Die Stadt Jodhpur im Bundesstaat Rajasthan, Indien, steht seit jeher für ihre eindrucksvollen architektonischen Meisterwerke und ihre reiche Kulturgeschichte. Doch jenseits dieser kulturellen Wahrzeichen sieht sich die Region zunehmend mit einer dramatischen Bedrohung konfrontiert: extremer Hitze infolge des Klimawandels. Die Sommer in Nordwestindien, speziell in Jodhpur und Umgebung, zählen bereits jetzt zu den heißesten auf der Welt. Im Jahr 2016 wurde in der nahegelegenen Gemeinde Phalodi sogar die bisher höchste jemals in Indien gemessene Temperatur von 51 Grad Celsius erreicht. Diese Herausforderung nimmt nicht nur jährlich zu, sondern gefährdet besonders vulnerable Bevölkerungsgruppen, die keinen Zugang zu adäquaten Kühlmöglichkeiten haben.
Vor diesem Hintergrund startete Jodhpur im April 2024 ein beispielloses Projekt: die Einführung einer Net-Zero öffentlichen Kühlstation, die als innovatives Modell zur Anpassung an die rasanten Klimaveränderungen gilt. Dieses ambitionierte Vorhaben unterstreicht den zunehmenden Bedarf an kreativen, nachhaltigen Lösungen in urbanen Gebieten, die sich mit Hitzeextremen auseinandersetzen müssen. Eine Net-Zero Kühlstation unterscheidet sich grundlegend von herkömmlichen Klimatisierungsmethoden, da sie komplett energieautark arbeitet und dabei sowohl ökologische als auch soziale Ziele verfolgt. Die stationäre Einrichtung nutzt eine Kombination von erneuerbaren Energien und passiven Kühltechnologien, um die Temperaturen innerhalb der Anlage deutlich zu senken. Besonders bemerkenswert ist die Integration von Solarpaneelen, die nicht nur Strom für die Kühlsysteme liefern, sondern auch für die Beleuchtung und andere notwendige Vorrichtungen sorgen.
Auf diese Weise wird die Abhängigkeit von externem Strom, der in Indien zu einem erheblichen Teil noch aus fossilen Brennstoffen erzeugt wird, drastisch reduziert. Daneben sorgt ein Windturm für eine natürliche Luftzirkulation, der heiße Luft nach außen befördert und kühlere Luft in das Innere der Station zieht. Diese passive Kühlungsmethode ist besonders wartungsarm und umweltfreundlich, da sie keine zusätzliche Energie verbraucht und keine umweltschädlichen Kältemittel benötigt. Ergänzt wird das System durch innovative Nebeldüsen und sogenannte Kühlvorhänge, die die wahrgenommene Temperatur weiter senken und für einen angenehmen Aufenthalt sorgen. Neben den technischen Innovationen wurde bei der Planung der Kühlstation in Jodhpur besonderes Augenmerk auf die Bedürfnisse der Menschen gelegt, die vor allem Schutz suchen: in erster Linie Menschen aus benachteiligten Gesellschaftsschichten, Arbeitende im informellen Sektor, ältere Menschen und all jene, die keinen Zugang zu privater Klimatisierung haben.
Die Anlage bietet komfortable Sitzgelegenheiten für etwa 40 Personen, eine transparente Fassade für Sicherheit und Verbindung zur Umgebung, und stellt kostenfreies Trinkwasser sowie Notfallausstattung wie Erste-Hilfe-Kits und orale Rehydratationslösungen (ORS) bereit. Diese ganzheitliche Herangehensweise unterstreicht den humanitären Anspruch des Projekts und stellt Gesundheitsschutz unter extreme Klimabedingungen in den Mittelpunkt. Die Initiatoren verweisen darauf, dass die Kühlstation durch ein datenbasiertes System zur Ermittlung der hitzeanfälligsten Stadtviertel errichtet wurde. Die zuständigen Behörden und Organisationen nutzten eine detaillierte räumliche Vulnerabilitätsanalyse, die innerhalb des städtischen Heat Action Plan (HAP) entwickelt wurde, um die richtige Lage für das Pilotprojekt zu bestimmen. Hierdurch stellte man sicher, dass besonders betroffene Bevölkerungsgruppen gezielt erreicht werden.
Die Zusammenarbeit zwischen Organisationen wie der Mahila Housing Trust (MHT), dem Jodhpur Nagar Nigam North (JNNN) und der Natural Resources Defense Council (NRDC) sorgte für eine multi-disziplinäre Herangehensweise und breite Expertise bei Planung und Umsetzung. Das Projekt setzt ein starkes Zeichen, wie öffentlich-private Partnerschaften in Schwellenländern innovative Klimaanpassungen vorantreiben können. Erste Beobachtungen und Messungen haben bereits gezeigt, dass das Innere der Kühlstation die Umgebungstemperaturen während der heißesten Tageszeiten um durchschnittlich acht Grad Celsius unterschreitet. Besonders zur Nachmittagszeit, wenn die Temperaturen draußen am höchsten sind, konnte sogar eine Differenz von bis zu zwölf Grad Celsius festgestellt werden. Dieses Ergebnis ist nicht nur wissenschaftlich relevant, sondern auch von großer Bedeutung für die praktische Nutzung: Es bedeutet, dass Bewohner in hitzegefährdeten Vierteln während extremer Hitzeperioden effektiv Erleichterung erfahren können.
Die Akzeptanz und Nutzung durch die Bevölkerung ist bereits jetzt ein positives Signal. Ein Marketing-Executive aus Jodhpur berichtete, dass er die Kühlstation regelmäßig als Ruheort während seiner Arbeitspausen aufsucht, da dort Wasser, Schatten und angenehme Luft zur Verfügung stehen. Die Idee, dieses Angebot auf weitere Stadtgebiete auszuweiten, stößt in der Bevölkerung auf großen Zuspruch. Im Mai 2024 organisierte das Jodhpur Nagar Nigam North eine Stakeholder-Konsultation zum Heat Action Plan, bei der Vertreter von mehr als zwanzig lokalen Regierungsstellen zusammenkamen. Ziel dieser Veranstaltung war es, die bisherigen Maßnahmen zu bewerten, darunter Kühlstationen, Frühwarnsysteme, Wasserversorgung, urbane Begrünung und passive Kühltechniken.
Die breite Beteiligung verschiedener Departements wie Gesundheit, Arbeit, Verkehr und Bildung spiegelt das hohe Bewusstsein und Engagement der Stadtverwaltung wider. Darüber hinaus wurde der Wunsch geäußert, weitere Kühlstationen in zentralen Bereichen wie dem Hauptmarkt von Jodhpur zu installieren, um die Resilienz der Stadtgemeinschaft gegenüber zunehmenden Hitzeperioden zu erhöhen. Das Jodhpur-Projekt weist exemplarischen Charakter für andere Städte in Indien und weltweit auf, denn immer mehr städtische Ballungsräume sehen sich mit dem Problem von urbanem Hitzeinseleffekt, extremer Sommerhitze und gesundheitlichen Risiken konfrontiert. Die Kombination von erneuerbaren Energien, passiven Kühltechnologien und sozialer Eingliederung bietet eine Blaupause, die auch auf andere wärmegeplagte Regionen transferiert werden kann. In anderen Ländern werden bereits öffentliche Einrichtungen wie Bibliotheken, Gemeindezentren oder Kirchen temporär als kühle Zufluchtsorte bei Hitzeperioden genutzt.
Jodhpurs Kühlstation zeigt jedoch, wie durch gezielte Investitionen und urbane Planung dauerhafte und nachhaltige Lösungen geschaffen werden können, die energieeffizient und gemeindebezogen arbeiten. Der Ausbau solcher Infrastruktur ist auch ein wichtiger Beitrag zur Umsetzung internationaler Klimaabkommen und zur Erreichung von Sustainable Development Goals der Vereinten Nationen, besonders bei Themen wie Gesundheit, Wohlbefinden und Klimaschutz. Für viele Menschen in Indien ist die Verfügbarkeit von Kühlung keine Frage des Komforts, sondern von Überleben. Hitze kann lebensbedrohlich sein, besonders für Ältere, Kleinkinder, chronisch Kranke und Menschen ohne schattige oder gekühlte Aufenthaltsorte. Projektpartner betonen die Notwendigkeit weiterer Investitionen und politischer Unterstützung, um die Reichweite solcher Kühlstationen auszuweiten und so lebensrettende Infrastruktur auch in anderen Städten und ländlichen Gegenden zu etablieren.
Die Jodhpur-Initiative liefert außerdem wertvolle Erkenntnisse für die Integration erneuerbarer Energien und innovativer Architektur bei der Stadtplanung in heißen Klimazonen. Die Kombination von Sonne, Wind und effektiven Dämm- und Kühlungstechnologien zeigt nachhaltige Wege auf, die Abhängigkeit von klimaschädlichen Stromquellen zu reduzieren. Parallel dazu spielen Maßnahmen wie die Begrünung urbaner Räume, die Förderung von Dachbegrünungen und die Anpassung von Gebäuden an heiße Umweltbedingungen eine wichtige Rolle. Dieses umfassende Konzept stärkt die Widerstandsfähigkeit von Städten in Zeiten zunehmender Klimaerwärmung. Abschließend ist die Einführung der Net-Zero Kühlstation in Jodhpur ein wegweisendes Beispiel für zukunftsorientiertes Handeln gegen die Herausforderungen des Klimawandels.
Sie zeigt, dass technologische Innovationen, ökologische Nachhaltigkeit und soziale Gerechtigkeit miteinander kombiniert werden können, um unmittelbaren Schutz vor extremen Wetterereignissen zu bieten. Mit Blick auf die nahende heiße Jahreszeit werden weitere Kühlstationen in der Stadt geplant, um möglichst viele Menschen zu erreichen und das öffentliche Gesundheitsrisiko zu reduzieren. Jodhpur macht damit nicht nur einen wichtigen Schritt im lokalen Hitzeschutz, sondern gibt eine richtungsweisende Anregung für Städte weltweit, die sich mit den Folgen des Klimawandels auseinandersetzen müssen. Die Vision einer klimaresilienten, nachhaltigen und sozial inklusive Stadt rückt damit greifbar näher.