Die äthiopische Telekommunikationslandschaft erlebt seit einigen Jahren tiefgreifende Veränderungen. Im Zentrum dieser digitalen Revolution steht WebSprix IT Solutions, eines der ersten privaten Internetdienstanbieter des Landes, dessen Mitbegründer und CEO, Dawit Birhanu, derzeit mit schwerwiegenden strafrechtlichen Vorwürfen konfrontiert ist. Die Verhaftung und das laufende Gerichtsverfahren gegen Birhanu sowie weitere Führungskräfte des Unternehmens werfen nicht nur einen Schatten auf die Zukunft des Unternehmens, sondern haben auch bedeutende Auswirkungen auf die Entwicklung und Liberalisierung der äthiopischen Telekommunikationsbranche. WebSprix wurde 2011 gegründet und hat in den letzten vierzehn Jahren eine Schlüsselrolle bei der Digitalisierung Äthiopiens gespielt. Als einer der ersten privaten Anbieter, die eine ISP-Lizenz in Äthiopien erhielten, setzte das Unternehmen auf eine Infrastruktur, die sich deutlich von den bisherigen staatlich dominierten Angeboten unterschied.
Der Fokus lag vor allem auf Glasfaserverbindungen, die in urbanen Gebieten, insbesondere in Addis Abeba, als innovative Lösung für schnelles Internet eingesetzt wurden. Das Unternehmen hat bislang über 3.200 Kilometer Glasfaserkabel verlegt und bietet FTTH-Dienste (Fiber to the Home) für mehr als 420.000 Haushalte an – mit ehrgeizigen Plänen, bis 2030 Millionen von Nutzern zu erreichen. Die strategische Entscheidung von WebSprix, hauptsächlich auf US-amerikanische Technologieanbieter wie Cisco zurückzugreifen, hebt das Unternehmen von den anderen großen Akteuren des äthiopischen Telekommunikationsmarktes ab, die vorwiegend auf chinesische Technologie von Huawei setzen.
Diese Unterscheidung spielt nicht nur bei der technologischen Entwicklung eine Rolle, sondern auch hinsichtlich der internationalen Partnerschaften und ausländischen Investitionen. WebSprix konnte mit Wettbewerben wie dem Microsoft Airband Award und weiteren Projekten mit USAID Finanzierung in Höhe von mehreren hunderttausend US-Dollar sichern, was das internationale Vertrauen in das Geschäftsmodell des Unternehmens unterstreicht. Die Situation änderte sich dramatisch im Dezember 2024, als das äthiopische Justizministerium eine Anklage gegen WebSprix und seine Führungskräfte wegen angeblicher Steuerhinterziehung, der Einfuhr illegaler Waren und der Präsentation von aus kriminellen Aktivitäten stammenden Mitteln als legal eingebracht hat. Die Anklage fordert die Gerichte auf, umfassend zu untersuchen, ob die Firma zwischen 2017 und 2023 Steuern in Höhe von mehreren zehn Millionen Birr hinterzogen hat, ob illegale Importe von Softwarelizenzen ohne Zahlung von Zöllen eingingen und ob Einkünfte aus diesen Aktivitäten als rechtmäßig deklariert wurden. Diese Vorwürfe führen allerdings zu Kontroversen, denn WebSprix bestreitet die Anschuldigungen vehement.
Ein Kernargument der Verteidiger ist, dass viele der geltend gemachten Vorfälle aus einem unklaren rechtlichen Umfeld stammen, insbesondere bezüglich der Besteuerung und Verzollung digitaler Güter wie Software, die in Äthiopien bis 2020 weniger klar reguliert waren. Die Firma argumentiert, dass die zuvor durchgeführten Prüfungen teils widersprüchliche Ergebnisse erzielt hätten und der Prozess gegen WebSprix als Missbrauch von Amtsgewalt charakterisiert werden könne. Die juristischen Auseinandersetzungen erreichten ihren vorläufigen Höhepunkt im Frühjahr 2025, als das Gericht die Anträge auf Freilassung gegen Kaution für Dawit Birhanu zurückwies, der daraufhin im Kaliti-Gefängnis in Addis Abeba inhaftiert blieb. Die weiteren Geschäftsführer von WebSprix befinden sich in unterschiedlichen Prozessphasen, wobei Abraham Menwielet zwar abwesend gerichtlich verhandelt wird und die Vorsitzende Mekdes Aklilu Temesgen auf Kaution freikam. Trotz eingefrorener Unternehmenskonten setzt WebSprix seine operativen Tätigkeiten nur eingeschränkt fort.
Die Lage hat nicht nur eine tragische menschliche Dimension, sondern stellt auch einen Prüfstein für die Liberalisierung der äthiopischen Telekommunikationswirtschaft dar. Viele Branchenbeobachter und internationale Partner befürchten, dass ein solch drastisches Vorgehen gegen einen der wenigen privaten und innovativen Akteure eine abschreckende Wirkung auf ausländische Investitionen haben könnte. Die Äußerungen von Ex-Kollegen Birhanus und Unterstützern unterstreichen die Bedeutung seines Engagements für eine offene und vielfältige Digitalwirtschaft. Eine Online-Petition mit inzwischen hunderten Unterstützern fordert seine Freilassung und die Aufhebung der Beschlagnahmungen von Vermögenswerten des Unternehmens. Der äthiopische Telekommunikationsmarkt, der traditionell von Ethio Telecom dominiert wird, steht aufgrund von Reformen und neuen Playern wie Safaricom, vor einem tiefgreifenden Wandel.
Die Förderung privater Anbieter gilt als Schlüssel zur Verbesserung der Verbindungssituation auf dem gesamten Kontinent. In diesem Kontext ist WebSprix ein Beispiel für das Potenzial, das lokale und diaspora-gebundene Unternehmen bieten können, wenn ihnen Raum für Innovation und Wachstum gegeben wird. Die aktuellen juristischen Prozesse um das Unternehmen zeigen jedoch auch die Herausforderungen, die mit komplexen Steuervorschriften, regulatorischer Unsicherheit und der Einflusssphäre staatlicher Institutionen verbunden sind. Eine weitere Dimension des Falles betrifft die geopolitische Ausrichtung der Technologiequellen. WebSprix’ Partnerschaften mit US-amerikanischen Technologieanbietern heben das Unternehmen von anderen Unternehmen ab, die stärker von chinesischer Technologie abhängig sind.
Das kann ein zusätzlicher politischer Faktor sein, der die Dynamik hinter den Ermittlungen und rechtlichen Schritten gegen WebSprix beeinflusst. Abschließend bleibt festzuhalten, dass der Fall von Dawit Birhanu und WebSprix eine kritische Prüfung der äthiopischen Digitalwirtschaft in ihrer jetzigen Form darstellt. Die Entscheidungen der Gerichte, aber auch der Gesetzgeber und Regulierungsbehörden werden darüber entscheiden, wie innovativ, liberal und attraktiv der Markt für private Investoren und Technologieunternehmen künftig sein kann. Die Balance zwischen einer wirksamen Durchsetzung von Finanzgesetzen und einem unterstützenden Rahmen für technologischen Fortschritt ist fragile und entscheidend für die digitale Zukunft Äthiopiens. Bis eine endgültige juristische Klärung erfolgt ist, bleibt die Telekommunikationsbranche des Landes in einem Zustand der Unsicherheit.
Für Interessierte und Investoren weltweit sind die Entwicklungen um WebSprix und seinen Geschäftsführer ein Musterbeispiel dafür, wie schwierig der Aufbau einer freien und modernen Telekommunikationsinfrastruktur in einem sich entwickelnden Land sein kann. Trotz aller Schwierigkeiten hält WebSprix an seiner Vision fest, Millionen von Äthiopiern mit zuverlässigem Internet zu versorgen, um so einen Beitrag zum wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Fortschritt des Landes zu leisten.