Das All of Us Research Program stellt eine der größten und ambitioniertesten Blutproben- und Gesundheitsdatenbanken in den Vereinigten Staaten dar, mit dem Ziel, die Vielfalt der amerikanischen Bevölkerung umfassend abzubilden und punktgenaue Erkenntnisse für die biomedizinische Forschung zu liefern. Ein zentrales Anliegen des Programms ist die Identifikation und Analyse genetischer Variationen auf subkontinentaler Ebene, um ein besseres Verständnis über die genetische Landschaft der Menschen in den USA zu gewinnen. Diese genetische Vielfalt prägt sowohl die Verteilung wichtiger biologischer Merkmale als auch die Anfälligkeiten für bestimmte Krankheiten und die Wirksamkeit medizinischer Behandlungen. Dabei wird deutlich, dass die herkömmliche Einteilung der Bevölkerung in die Kategorien von Rasse und Ethnie bei der Erfassung genetischer Diversität und ihrer biologischen Implikationen unzureichend ist. Das Programm basiert auf der Sequenzierung von rund 230.
000 unabhängigen Genomen und integriert dabei nahezu zwei Millionen genetische Varianten, um ein detailliertes Bild der Bevölkerung zu zeichnen. Besondere Aufmerksamkeit verdienen dabei klassische Methoden der Populationsgenetik, die es erlauben, feine genetische Unterschiede und Verwandtschaftsverhältnisse zu erkennen. Als Referenz dienen umfangreiche genetische Datenbanken wie das 1000 Genomes Project, das Human Genome Diversity Project und das Simons Genome Diversity Project. Die Zusammenführung der Daten Quell verschiedener Bevölkerungsgruppen offenbart eine Kontinuität genetischer Variation – sogenannte Gradienten – anstelle von scharf abgegrenzten genetischen Clustern. Im Gegensatz zum vereinfachten Bild, das durch die Selbstbezeichnung in durch den US Census definierte Rassen- und Ethnizitätskategorien vermittelt wird, lassen die genetischen Befunde erkennen, wie komplex die Zusammenhänge sind.
So variieren innerhalb dieser Gruppen die Anteile und Zusammensetzungen der Abkömmlinge verschiedenster Ursprungspopulationen erheblich. Insbesondere die Gruppe der hispanischen oder lateinamerikanischen Teilnehmer zeichnet sich durch eine breite Mischung dreier Hauptabstammungslinien aus, nämlich afrikanischer, europäischer und indigener amerikanischer Herkunft. Ferner zeigen afroamerikanische Teilnehmer eine diversifizierte genetische Herkunft, die vom west- und zentralafrikanischen Raum maßgeblich geprägt ist, was die historischen Konsequenzen des transatlantischen Sklavenhandels widerspiegelt. Auf subkontinentaler Ebene differenzieren sich die genetischen Abstammungen sogar noch feiner: Beispielsweise tragen afrikanische Abstammungslinien unterschiedliche Merkmale je nach geographischer Herkunft innerhalb Afrikas, was sich wiederum auf biologische Eigenschaften wie den Body-Mass-Index (BMI) und die Körpergröße auswirkt. So steht west- zentralafrikanische Abstammung in direktem Zusammenhang mit einem höheren BMI, während östlich-afrikanische Herkunft mit einem niedrigeren BMI verbunden ist.
Dieses Phänomen unterstreicht die Notwendigkeit, bei genetischen Assoziationsstudien nicht nur grobe Herkunftskategorien, sondern spezifische subkontinentale Abstammungen zu berücksichtigen, um konfundierende Einflüsse zu minimieren. Darüber hinaus enthüllt die Analyse regionale Unterschiede in der Zusammensetzung genetischer Abstammungen innerhalb der USA. So weisen afroamerikanische Teilnehmer im Süden tendenziell höhere Anteile west- und zentralafrikanischer Abstammungen auf, während in westlichen Bundesstaaten wie Kalifornien diese Anteile geringer ausfallen. Bei hispanischen oder lateinamerikanischen Gruppen dominieren indigene amerikanische Anteile besonders in südwestlichen Staaten, was historische Migrationsmuster und frühere politische Grenzen reflektiert. Ebenso variiert der Anteil europäischer Abstammungen innerhalb afroamerikanischer und weißer Bevölkerungsgruppen zwischen Regionen mit unterschiedlichen Einwanderungsgeschichten.
Dieses fein abgestufte Verständnis genetischer Variation hat auch unmittelbare Auswirkungen für biomedizinische Untersuchungen und die Entwicklung der personalisierten Medizin in Amerika. Die Identifikation von genetischen Markern, die mit spezifischen Merkmalen wie Körpergröße und BMI in Verbindung stehen, ermöglicht genauere Risikoeinschätzungen für Krankheiten und zielgerichtete Therapieansätze – angepasst an individuelle genetische Hintergründe. Die breite genetische Diversität erfordert jedoch, dass Forschungsergebnisse nicht ausschließlich auf europäischen Referenzpopulationen basieren, da dies zu ungenauen Vorhersagen und gesundheitlichen Ungleichheiten führen kann. Das All of Us Research Program adressiert diese Herausforderung, indem es eine sowohl breit gefächerte als auch tief detaillierte genetische Datenbasis schafft. Darüber hinaus zeigt das Projekt, dass die Verwendung von Selbstbezeichnungen wie „Hispanisch“ oder „Afroamerikanisch“ oft nicht ausreichend ist, um genetische Abstammung präzise zu erfassen.
Die Forschung empfiehlt deshalb, bei genetischen Studien verstärkt auf genomweite Analysemethoden zurückzugreifen, die genaue Anteile unterschiedlicher Herkunftslinien bestimmen können. Gleichzeitig sollte die Verwendung von Rasse und Ethnie weiterhin als sozial-kulturelles Instrument geschätzt werden, das wichtige Umweltrisikofaktoren und kontextuelle Einflussgrößen erfasst – jedoch nicht als direkter Ersatz für genetische Herkunftsdaten. Die enormen Datenmengen und die technische Komplexität erfordern umfangreiche bioinformatische Ressourcen sowie sorgfältige methodische Ansätze, beispielsweise bei der Auswahl unabhängiger Varianten, der Entfernung von verwandtschaftlichen Beziehungen zwischen Probanden und der Anwendung von Algorithmen wie Principal Component Analysis (PCA) und ADMIXTURE. Die Admixture-Analyse erlaubt es, die einzelnen genetischen Herkunftskomponenten in der Bevölkerung eindeutig abzubilden und die Vielfalt subkontinentaler Muster zu erfassen. In der Kombination mit umfassenden demographischen und sozioökonomischen Daten entsteht so ein vollständigeres Bild der Faktoren, die medizinische Merkmale beeinflussen.
Das All of Us Program geht mit seiner integrativen Methodik über herkömmliche Bevölkerungsgenetik hinaus und legt durch die regionale Betrachtung im Bundesstaatenvergleich auch wertvolle Grundlagen für epidemiologische Studien und gesundheitsbezogene Politikmaßnahmen. Die Studie verdeutlicht den Einfluss historischer Ereignisse wie die Kolonisierung, den Sklavenhandel und globale Migrationen auf die genetischen Profile der heutigen Bevölkerung. Deren Anerkennung und Einbeziehung in medizinische Forschung trägt dazu bei, Gesundheitsdisparitäten besser zu verstehen und gezielt zu adressieren. Zusammenfassend verdeutlichen die Erkenntnisse zur subkontinentalen genetischen Variation im All of Us Research Program die immense Bedeutung fein gestufter genetischer Analysen für moderne biomedizinische Forschung. Die genetische Variation in den USA folgt keinen starren Kategorien, sondern zeigt fließende Übergänge und komplexe Mischungen.
Um eine gerechte und effektive Gesundheitsversorgung zu gewährleisten, ist es entscheidend, diese Vielfalt im Design von Studien und im therapeutischen Ansatz angemessen zu berücksichtigen. Das Programm liefert die wissenschaftlichen Grundlagen dafür und schafft Ressourcen, die zukünftig die Entwicklung präziser, personalisierter Medizin in den USA entscheidend vorantreiben werden.