen Widerstand gegen Über-Tourismus und die sich verschärfende Wohnungsnot, die besonders in touristisch stark frequentierten Gebieten sichtbar wird. Die Proteste, die vor allem in den Kanarischen Inseln Tausende von Menschen auf die Straße brachten, unterstreichen den dringenden Handlungsbedarf, den sowohl die Regierung als auch die kommunalen Verwaltungen erkannt haben.
Die Kritik richtet sich vor allem gegen die wirtschaftlichen Interessen von Kurzzeitvermietungen, die häufig Wohnraum von Einheimischen für Touristen blockieren und damit den ohnehin angespannten Wohnungsmarkt zusätzlich belasten. Minister Pablo Bustinduy, zuständig für soziale Rechte und Verbraucherschutz, betonte, dass viele der beanstandeten Mietobjekte entweder keine gültige Lizenznummer vorlegen konnten, fehlerhafte Angaben gemacht haben oder nicht klar ausgewiesen haben, ob die Vermietung auf professioneller Basis oder privat erfolgt. Diese Unklarheiten haben laut Bustinduy gegen bestehende Normen verstoßen und die Entscheidungen der Justiz unterstützen. Bereits im Mai 2025 gab ein Gericht in Madrid Airbnb die Anweisung, knapp 5.000 problematische Einträge vom Markt zu nehmen, was als Sieg für die Initiative zum Schutz des Wohnraums gewertet wurde.
Die behördlichen Maßnahmen betreffen verschiedene Regionen Spaniens, darunter Madrid, Andalusien, Katalonien, Valencia, das Baskenland und die Balearen – Gebiete, die auch traditionell stark vom Tourismus profitieren, jedoch gleichermaßen mit Wohnraumknappheit zu kämpfen haben. Wohnraum stellt seit Monaten die größte Sorge vieler Spanier dar, da die Mietpreise drastisch gestiegen sind, während die Einkommen kaum nachziehen. Im Vergleich zum letzten Jahrzehnt haben sich die durchschnittlichen Mieten nahezu verdoppelt, eine Entwicklung, die vor allem von der Ausdehnung von Kurzzeitvermietungen über Airbnb und vergleichbare Plattformen vorangetrieben wurde. Diese Dynamik führt zu einer Verdrängung der ortsansässigen Bevölkerung, die sich angemessenen bezahlbaren Wohnraum nicht mehr leisten kann. Die spanische Regierung, vertreten durch Premierminister Pedro Sánchez, hat klar signalisiert, dass die bisherige „unkontrollierte“ Expansion von Ferienwohnungen nicht fortgesetzt werden darf.
Sánchez erklärte, Spanien habe zu viele Airbnb-Angebote und zu wenige echte Wohnungen, was die soziale Balance massiv stört. Dies hat auch Auswirkungen auf die Touristenzahlen: Spanien ist mit fast 100 Millionen internationalen Besuchern pro Jahr das zweitbeliebteste Reiseziel weltweit, nur knapp hinter Frankreich. Der touristische Boom wirkt sich nicht nur auf die Wirtschaft aus, sondern auch auf die Lebensqualität und soziale Strukturen, da die Nachfrage nach Wohnungen das Angebot zunehmend übersteigt. Neben der Zentralregierung haben auch verschiedene lokale Verwaltungen Gegenmaßnahmen ergriffen. Die Stadt Barcelona etwa plant, bis Ende 2028 alle 10.
000 verfügbaren Kurzzeit-Wohnungen zu eliminieren, um den Wohnungsmarkt zu entlasten. Andere Regionen wie die Kanarischen Inseln, Ibiza und Murcia setzen auf Kooperationen mit Airbnb, um eine bessere Einhaltung der Regeln sicherzustellen, ohne die Plattform vollständig zu boykottieren. Airbnb selbst reagiert mit der Ankündigung, gegen die gerichtlichen Verfügungen Rechtsmittel einzulegen. Das Unternehmen verweist auf ein Urteil des Obersten Gerichtshofs von 2022, das Airbnb als neutralen Vermittler sieht und die Verantwortung für die Rechtmäßigkeit der Vermietungsangebote den jeweiligen Gastgebern zuweist. Aus Sicht von Airbnb liegt das grundlegende Problem weniger in der Plattform als in der unzureichenden Verfügbarkeit von Wohnraum.
Das Unternehmen betont, dass Regulierung allein die Wohnungsnot kaum lindert, jedoch viele Gastgeber und damit auch lokale Familien benachteiligt, die auf die Einnahmen angewiesen sind, um ihre eigenen Wohnkosten zu tragen. Die Debatte um die Rolle von Airbnb in der Wohnungsmarktkrise spitzt sich also weiter zu. Während die Plattform ihre Geschäftstätigkeit verteidigt, wächst der öffentliche Druck, den touristischen Wohnungssektor stärker zu regulieren oder gar zurückzudrängen. Proteste wie die aktuelle Großdemonstration auf den Kanarischen Inseln unter dem Motto „Canarias tiene un límite“ (Die Kanaren haben ein Limit) sowie geplante Aktionen in Mallorca zeigen, dass der Unmut der Bevölkerung in den Sommermonaten nicht abebbt. Die Auswirkungen der Maßnahmen sind für die Zukunft des spanischen Tourismus und die gesellschaftliche Entwicklung gleichermaßen bedeutsam.
Einerseits möchte Spanien seine Position als begehrtes Reiseziel halten und weiterführende ökonomische Erfolge sichern. Andererseits ist der Schutz von Wohnraum für die einheimische Bevölkerung und die Bewahrung der Lebensqualität zu einer zentralen politischen und gesellschaftlichen Herausforderung geworden. Experten sehen in der Regulierung von Kurzzeitvermietungen eine notwendige, jedoch nicht hinreichende Maßnahme. Vielmehr müsse die Wohnraumentwicklung insgesamt stärker gefördert werden, um den Bedürfnissen der Bevölkerung gerecht zu werden. Dies umfasst den Neubau von Wohnungen ebenso wie die Verbesserung der sozialen Infrastruktur und die Schaffung von Anreizen für Vermieter, die langfristige Mietverhältnisse bevorzugen.
Die Diskussion um nachhaltigen Tourismus gewinnt dadurch an Fahrt. Lösungsansätze könnten in der Diversifizierung touristischer Angebote liegen, die nicht allein auf Massentourismus setzen, sondern qualitätsvolle Erlebnisse in weniger überfüllten Regionen fördern. Gleichzeitig müssen Gesetzgeber und Kommunen Wege finden, den wirtschaftlichen Nutzen des Tourismus mit den sozialen Bedürfnissen der einheimischen Bevölkerung in Einklang zu bringen. Die aktuelle Entwicklung in Spanien ist ein lebendiges Beispiel für die Herausforderungen, vor denen viele Urlaubsregionen weltweit heute stehen. Die Balance zwischen Touristenzahlen, Wirtschaftskraft, sozialer Gerechtigkeit und Umweltschutz wird auch in den kommenden Jahren entscheidend mitbestimmen, wie attraktiv und lebenswert Länder wie Spanien für Bewohner und Besucher bleiben.
So setzt Spanien mit dem Schritt gegen Airbnb ein deutliches Zeichen dafür, dass der Schutz von Wohnraum und der Begrenzung von Tourismus unerlässlich sind, um langfristig ein gesundes und nachhaltiges Gleichgewicht zu gewährleisten. Die kommenden Monate und Jahre werden zeigen, wie sich die Maßnahmen auf den Markt und auf die Akzeptanz der Bevölkerung auswirken und ob der Trend zu mehr Regulierung und Kontrolle nachhaltige Lösungen im Umgang mit den Folgen des globalen Tourismus schaffen kann.