Die Rolle von Telegram als Plattform für illegale Aktivitäten nimmt weiter zu und steht zunehmend im Fokus von Ermittlungen gegen Cyberkriminalität. Insbesondere die Durchsuchung und Sperrung der chinesischsprachigen Marktplätze Xinbi Guarantee und Huione Guarantee durch Telegram markiert einen bedeutenden Wendepunkt im digitalen Kampf gegen Krypto-Geldwäsche im Wert von mehreren Milliarden USDT. Diese Ereignisse zeigen, wie stark verschlüsselte Kommunikationsmittel und Stablecoins wie Tether (USDT) in kriminellen Netzwerken eingebettet sind. Die Betreiber dieser Plattformen nutzen Telegrams Privatsphäre-fokussierte Infrastruktur geschickt, um großangelegte Geldwäsche, Identitätsfälschung und Cyberbetrug abzusichern. Dabei handelt es sich nicht nur um kleinere Einzelfälle, sondern um industrialisierte „Dark Markets“, deren Umfang Billionenwerte aufweisen.
Elliptic, eine renommierte Blockchain-Analysefirma, hatte bereits im Mai 2025 in ihrem Bericht aufgedeckt, dass allein Xinbi seit 2022 mehr als 8,4 Milliarden USDT gewaschen hat. Huione Guarantee liegt dabei mit geschätzten 27 Milliarden USDT sogar noch deutlich darüber. Diese Zahlen offenbaren das Ausmaß, mit dem digitale Geldwäsche unter Nutzung von Stablecoins durchgeführt wird. Die Plattform Huione wird mit einem Netzwerk verbunden, das mutmaßliche Verbindungen zur kambodschanischen politischen Elite aufweist. Die breite Palette an „Dienstleistungen“ umfasst gefälschte Identitäten, den Handel mit gestohlenen persönlichen Daten, technische Hacks, Botnetze und schließlich Geldwäsche.
Ein besonders alarmierendes Element stellt die Integration von Menschenhandel und Zwangsarbeit in Asien dar. Es gibt Berichte, dass Opfer in sogenannten Scam-Compounds in Ländern wie Kambodscha, Laos oder Myanmar zur Durchführung von Romance- und Investment-Betrügereien gezwungen werden. Diese Menschen werden unter ständigem Zwang und Überwachung gehalten, während sie per Telegram in kriminelle Aktivitäten eingebunden sind. Xinbi Guarantee, mit über 233.000 Nutzern, unterteilt seine Anbieter in ein vielfältiges Spektrum: von Dokumentenfälschungen und SIM-Kartenhandel bis zum Zugang zu Datenbanken und fortgeschrittenen Geldwäsche-Techniken für „Pig Butchering“-Scams.
Diese Art von Betrug lockt Käufer und Opfer über viele Monate mit erfundenen romantischen Beziehungen oder wie Geschäftsinvestitionen in Finanzprodukten, um so hohe Summen an Kryptowährungen zu entlocken. Telegram als Plattform bietet für diese Netzwerke mehrere Vorteile. Die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung, die breite Nutzerbasis und die Möglichkeit, Nachverfolgung über geschlossene Gruppen zu erschweren, machen es zur ersten Wahl für organisierte Cyberkriminalität, vor allem in der asiatisch-pazifischen Region. Neben der Kommunikation dienen die Kanäle auch als Plattformen für Reputation, Disputmanagement und Zahlungsabwicklung. Bemerkenswert ist, wie Telegram auf Druck der Öffentlichkeit und Regulierungsbehörden nach und nach Funktionen wie „People Nearby“ entfernt und seine FAQs aktualisiert hat.
Dennoch sind die Maßnahmen bisher eher symptomatisch und erreichen nicht die Tiefe, die nötig wäre, um die kriminelle Nutzung umfassend zu bekämpfen. Experten fordern daher weitreichendere Schritte, die nicht nur technische, sondern auch regulatorische Herausforderungen adressieren. Die US-amerikanische Finanzaufsicht FinCEN hat im Mai 2025 die Huione Group als „Major Money Laundering Concern“ deklariert und den Schritt eingeleitet, das Netzwerk aus dem US-Finanzsystem zu entfernen. Diese Bewegung ist Teil einer globalen Strategie, die sowohl nordkoreanische Hackergruppe Lazarus als auch weitere illegale Akteure ins Visier nimmt, die mit Kryptowährungen operieren. Die Anwendung von Stablecoins wie Tether als Währung der Wahl für illegale Geschäfte wurde zuvor bereits in einem UN-Bericht hervorgehoben.
Die Vorteile von Stablecoins liegen in ihrer schnellen Übertragbarkeit, globalen Akzeptanz und der Schwierigkeit, Transaktionen rückgängig zu machen. Diese Eigenschaften machen sie besonders attraktiv für Geldwäscher, aber auch für Cyberkriminelle, die raubkopierte Daten oder Malware vermarkten. Mit der zunehmenden Professionalisierung und Globalisierung derartigen „Dark Markets“ steigt auch der Druck auf Technologieplattformen, Regierungen und internationale Organisationen, effektiv zusammenzuarbeiten. Blockchain-Analysefirmen spielen hierbei eine Schlüsselrolle, indem sie Transaktionsnetzwerke durchleuchten und Einblicke in komplexe Bewegungen liefern. Aus regulatorischer Sicht besteht jedoch noch ein erheblicher Nachholbedarf.
Viele Länder in Asien und Südostasien kämpfen mit mangelnder Durchsetzbarkeit von Gesetzen gegen Geldwäsche und Cyberkriminalität. Korruption und politische Verflechtungen erschweren die Ermittlungen und Strafverfolgung. Gleichzeitig bieten die technologischen Fortschritte dieser Plattformen neue Herausforderungen, da herkömmliche Ansätze der Kontrolle oft nicht schnell genug reagieren können. Die Zukunft der Bekämpfung solcher Netzwerke liegt vermutlich in einer Kombination aus stärkerer internationaler Kooperation, technologischem Fortschritt in Blockchain-Forensik und gezielter Regulierung digitaler Vermögenswerte. Auch Telegram selbst steht zunehmend unter Druck, seine Rollen und Verantwortlichkeiten als Plattformbetreiber neu zu definieren.
Für Nutzer und die allgemeine Öffentlichkeit ist es wichtig, sich der Risiken solcher Anwendungen bewusst zu sein und bei Verdachtsmomenten zuständige Behörden und vertrauenswürdige Dienstleister einzuschalten. Nur durch ein umfassendes Verständnis und gemeinsames Handeln kann der wachsenden Bedrohung durch Krypto-Geldwäsche und damit verbundene Cyberverbrechen begegnet werden. Zusammenfassend zeigt die Operation gegen Xinbi und Huione, dass die Grenzen zwischen verschlüsselter Kommunikation, Finanztechnologie und Cyberkriminalität in einer zunehmend digitalisierten Welt verschwimmen. Telegrams Rolle als Hauptakteur in diesem Kriminalitätsökosystem ist zugleich Mahnung und Weckruf: Ohne konsequente Maßnahmen auf mehreren Ebenen wird die dunkle Seite der Kryptoökonomie weiter wachsen und globalen Schaden anrichten.