Die Elektromobilität gewinnt weltweit zunehmend an Bedeutung, und Unternehmen wie Rivian schaffen es, Anleger mit innovativen Fahrzeugen und großen Wachstumsversprechen zu faszinieren. Die Aktie von Rivian hat im vergangenen Jahr trotz hoher Schwankungen eine beachtliche Wertsteigerung erfahren. Allerdings ist es für Investoren essenziell, sich nicht nur auf den Kursverlauf oder das Umsatzpotenzial zu konzentrieren, sondern auch auf zwei andere wichtige finanzwirtschaftliche Faktoren zu achten, die unmittelbaren Einfluss auf die Unternehmensbewertung und die zukünftige Rentabilität haben. Diese beiden Kennzahlen sind die Steuergutschriften für Käufer von Elektrofahrzeugen sowie die Erlöse aus dem Handel mit umweltbezogenen Regulierungszertifikaten. Der Umgang mit beiden Faktoren dürfte maßgeblich den Erfolg und die nachhaltige Profitabilität von Rivian beeinflussen.
Rivian, als relativ junges Unternehmen, hat im vergangenen Quartal einen positiven Bruttogewinn von 206 Millionen US-Dollar ausgewiesen. Ein Großteil davon, nämlich 157 Millionen US-Dollar, stammt jedoch aus Verkäufen von Automobilregulierungs-Gutschriften. Diese sogenannten Credits werden dem Unternehmen für die Herstellung emissionsfreier Fahrzeuge von der US-Bundesregierung gutgeschrieben und anschließend an Wettbewerber verkauft, die ihre eigenen Anforderungen zur Emissionsreduktion nicht erfüllen. Da diese Credits mit nahezu 100 Prozent Gewinnmarge verkauft werden, sind sie eine äußerst lukrative, aber auch volatile Einnahmequelle. Über kurz oder lang könnte sich die politische Landschaft in den USA ändern, was den Wert oder die Verfügbarkeit dieser Credits stark beeinträchtigen würde.
Dies stellt ein erhebliches Risiko für Rivians Finanzlage dar, sofern das Unternehmen nicht parallel andere stabile Einnahmequellen entwickelt. Ein weiteres großes Unsicherheitsmoment für Rivian sind mögliche Änderungen des Steuergutschriftensystems für Käufer von Elektrofahrzeugen. Derzeit können qualifizierte Käufer je nach Modell bis zu 4.000 bis 7.500 US-Dollar als Steuergutschrift erhalten, was den Kaufpreis eines E-Autos effektiv deutlich senkt und somit die Nachfrage ankurbelt.
Studien zeigen, dass zwischen etwa 36 und 53 Prozent der Käufer von Elektrofahrzeugen den Kauf ohne diese Anreize vermutlich nicht getätigt hätten. Rivians aktuelle Fahrzeugpalette liegt größtenteils über der Preisschwelle oder qualifiziert sich aufgrund bestimmter Kriterien nicht für die Gutschriften, doch für das kommende Jahr plant das Unternehmen die Markteinführung von drei neuen Modellen unter 50.000 US-Dollar. Diese günstigen Fahrzeuge könnten massenmarkttauglich sein und Rivians Umsatz enorm steigern. Die Abschaffung oder Kürzung solcher Steuergutschriften würde diese Strategie jedoch erheblich gefährden, da die effektiven Kosten für Verbraucher steigen und somit der Absatz geschmälert werden könnte.
Investoren sollten daher aufmerksam politische Entwicklungen sowie Gesetzesinitiativen verfolgen, die Auswirkungen auf die Förderprogramme haben könnten. Ein von ehemaligen US-Präsident Donald Trump unterstützter Gesetzesentwurf könnte etwa die bestehenden Steuererleichterungen für elektrische Fahrzeuge komplett streichen. Da solche politischen Maßnahmen gravierende Auswirkungen auf die Nachfrage haben, kann ein Verschwinden dieser Anreize zu einem deutlichen Rückgang der Käuferzahlen für Rivians neue, bezahlbare Modelle führen. Selbst wenn Rivian seine Produktion und Fahrzeugpalette erfolgreich ausweitet, sind diese politischen und regulatorischen Rahmenbedingungen wesentliche Variablen, die den Wachstumspfad des Unternehmens maßgeblich bestimmen. Abseits dieser beiden Kernzahlen ist es wichtig, die Fortschritte des Unternehmens bei der Kostenreduktion und dem Aufbau eigener Produktionskapazitäten im Auge zu behalten.
Bisher hat Rivian den größten Teil seines Bruttogewinns über die Regulierungszertifikate erzielt, während die operativen Ergebnisse noch hinter den Erwartungen zurückbleiben. Das zeigt, wie abhängig das Unternehmen von Subventionen ist, wodurch das Risiko eines abrupten Gewinnrückgangs bei Änderungen der Gesetzgebung steigt. Zudem ist der Wettbewerb im Bereich Elektrofahrzeuge extrem hart, insbesondere mit etablierten Giganten wie Tesla und sich formierenden Konkurrenten. Rivians Fähigkeit, technisch konkurrenzfähige Produkte zu günstigen Preisen anzubieten und eine stabile Nachfrage zu generieren, ist entscheidend, um langfristig profitabel zu bleiben. Anleger, die sich mit Rivian beschäftigen, sollten deshalb nicht nur das Umsatzwachstum betrachten, das von Analysten mit 10 Prozent für dieses Jahr und sogar 48 Prozent fürs nächste Jahr prognostiziert wird.
Es braucht vielmehr ein tieferes Verständnis für den Einfluss externer Faktoren wie staatliche Förderprogramme und Regulierungsmechanismen. Nur so lässt sich abschätzen, wie sich der Kurs des Elektroautobauers mittel- und langfristig entwickeln könnte. Auch wenn der Hype rund um die Elektromobilität weiterhin groß ist und Rivian mit attraktiven Neuentwicklungen punktet, sind diese beiden Kennzahlen ein Warnsignal sowie eine Indikation gleichermaßen. Sie bieten einen Fingerzeig darauf, wie stark politische Entscheidungen und regulatorische Rahmenbedingungen den Unternehmenserfolg ganz konkret beeinflussen. Für Investoren stellt dies eine Herausforderung wie auch eine Chance dar, da sich aus der Analyse dieser Faktoren strategische Vorteile ergeben können.
In der Summe steht und fällt Rivians Wachstum mit seiner Fähigkeit, den regulativen Wandel frühzeitig zu erkennen und darauf mit einer flexiblen Geschäftsstrategie zu reagieren. Wer klug investiert, sollte deshalb neben der technologischen Innovation und der Produktpalette vor allem einen scharfen Blick auf die Entwicklung der Steuergutschriften für Käufer und der Handelswerte für Regulierungszertifikate richten. Nur mit diesem umfassenden Blick auf den Markt lassen sich Risiken minimieren und Chancen realistisch einschätzen, was für eine fundierte Investmententscheidung unverzichtbar ist.