Die rasante Entwicklung der Kryptowährungen und die damit verbundenen digitalen Vermögenswerte stellen Regierungen und Finanzbehörden weltweit vor enorme Herausforderungen. Die dezentrale Natur vieler Krypto-Assets und die fehlende Intermediäre haben es bisher erschwert, steuerlich relevante Transaktionen transparent und nachvollziehbar zu machen. Um diesem Umstand entgegenzuwirken und Steuerhinterziehungen wirksam zu bekämpfen, hat die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, kurz OECD, ein neues Steuerberichts-Framework mit dem Namen Crypto-Asset Reporting Framework (CARF) entwickelt. Die offizielle Freigabe und Einführung dieses Rahmenwerks markiert einen bedeutenden Schritt für die Regulierung und Überwachung des internationalen Kryptomarktes mit Fokus auf steuerliche Transparenz und Compliance. Das CARF wurde im August 2022 verabschiedet und zielt darauf ab, eine einheitliche Regelung für die automatische Sammlung und den Austausch von Informationen zu Krypto-Transaktionen zu gewährleisten.
Dabei umfasst der Begriff „Crypto-Asset“ ein breites Spektrum digitaler Vermögenswerte, die dezentral gehalten und transferiert werden können. Dazu zählen nicht nur bekannte Kryptowährungen wie Bitcoin oder Ethereum, sondern ebenso Stablecoins, derivativ ausgestaltete Krypto-Optionen und sogar bestimmte Non-Fungible Tokens (NFTs), die dadurch erstmals in den Kreis steuerlicher Berichtspflichten einbezogen werden. Die OECD erkennt damit die Vielfalt der Krypto-Produkte an und erweitert den Fokus weit über einfache Kryptowährungen hinaus. Ein zentraler Bestandteil des neuen Frameworks ist die Einbeziehung verschiedenster Intermediäre und Dienstleister, die den Handel und Transfer von Krypto-Assets ermöglichen. Dazu gehören nicht nur klassische Krypto-Börsen, sondern auch Vermittler wie Broker oder Betreiber von Krypto-ATMs.
Diese Akteure werden verpflichtet, detaillierte Informationen über Transaktionen und deren Beteiligte zu erfassen und an die zuständigen Steuerbehörden weiterzuleiten. Damit schafft die OECD ein System, das tiefgreifende Einblicke in die weltweiten Bewegungen von digitalen Vermögenswerten ermöglicht und Steuerverwaltungen eine verbesserte Kontrolle bietet. Die Notwendigkeit für ein solches Framework ergab sich aus der Tatsache, dass bisherige Standards wie der Common Reporting Standard (CRS) auf traditionelle Finanzprodukte fokussiert waren und digitale Assets kaum oder gar nicht abdeckten. Das führte dazu, dass Steuerverwaltungen oft keine ausreichende Transparenz darüber hatten, wann Steuerpflichtige in relevante Krypto-Transaktionen involviert sind oder solche Vermögenswerte überhaupt besitzen. Mit der Einführung von CARF wird nun eine Lücke geschlossen und die globale Zusammenarbeit der Finanzbehörden deutlich gestärkt.
Auch wirtschaftliche Hintergründe haben die Entwicklung dieses Reporting-Frameworks stark beeinflusst. Die Marktkapitalisierung der Krypto-Branche erlebte in den letzten Jahren ein explosives Wachstum, das sich von 715 Milliarden US-Dollar Anfang 2021 über fast 3 Billionen US-Dollar im darauf folgenden Jahr steigerte. Trotz des jüngsten Markteinbruchs bleibt die Branche eine bedeutende Größe innerhalb der globalen Finanzwelt und lenkt das Interesse von Regulatoren und Steuerverwaltungen auf sich. Darüber hinaus entspricht der Vorstoß der OECD auch den aktuellen globalen Anforderungen zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung, wie sie vom Financial Action Task Force (FATF) vorgegeben werden. Das CARF verpflichtet Krypto-Unternehmen dazu, sämtliche Transaktionen mit Relevanz für die Besteuerung im entsprechenden Land zu melden, in dem sie tätig sind.
Dies umfasst sowohl den Handel zwischen Krypto-Assets und Fiat-Währungen als auch den Austausch unter verschiedenen Kryptowährungen sowie Transaktionen, die dem Retail-Zahlungsverkehr entsprechen. Dadurch wird ein umfassender Überblick über die Bewegungen von digitalen Vermögenswerten ermöglicht, wobei sowohl individuelle Nutzer als auch institutionelle Investoren in den Meldeprozess einbezogen werden. Ein wesentlicher Aspekt des Frameworks ist die sorgfältige Identifikation und Überprüfung der Kunden, ein Prozess, der an die Due-Diligence-Anforderungen des Common Reporting Standard angelehnt ist. Sowohl natürliche Personen als auch juristische Einheiten und deren Kontrollpersonen müssen ihre Identität offenlegen, um eine korrekte steuerliche Zuordnung sicherzustellen. Interessanterweise wurden indirekte Investments über Derivate oder andere Anlagevehikel ebenfalls in den erweiterten Anwendungsbereich einbezogen, was eine noch umfassendere Datenbasis für Steuerbehörden bedeutet.
Zudem wurden weitere Modifikationen vorgenommen, um neue Formen digitaler Zentralbankwährungen, sogenannte Central Bank Digital Currencies (CBDCs), angemessen in das bestehende steuerliche Rahmenwerk zu integrieren. Anders als Krypto-Assets fallen CBDCs nicht unter das CARF, sondern werden über den bereits etablierten CRS abgewickelt. Somit zeigt sich die OECD äußerst flexibel und differenziert bei der Behandlung verschiedener digitaler Formen von Geld und Vermögenswerten. Die Einführung von CARF ist nicht nur ein bedeutender technischer Fortschritt, sondern auch ein politisches Signal der internationalen Gemeinschaft, den Herausforderungen der digitalen Finanzwelt gemeinsam zu begegnen. Zugleich stieß das neue Reporting-Framework bei der Kryptobranche auf Widerstand, da viele Akteure vor einer übermäßigen Regulierung und damit verbundenen Eingriffen in die Privatsphäre warnten.
Im Mai 2022 äußerte die Branche bei einem OECD-Treffen Kritik an den geplanten Meldepflichten und setzte sich teilweise für weniger strikte Regeln ein. Dennoch bleibt zu erwarten, dass die Umsetzung von CARF in den kommenden Jahren weiter vorangetrieben wird, um eine global einheitliche steuerliche Behandlung von Krypto-Assets sicherzustellen. Der vollständige Rollout des Crypto-Asset Reporting Framework ist mit zahlreichen technischen und rechtlichen Herausforderungen verbunden. Die OECD arbeitet daher bereits an einem umfassenden Implementierungspaket, das die konsistente Anwendung regulativer Vorgaben auf nationaler und internationaler Ebene gewährleisten soll. Diese Harmonisierung ist entscheidend, um Doppelmeldungen, Unklarheiten und regulatorische Arbitrage zu vermeiden.
Für Steuerzahler, Investoren und Unternehmen bedeutet die Einführung des CARF vor allem erhöhte Transparenz, aber auch eine größere Verantwortung hinsichtlich ihrer steuerlichen Pflichten. Die Pflicht zur umfassenden Offenlegung von Krypto-Transaktionen erfordert eine erhöhte Sorgfalt bei der Dokumentation und Meldung inner- wie außerhalb der eigenen Institution. Gleichzeitig können Finanzaufsichtsbehörden und Steuerverwaltungen über das neue Framework effektiver gegen Steuerbetrug vorgehen und ihre Einnahmen sichern. Insgesamt steht mit dem Crypto-Asset Reporting Framework ein bedeutendes Instrument zur Verfügung, das den internationalen Austausch von Finanzinformationen auf eine neue Stufe hebt. Die digitale Transformation der Finanzwelt schreitet unaufhaltsam voran, und damit wächst die Bedeutung einer grenzüberschreitenden, rechtskonformen Steuerberichterstattung.
Die Rolle der OECD als globaler Koordinator in diesem Prozess unterstreicht die Notwendigkeit gemeinsamer Standards und zeigt den Weg zu mehr Transparenz und Rechtssicherheit in einem komplexen und dynamischen Bereich der Finanzwelt. Die kommenden Jahre werden zeigen, wie zügig und effektiv die Umsetzung von CARF in den einzelnen Mitgliedsländern erfolgt und wie die Krypto-Industrie darauf reagiert. Klar ist jedoch, dass mit diesem Rahmenwerk ein Meilenstein gesetzt wurde, der die beste Voraussetzung dafür schafft, Krypto-Assets steuerlich gerecht, nachvollziehbar und regelkonform zu behandeln. Damit ebnet die OECD den Weg für eine nachhaltige Integration von Kryptowährungen in die internationale Wirtschaftsordnung und stärkt die Handlungsfähigkeit von Staaten im digitalen Zeitalter.