Die jüngsten Entwicklungen um die Verbrauchergenomik-Firma 23andMe haben großes Interesse erregt, nicht nur aufgrund der Beteiligung ihrer Mitbegründerin Anne Wojcicki, sondern vielmehr wegen der komplexen rechtlichen und ethischen Fragen hinsichtlich des Umgangs mit den DNA-Daten von Millionen Kunden. Nach dem Konkurs von 23andMe hat Wojcicki, die das Unternehmen 2006 mitbegründet hat, ein Gebot abgegeben, um die Kontrolle über die Firma und deren enormen Datensatz zurückzugewinnen. Ihr Angebot hat den Wettbewerber Regeneron übertroffen, und ein Gespräch vor dem Konkursgericht steht bevor, um den Verkauf zu genehmigen. Doch die rechtlichen Auseinandersetzungen rund um den Schutz, die Sicherheit und die zukünftige Nutzung der genetischen Daten der Nutzer sind damit keineswegs beendet. Die Datenbank von 23andMe umfasst die DNA-Informationen von etwa 15 Millionen Menschen, die über Jahre hinweg mit Einverständnis für genetische Tests teilgenommen hatten.
Solche Informationen sind besonders sensibel, da sie nicht nur Aufschluss über die Herkunft und gesundheitliche Risiken einer Person geben, sondern auch unveränderliche Teile der Identität darstellen. Experten und Datenschützer betonen, dass genetische Informationen nicht mit einfachen persönlichen Daten wie Name oder Sozialversicherungsnummer vergleichbar sind. Einmal preisgegeben, sind sie permanent und können potenziell für Diskriminierung oder andere Missbräuche verwendet werden. Die Rückkehr Anne Wojcickis in die Führungsspitze von 23andMe geschieht vor dem Hintergrund von mehreren datenschutzrechtlichen Vorfällen. So wurde 23andMe 2023 von Aufsichtsbehörden aus Großbritannien und Kanada mit insgesamt 2,3 Millionen US-Dollar wegen eines Datenlecks bestraft, bei dem DNA-Daten sowie Informationen zu Gesundheit, ethnischer Zugehörigkeit, Geschlecht und Familienstruktur von etwa sieben Millionen Nutzern kompromittiert wurden.
Dieses Ereignis hat das Vertrauen in den Umgang mit den genetischen Daten nachhaltig erschüttert. Darüber hinaus haben mehr als die Hälfte der US-Bundesstaaten Rechtsmittel gegen den Verkauf von 23andMe eingelegt, um die Weitergabe der im Besitz des Unternehmens befindlichen DNA-Proben zu verhindern. Die Sorge besteht darin, dass unabhängig vom Eigentümer der Firma keine ausreichenden Garantien bestehen, dass der Umgang mit diesen Daten den höchsten Datenschutzstandards entspricht. Neben den staatlichen Klagen gab ein Verbraucherschutzbericht zu bedenken, dass der Verkauf eines Unternehmens wie 23andMe eine beispiellose Herausforderung für das Insolvenzrecht darstellt, da hier der Umgang mit äußerst sensiblen Gesundheits- und biologischen Daten geregelt werden muss. Anne Wojcickis Angebot erfolgt über TTAM Research Institute, eine gemeinnützige Organisation, die sie kontrolliert.
Einige sehen darin eine Chance, da eine Non-Profit-Struktur möglicherweise einen verantwortungsvolleren Umgang mit den Kundendaten gewährleisten könne. Kritiker hingegen weisen darauf hin, dass diese Struktur auch ein legales Schlupfloch schaffen könnte, um sich den bestehenden Datenschutzgesetzen zu entziehen. Ein sogenanntes „Durchsetzungs- und Verantwortlichkeitsvakuum“ im Bereich Privatsphäre und Sicherheit sei nicht auszuschließen. Dies hat in der breiten Öffentlichkeit und auch bei Gerichtswächtern Besorgnis ausgelöst. Ein weiterer belastender Punkt ist die Tatsache, dass Anne Wojcicki bereits zu Zeiten, in denen das Unternehmen mit Datenschutzproblemen zu kämpfen hatte, das Management leitete.
Ein Datenschutzexperte bezeichnete es als „fahrlässig optimistisch“, davon auszugehen, dass eine erneute Übernahme durch sie alle bestehenden Probleme mit einem Schlag lösen könne. Die Herausforderung besteht darin, neue Mechanismen für mehr Transparenz, Sicherheit und Rechenschaftspflicht zu entwickeln. Vor diesem Hintergrund ist der bevorstehende Gerichtstermin von großer Bedeutung. Das Konkursgericht in den USA muss nicht nur die formellen Aspekte des Verkaufs genehmigen, sondern auch sicherstellen, dass die Rechte und Interessen der betroffenen Verbraucher geschützt werden. Die noch offene Frage bleibt, wie der Umgang mit den DNA-Daten künftig gestaltet wird – besonders im Hinblick auf Zugangsrechte, mögliche Weitergabe an Dritte und die Erhebung zusätzlicher Einwilligungen.
In der digitalisierten Welt, in der personenbezogene Daten eine immer größere Rolle spielen, steht 23andMe beispielhaft für die Herausforderungen, die sich Werbung um biometrische Daten entfalten. Die Entwicklungen mit Anne Wojcicki zeigen, dass technischer Fortschritt und Unternehmertum eng mit rechtlichen und ethischen Beschränkungen verflochten sind. Nur wenn Technologieunternehmen wie 23andMe strenge Datenschutzprinzipien einhalten und Verbraucherrechte wahrt bleiben, kann Vertrauen in dieses stark personenbezogene Geschäftsmodell langfristig erhalten werden. Zusätzlich darf nicht übersehen werden, dass die weltweiten Regulierungsbehörden zunehmend ein Auge auf Unternehmen werfen, die genetische und biometrische Daten verwalten. Sanktionen und Bußgelder, wie die jüngste £2,3 Millionen-Strafe, signalisieren einen Trend zu strengeren Überwachungsmaßnahmen und härteren Konsequenzen bei Datenschutzverletzungen.