In der heutigen schnelllebigen Softwareentwicklung verändert sich die Art und Weise, wie Teams zusammenarbeiten und Code schreiben, grundlegend. Der Begriff „Vibe Coding“ hat sich in diesem Zusammenhang etabliert und beschreibt weniger eine konkrete Methode als vielmehr einen Zustand der Zusammenarbeit, der geprägt ist von Effizienz, gegenseitigem Verständnis und einer auf das Team abgestimmten Arbeitsweise. Dabei spielen neue Technologien wie große Sprachmodelle (Large Language Models, kurz LLMs) eine immer bedeutendere Rolle, sowohl als Unterstützer als auch als Herausforderung für den kollaborativen Entwicklungsprozess. Die Einführung von LLMs in den Entwicklungsprozess gilt als eine der disruptivsten Veränderungen seit der Aufkommen des World Wide Web. Diese Modelle können Code nicht nur generieren, sondern auch analysieren, refaktorieren und Dokumentationen erstellen.
Dennoch zeigen die bisherigen Erfahrungen, dass sie grundlegende Herausforderungen menschlicher Teamarbeit nicht vollständig eliminieren können. Besonders prägnant ist die Erkenntnis, dass das Verstehen von Code für Menschen und auch für KI-Modelle schwieriger bleibt als das Schreiben. Diese Diskrepanz prägt die gesamte Dynamik von Vibe Coding in Teams. Ein wesentliches Anliegen beim Vibe Coding ist der Umgang mit technischem Schulden – dem Code, der die gegenwärtige beste Annahme eines Teams über die zu lösenden Probleme repräsentiert. Jeder Codezeile liegt eine mentale Modellvorstellung zugrunde, die naturgemäß unvollständig und teilweise fehlerhaft ist.
Diese mentale Last muss konstant aktualisiert und angepasst werden, um die Codebasis lebendig und nachvollziehbar zu halten. Gerade hier lässt sich die Parallelität zu LLMs ziehen, deren interne Modelle ebenfalls schwer direkt manipulierbar sind. Das macht die Zusammenarbeit mit KI-gestützter Codierung kompliziert, weil diese Modelle oft an bestehende Vorstellungen und Muster gebunden bleiben. Diese Schwierigkeit zeigt sich besonders bei der Integration von Test-Suites und der Überwindung bestehender Praktiken. Viele Entwicklerteams wissen um den immensen Widerstand, der entsteht, wenn veraltete oder unpassende Testfälle refaktoriert oder gar verworfen werden sollen.
Der Prozess ähnelt dem Versuch, ein Kleinkind von seinem Schnuller zu entwöhnen – zäh, frustrierend und von tief verwurzelten Gewohnheiten geprägt. Für LLMs gilt das Ähnliche: Sobald ein Modell auf einem Altbestand an Code trainiert ist, ist es schwer, es dazu zu bringen, bestehende Paradigmen komplett in Frage zu stellen oder zu überarbeiten. Klassische Maßnahmen wie Argumentation oder gar Belohnungsversprechen zeigen keine Wirkung, da KI-Modelle keine intrinsische Motivation besitzen. Trotzdem kann motivierte menschliche Führung diese Barrieren teilweise adressieren, indem sie radikale, neugierige oder pragmatische Einstellungen in Teams fördert. Ein weiterer Aspekt, der im Vibe Coding zunehmend beobachtet wird, ist das Phänomen von sogenannten NIH-Prinzipien („Not Invented Here“).
Obwohl die aktuelle LLM-Generation hervorragend darin ist, neuen Code zu schreiben, investieren sie selten Mühe darin, bereits vorhandene Funktionen optimal zu nutzen oder zu erweitern. Dies führt zu immer komplexeren, „buschigen“ Codestrukturen, die zwar funktional sind, aber eine Herausforderung für langfristige Wartbarkeit und Teamverständnis darstellen. Diese Diversität reduziert die Möglichkeit, dass einzelne Entwickler als alleinige Wissens-Instanz fungieren – etwas, was auf den ersten Blick positiv scheint, da Einzelkämpfertum ineffizient und riskant ist. Allerdings kann das Fehlen eines kohärenten, gemeinsamen Verständnisses auch Friktionen und Produktivitätsverluste nach sich ziehen. Trotz dieser Schwierigkeiten ergibt sich aus Vibe Coding mit LLM-Unterstützung auch eine Vielzahl an Möglichkeiten.
Teams können Code schneller schreiben und experimentieren, Fehler und Sicherheitslücken früher erkennen sowie die Dokumentation automatisiert verbessern. Hier liegt die Herausforderung vor allem darin, gute Governance-Modelle und Standards zu etablieren, die eine Balance zwischen Flexibilität und Konsistenz schaffen. Die Vielfalt an verwendeten Programmiersprachen, Frameworks und Tools in modernen Umgebungen verschärft diesen Bedarf zusätzlich. Effizientes Vibe Coding bedeutet daher auch, bestimmte Standards gemeinsam zu definieren, um Redundanzen, ineffiziente Wiederholungen und technologische Zersplitterung zu vermeiden. Historisch betrachtet war es in erstklassigen Teams oft eine entscheidende Grundlage, tiefgreifende Expertise in einem klar definierten Technologie-Stack zu besitzen.
Dies erleichterte Produktivität durch wiederkehrende Muster, gemeinsame Werkzeuge und etablierte Best Practices. Im Kontext heutiger LLM-gestützter Coding-Umgebungen wirkt dies fast wie das Gegenteil: Durch die einfache Verfügbarkeit von Codegeneratoren und Assistenzsystemen wird der Aufwand, Code zu schreiben, stark gesenkt. Das kann dazu führen, dass Teams eher geneigt sind, neue Ansätze auszuprobieren, anstatt bewährte Praktiken zu übernehmen oder weiterzuentwickeln. Die Folge sind heterogene Codebasen mit hohem Wildwuchscharakter. Eine kritische Komponente in diesem Gefüge ist das Testen.
Während Testgetriebene Entwicklung (TDD) als menschliche Praxis durchaus ambivalent betrachtet wird, erweist sie sich bei LLMs als Goldstandard. Automatisierte Tests fungieren als objektives Kriterium und ermöglichen eine iterative Verbesserung der Codequalität. Doch wenn jedes Teammitglied individuelle Teststrategien und unterschiedliche Standards verfolgt, werden diese Vorteile zunichtegemacht. Zudem sorgt die Vielzahl an Tests für signifikante Rechen- und Prozesskosten in Pipelines wie GitHub Actions, was langfristig nicht skalierbar ist. Die aktuelle Lage des Vibe Coding lässt sich somit als eine Phase der Suche und des Lernens beschreiben.
Lokale, maßgeschneiderte und oft heterogene Codebasen scheinen unvermeidlich, solange die menschlichen und maschinellen Akteure nicht über Werkzeuge verfügen, die eine tiefere Koordination und Vereinheitlichung fördern. Doch es gibt zugleich das Potenzial, dass LLMs künftig als starke Partner agieren können, um Komplexität zu reduzieren, Refaktorisierung zu unterstützen und eine bessere Übersicht über bestehende Codebasen zu erzielen. Die Rolle der technischen Führungskräfte besteht dabei darin, diese Experimente zu fördern und gleichzeitig klare Qualitäts- und Teamstandards zu etablieren. Das Tempo der Veränderung erzeugt auch Druck auf traditionelle Führungspraktiken. In einer Welt, in der Code schneller entsteht als je zuvor, verändern sich die Anforderungen an Kommunikation, Wissensmanagement und Verantwortlichkeit.
Führungskräfte müssen lernen, agile Strukturen mit der innovativen Kraft von KI zu verbinden, ohne dabei die kulturellen und technischen Grundlagen zu vernachlässigen, die langfristig Stabilität und Wachstum ermöglichen. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Vibe Coding – insbesondere mit Unterstützung von großen Sprachmodellen – die Softwareentwicklung auf mehreren Ebenen umgestaltet. Es fordert Teams heraus, neue Wege der Zusammenarbeit zu finden und alte Paradigmen zu hinterfragen. Gleichzeitig entstehen Chancen für höhere Produktivität und Kreativität. Die Zukunft wird zeigen, wie sich diese Dynamiken weiterentwickeln und welche Instrumente sich als besonders hilfreich erweisen.
Eines bleibt jedoch klar: Die Fähigkeit, Code nicht nur zu schreiben, sondern vor allem zu verstehen, wird auch weiterhin die entscheidende Kompetenz von Teams sein, die erfolgreich und nachhaltig entwickeln wollen.