Die Frage nach Geschlechtergerechtigkeit in der akademischen Wissenschaft ist seit Jahrzehnten ein zentrales Thema in Wissenschaft und Gesellschaft. Trotz zahlreicher Fortschritte wird immer wieder diskutiert, inwieweit Frauen im Vergleich zu ihren männlichen Kolleginnen und Kollegen nach wie vor mit Vorurteilen und Benachteiligungen konfrontiert sind. Die komplexe Debatte ist geprägt von widersprüchlichen Ergebnissen und unterschiedlichen Perspektiven. Um Licht ins Dunkel zu bringen, haben Wissenschaftler jüngst die empirische Evidenz zum Thema systematisch analysiert und sieben Schlüsselbereiche identifiziert, in denen potenzielle Geschlechtervorurteile besonders prägnant sein könnten. Dazu zählen Einstellungen auf Tenure-Track-Positionen, die Vergabe von Forschungsfördermitteln, Lehrbewertungen durch Studierende, Annahmeraten bei wissenschaftlichen Zeitschriften, Gehaltsunterschiede, Empfehlungsbriefe sowie Publikationsmengen und -produktivität.
Die Zusammenschau dieser Befunde gibt Auskunft über Fortschritte, Hemmnisse und die tatsächliche Lage in der akademischen Wissenschaftswelt. Im Bereich der Einstellung zu Tenure-Track-Stellen zeigt sich ein überraschendes Bild. Während die öffentliche Debatte oftmals eine systematische Benachteiligung von Frauen an Hochschulen postuliert, belegen Daten aus mehreren Jahrzehnten, unter anderem aus umfassenden Kohortenanalysen, dass Frauen in vielen naturwissenschaftlich-mathematisch-technischen Bereichen sogar eine leicht bessere Aufnahmewahrscheinlichkeit haben als Männer mit vergleichbaren Qualifikationen. Hier ist allerdings zu beachten, dass Frauen deutlich seltener als Männer auf diese Stellen bewerben. Gründe hierfür liegen unter anderem in unterschiedlichen Lebensentwürfen, familiären Verpflichtungen und der Bewertung von Karriereaussichten in der Wissenschaft.
Besonders in den Bereichen Lebenswissenschaften, Psychologie und Sozialwissenschaften, in denen Frauen ohnehin besser repräsentiert sind, ist die Bewerbungsquote von Frauen geringer, was zu scheinbaren geschlechtsspezifischen Unterschieden in den Einstellungen führt. Die Forschung räumt ein, dass strukturelle Faktoren wie zum Beispiel unflexible Arbeitszeitmodelle und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf hierbei eine entscheidende Rolle spielen. Die Förderung von Forschungsprojekten gilt als zentraler Baustein für den wissenschaftlichen Erfolg. Gibt es bei der Vergabe von Fördermitteln eine geschlechterspezifische Benachteiligung? Aktuelle Meta-Analysen, die über zwei Millionen Förderanträge und fast eine halbe Million bewilligter Projekte umfassen, belegen, dass in den Vereinigten Staaten Frauen bei der Vergabe neuer Förderungen nahezu gleichgestellt sind oder sogar einen kleinen Vorteil genießen. Besonders bei den sogenannten „New Investigator“-Grants gibt es seit über 20 Jahren keine signifikanten Unterschiede mehr in der Förderquote.
Allerdings fällt auf, dass Frauen insgesamt weniger Förderanträge stellen, was wiederum auf die schon erwähnten strukturellen und gesellschaftlichen Faktoren zurückzuführen ist. International variieren die Ergebnisse, wobei einige europäische und kanadische Studien auf eine leichte männliche Bevorzugung hindeuten, die im Zeitverlauf jedoch abnimmt. Ein weiteres umstrittenes Thema sind die Bewertungen von Lehrenden durch Studierende. Hier mehren sich die Hinweise auf systematische Benachteiligungen von Frauen. In zahlreichen Studien und Metaanalysen wird deutlich, dass weibliche Dozentinnen im Durchschnitt schlechtere Lehrbewertungen erhalten als ihre männlichen Kollegen, obwohl objektive Maße der Lehrqualität, wie Lernerfolge der Studierenden, keine entsprechenden Unterschiede zeigen.
Vor allem wenn qualitative Kommentare zu den Bewertungen hinzugezogen werden, offenbaren sich häufig sexistische Vorurteile und abwertende Kommentare gegenüber Frauen. Die Negativbewertung kann außerdem von der Zusammensetzung der Studierendenschaft, dem Fachbereich und der Einschätzung der Studierenden beeinflusst sein. Dass solche Bewertungen häufig in Entscheidungen über Beförderungen und Tenure mit einfließen, ist kritisch zu bewerten und stellt einen Bereich dar, in dem eine mögliche Diskriminierung durch indirekte Mechanismen zu beobachten ist. Bei der Annahme wissenschaftlicher Artikel in Fachzeitschriften sprechen umfangreiche Untersuchungen eine klare Sprache: Es existieren kaum Hinweise auf systematische Benachteiligungen von Frauenautorinnen. Zahlreiche Meta-Analysen und große Kohortenstudien bestätigen, dass die Akzeptanzquoten von Manuskripten weiblicher Autorinnen im Durchschnitt denen von Männern gleichkommen oder diese sogar übertreffen.
Einige wenige Ausnahmen, etwa in bestimmten ökonomischen Fachzeitschriften, deuten auf kleinere Nachteile hin, einer generellen systematischen Benachteiligung steht die data-basierte Evidenz jedoch entgegen. Auch Doppelblind-Reviewverfahren, bei denen die Gutachter die Autorenschaft nicht kennen, bewirken keine signifikante Veränderung hinsichtlich der Chancengleichheit, obwohl sie aus anderen Disziplinen zum Beispiel der Musik als ein Schritt in Richtung Gleichstellung bekannt sind. Der Gehaltsunterschied zwischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern ist ein weiterer Bereich, in dem es verbreitete Annahmen über große Ungleichheiten gibt. Untersuchungen auf nationaler Ebene zeigen, dass der sogenannte Gender Pay Gap im Hochschulbereich deutlich kleiner ausfällt als allgemein angenommen. Nach Bereinigung um Faktoren wie akademischen Rang, Fachgebiet, institutionelle Zugehörigkeit, Berufserfahrung und Forschungsproduktivität verbleibt ein unerklärbarer Unterschied von etwa drei bis vier Prozent zugunsten der Männer.
Zwar ist dieser Wert keineswegs unerheblich, er ist aber deutlich geringer als die oft zitierte Lohnlücke von 18 oder 20 Prozent. Die Ursachen des verbleibenden Unterschieds sind vielschichtig und könnten u. a. in Verhandlungsverhalten, Arbeitsplatzwahl und familienbedingten Karriereunterbrechungen liegen. Es ist daher wichtig, nicht nur Expertenmeinungen, sondern auch FAIR und vollumfängliche Daten zu Rate zu ziehen.
Die Analyse von Empfehlungsschreiben wird seit langem als Indikator möglicher unbewusster Geschlechterstereotype gesehen. Einige frühere kleine Studien fanden Hinweise darauf, dass weibliche Bewerberinnen eher als „bemühend“ beschrieben werden, während männlichen Bewerbern öfter Kompetenz und Führungspotential zugeschrieben wird. Neuere großangelegte Untersuchungen mit differenzierten Analysemethoden belegen jedoch, dass solche Unterschiede nur vereinzelt auftreten und meist sehr gering sind. Außerdem gibt es keine konsistente Evidenz dafür, dass Empfehlungsschreiben für Frauen kürzer, weniger detailliert oder weniger positiv ausfallen als für Männer. Dies spricht gegen eine systematische Benachteiligung in diesem Bereich.
Neben der Untersuchung expliziter Bewertungs- und Entscheidungsprozesse ist es wichtig, auch die zugrunde liegenden Faktoren zu erforschen, die Geschlechterunterschiede in der akademischen Wissenschaft bedingen. Ein entscheidender Aspekt ist die Forschungsproduktivität, gemessen am Umfang und der Anzahl von Veröffentlichungen. Zahlreiche Studien belegen, dass Männer im Durchschnitt über ihre wissenschaftliche Laufbahn hinweg deutlich mehr Artikel publizieren als Frauen. Dabei spielen viele Faktoren eine Rolle. Besonders hervorzuheben sind Karriereunterbrechungen, häufig aufgrund von Kindererziehung oder familiären Verpflichtungen, und längere Zeiten zwischen den Publikationen.
Allerdings ist zu beachten, dass es weniger um die Qualität als vielmehr um die Quantität der Publikationen geht. Zudem sind die Unterschiede auch stark von den jeweiligen wissenschaftlichen Disziplinen abhängig. Während in den naturwissenschaftlich-mathematisch-technischen Fächern die Differenzen teilweise abnehmen und in manchen Studien sogar Frauen annähernd gleichziehen, sind sie in den Lebens- und Sozialwissenschaften oft noch sehr ausgeprägt. Ein weiterer Aspekt ist, dass Männer in den Spitzenleistungen – also in der Gruppe der höchstproduktivsten Wissenschaftler – überproportional vertreten sind. Diese Produktivitätsunterschiede wirken sich maßgeblich auf die zuvor analysierten Bereiche aus.
So beeinflussen sie nicht nur die Chancen bei der Einstellung und bei Förderanträgen, sondern auch die Bewertung von Gehältern und Empfehlungsschreiben. Es ist die kluge Interpretation, die solche Zusammenhänge nicht als zusätzlichen Beweis für Diskriminierung missdeutet, sondern als Hinweis auf komplexe gesellschaftliche und individuelle Faktoren, die bei Geschlechterunterschieden in akademischen Laufbahnen eine Rolle spielen. Insgesamt verdeutlicht die aktuelle Evidenzlage, dass viele der bisher angenommenen und medial gern verbreiteten Behauptungen über geschlechtsspezifische Diskriminierung in der akademischen Wissenschaft differenziert betrachtet werden müssen. Während in den Bereichen Lehrbewertungen und Gehälter noch bestehende und teils erhebliche Ungleichheiten festzustellen sind, sind insbesondere in der Karriereförderung, der Vergabe von Forschungszuschüssen, bei Publikationen sowie der Gestaltung von Empfehlungsschreiben vielfach keine oder nur minimale Benachteiligungen von Frauen nachweisbar. Die Stärke dieser Ergebnisse gründet auf umfangreichen Datenerhebungen, objektiven Analysen und der kritischen Sichtung von hunderten von Studien.
Neben den messbaren Aspekten spielen auch unbewusste, kulturell verankerte Vorurteile eine unbestreitbare Rolle, insbesondere im Hinblick auf Erwartungen an Geschlechterrollen und Verhaltensmuster. Diese wirken sich subtil und oft schwer quantifizierbar auf wissenschaftliche Laufbahnen aus und erklären teilweise fortdauernde Unterschiede in konkreten Indikatoren wie Produktivität und Lebenslaufgestaltung. Die Erkenntnisse legen einen zielgerichteten Umgang mit vorhandenen Problemen nahe. Es muss darauf gesetzt werden, strukturelle Barrieren abzubauen, flexible Arbeitsmodelle zu fördern und faire Bewertungsprozesse sicherzustellen. Gleichsam sollten wissenschaftliche und gesellschaftliche Akteure bestrebt sein, die tatsächlichen Befunde breit zu kommunizieren, um falschen Annahmen entgegenzuwirken, die potenziell abschreckend wirken.
Eine offene und evidenzbasierte Diskussion hilft, Ressourcen effizient zu nutzen und den wissenschaftlichen Nachwuchs vielfältig und ausgewogen zu fördern. Nur durch eine solche differenzierte Herangehensweise lassen sich die tatsächlichen Ursachen der Geschlechterunterschiede in der Wissenschaft verstehen und effektive Maßnahmen gegen Diskriminierung und Benachteiligung entwickeln. Der Blick richtet sich somit weg von pauschalen Vorwürfen hin zu empirisch fundierten Lösungen, die langfristig eine chancengleiche und gerechte akademische Landschaft schaffen können.