Das Exile-Archiv ist eine faszinierende Sammlung, die einen einzigartigen Einblick in die Welt der Videospielentwicklung der 1980er Jahre für die Heimcomputer BBC Micro und Acorn Electron ermöglicht. Es bewahrt frühe Vorversionen und unveröffentlichte Builds des Spiels Exile, das ursprünglich 1988 von Peter J.M. Irvin und Jeremy C. Smith entwickelt und von Superior Software veröffentlicht wurde.
Diese Sammlung ist nicht nur ein wertvolles Stück Videospielgeschichte, sondern zeigt auch die Arbeitsweise und den Entwicklungsprozess einer Ära, in der Computer- und Videospiele noch in den Kinderschuhen steckten, und gibt heute Fans und Forschern die Gelegenheit, einen Blick hinter die Kulissen zu werfen. Superior Software war damals einer der führenden Publisher für Spiele auf diesen Plattformen und spielte eine wesentliche Rolle bei der Verbreitung beliebter Titel, ohne selbst zu programmieren. Dieses Geschäftsmodell basierte darauf, dass unabhängige Entwickler ihre Spiele zur Veröffentlichung einsandten. Diese wurden vom Unternehmen überprüft, bewertet und dann gegebenenfalls mit Verbesserungsvorschlägen an die Entwickler zurückgeschickt. Ein Dialog zwischen Publisher und Entwickler war somit essentiell und oft langwierig, denn es konnte mehrere Monate, teilweise bis zu einem Jahr dauern, bis ein Spiel vollständig fertiggestellt war.
Der Übungs- und Verbesserungsprozess war entscheidend, da er die Qualität und den Spielspaß der Endprodukte maßgeblich beeinflusste. Im Rahmen der Exile-Sammlung sind neun separate Ordner mit jeweils eigenen Diskettenabbildern enthalten, von denen einige doppelseitig formatiert sind und andere einfache Seiten besetzen. Die Dateien befinden sich im Acorn DFS Format, das als Standard für die BBC Micro und Acorn Electron Disketten gilt. Innerhalb der Archive befinden sich neben den Diskettenabbildern auch Fotos der originalen Floppy-Disketten, wodurch die Sammlung ebenfalls einen hohen historischen Wert besitzt. Besonders bemerkenswert ist, dass es sich bei diesen Dateien um sogenannte Vorabversionen handelt, welche vor der endgültigen Veröffentlichung des Spiels entstanden.
Diese frühen Builds enthalten teilweise unvollständige Spielfunktionen, Fehler und unterschiedliche Versionen von Spielinhalten, die im späteren Produkt nicht mehr vorhanden waren oder ergänzt wurden. Zudem wurde bei diesen Versionen noch ein sogenannter Passwortschutz integriert, der es verhinderte, das Raumschiff am Anfang des Spiels zu verlassen. Die im Archiv vorhandenen Passwörter erlauben eine Umgehung dieses Schutzes und ermöglichen so das vollständige Erforschen der frühen Spielwelten und Level. Der Erhalt und die Wiederherstellung dieses umfangreichen Archivs basieren auf der Arbeit von Kevin Edwards, der mithilfe der originalen Disketten exemplarische, saubere Kopien der gespeicherten Daten anfertigte. Dabei stellte er fest, dass frühere Archivierungsversuche in den 1990er Jahren nicht sorgfältig genug durchgeführt wurden, wodurch einige Sektoren der Disketten durch Daten anderer Spiele wie Firetrack unangemessen überschrieben wurden.
Seine Bemühungen führten zu einer gereinigten digitalen Sammlung, die den Entwicklungsstandzeiten von Exile auf akkurate Art darstellt. Die Geschichte, wie diese Archive überhaupt erhalten blieben, bleibt teilweise mysteriös. Gegen Ende der 1990er Jahre wurden etwa 300 Disketten aus dem Superior Software Archiv von einer unbekannten Person gesichert. Gerüchte über das Auffinden der Disketten in einem Müllcontainer entpuppten sich als falsch. Erst Anfang 2025 wurden diese Archive der Öffentlichkeit zugänglich gemacht, nachdem ein Teil davon – darunter die Exile-Builds – erneut in Umlauf kam.
Unterstützt wird dieses Projekt durch die Mithilfe von Experten aus der Retrogaming-Szene, wie Rich Talbot-Watkins, der dazu beitrug, Passwörter zu knacken und weitere Informationen zu entschlüsseln. Das Exile-Archiv keine reine Nostalgiesammlung, sondern ein wertvolles Zeugnis für Forscher, Historiker und Fans der Heimcomputer-Ära. Es veranschaulicht nicht nur die frühe Entwicklung und Veröffentlichung von Computerspielen, sondern auch den Umgang mit Medien, Software-Archivierung und dem Erhalt von digitalem Kulturerbe. Gerade im Zeitalter, in dem digitale Produkte schnell veralten oder verloren gehen, zeigt das Projekt eindrucksvoll, wie wichtig und herausfordernd die Bewahrung solcher digitalen Ressourcen ist. Darüber hinaus dient das Archiv als Quelle für Emulator-Nutzer, die durch das Laden der .
dsd oder .ssd Dateien eine originale Spielerfahrung auf modernen Systemen simulieren können. Die Möglichkeit, Diskettenabbilder auf USB-Sticks zu speichern und beispielsweise mit einem GoTek Floppylaufwerk-Emulator abzuspielen, macht diese frühen Spiele wieder zugänglich und lebendig. Auch wenn die Betreiber darauf hinweisen, dass die Dateien nicht für kommerzielle Zwecke genutzt werden dürfen und nicht weiterentwickelt oder verändert werden sollen, stellen sie zugleich eine Art Denkmal der Spielkultur dar, das weit mehr beinhaltet als nur den finalen Spielcode. Nutzer können die Spieldaten analysieren, Fehlermeldungen studieren oder Vergleiche zwischen einzelnen Entwicklungsstadien ziehen.
Dadurch wird ein Stück Videospiel-Komplexität transparent gemacht, das sonst in der finalen Software unsichtbar bleibt. Das Exile-Archiv sollte als ein Paradebeispiel für digitale Denkmalpflege unter Liebhabern klassischer Computer- und Videospiele verstanden werden. Diese Arbeit steht exemplarisch für die Bedeutung von Archivierung in einer Welt, in der sich Technologie und Medienformate rasant wandeln. Es bringt das Bewusstsein dafür, unter welchen Bedingungen Spiele damals entstanden sind, wie Entwickler und Publisher miteinander kommunizierten und wie Software zum Teil handschriftlich an Feedback und Verbesserung arbeitete – ein Prozess, der heute in Zeiten von großen AAA-Titeln und automatisierter Distribution kaum noch vorstellbar erscheint. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass das Exile-Archiv eine Schatzkammer ist, die es ermöglicht, tief in die Geschichte von Superior Software, der BBC Micro-Ära und der Entstehung von Videospielen einzutauchen.
Durch die Reproduktion originaler Dateien, die umfassende Dokumentation sowie den Erhalt von visuellen und digitalen Quellen bietet es Nutzern aller Art wertvolle Erkenntnisse und bereichert das kulturelle Erbe der Videospielwelt.