Sonnenschutz ist ein wesentlicher Bestandteil unseres Alltags geworden, besonders in der heißen Jahreszeit oder bei Aktivitäten im Freien. Der Schutz vor den schädlichen ultravioletten (UV)-Strahlen der Sonne ist wichtig, um Hautkrebs und vorzeitige Hautalterung zu verhindern. Jedoch wirft eine Studie aus dem Jahr 2016, die auf dem Kongress der Endocrine Society in Boston vorgestellt wurde, neue Fragen zur Unbedenklichkeit bestimmter in Sonnenschutzmitteln enthaltener chemischer UV-Filter auf. Die Forschungen legen nahe, dass diese Substanzen nicht nur die Haut schützen, sondern auch potenziell die männliche Fruchtbarkeit beeinträchtigen können. Dies nimmt insbesondere vor dem Hintergrund der steigenden Zahl unerklärter Unfruchtbarkeitsfälle einen großen Stellenwert ein.
Die Ergebnisse stammen aus einer Untersuchung dänischer Wissenschaftler rund um den renommierten Endokrinologen Professor Niels Skakkebaek von der Universität Kopenhagen. Die Forscher analysierten 29 der 31 in der Europäischen Union und den USA zugelassenen UV-Filter in Bezug auf ihre Wirkung auf lebende menschliche Spermien. Hierbei lag das Hauptaugenmerk auf der Beeinflussung der Calciumionenkonzentration, einem entscheidenden Signalmechanismus für die Spermienfunktion und damit für die männliche Fertilität. Calciumionen aktivieren den Calciumspezifischen Kanal CatSper, der ausschließlich in menschlichen Spermien vorkommt. Über diesen Kanal wird die Wirkung des Hormons Progesteron vermittelt, das essenziell für die Beweglichkeit der Spermien und deren Fähigkeit, eine Eizelle zu befruchten, ist.
Die Studie zeigte auf, dass 13 der getesteten UV-Filter bedeutende Calciumionen-Einstromwirkungen in den Spermien auslösen und dabei teilweise den Progesteronmechanismus imitieren konnten. Dies bedeutet, dass diese Substanzen als endokrine Disruptoren wirken und somit hormonähnliche Effekte entfalten können. Besonders besorgniserregend war, dass diese Beeinträchtigung bereits bei sehr niedrigen Konzentrationen erkennbar war, die unterhalb der Werte liegen, wie sie nach der Anwendung von Sonnenschutzmitteln am ganzen Körper im Menschen nachweisbar sind. Acht der problematischen UV-Filter sind in den USA zugelassen und befinden sich häufig in diversen Sonnenschutzprodukten, Make-Up, Lippenpflege und Feuchtigkeitscremes. Zu ihnen gehören unter anderem Avobenzon, Homosalat, Octinoxat, Oxybenzon und Octocrylen.
Diese Ergebnisse werfen ein ganz neues Licht auf die mögliche Rolle von Umweltchemikalien und Alltagsprodukten bei der zunehmenden Prävalenz von unerklärter männlicher Unfruchtbarkeit. Die Aufnahme der UV-Filter über die Haut und ihr Nachweis in Blut- und Urinproben bestätigt zudem, dass diese Substanzen nicht harmlos bleiben, sondern in den Organismus gelangen und dort potenzielle negative Effekte auslösen können. Unter den wichtigsten Folgen einer Störung der Calciumionen-Signalisierung in Spermien sind beeinträchtigte Beweglichkeit, reduzierte Reaktionsfähigkeit auf hormonelle Signale und letztlich eine verminderte Fähigkeit zur Befruchtung der Eizelle zu nennen. Obwohl die Studie besonders die In-vitro-Wirkungen von UV-Filtern an Spermien betonte, forderten die Wissenschaftler weitere klinische Studien, um den tatsächlichen Einfluss auf die Fertilität beim Menschen zu ermitteln. Dies betrifft sowohl die Langzeitexposition als auch die Wechselwirkungen mit anderen Umweltfaktoren.
Vor dem Hintergrund dieser Erkenntnisse forderte Professor Skakkebaek auch eine Überprüfung der Zulassungsprozesse durch Regulierungsbehörden. Die aktuelle Praxis berücksichtigt offenbar nicht ausreichend die möglichen reproduktionsbiologischen Risiken durch chemische UV-Filter. Verbraucher sollten deshalb kritisch prüfen, welche Sonnencremes sie verwenden. Mineralische Sonnenschutzmittel auf Basis von Titandioxid oder Zinkoxid könnten eine wirkungsvolle und sicherere Alternative darstellen, da diese physikalischen Filter keine nachgewiesene schädliche Wirkung auf das Hormonsystem haben. Zudem kann ein bewusster Umgang mit Sonnenschutz, wie das Tragen von Schutzkleidung und das Meiden der intensivsten Sonnenstunden, das Risiko schädlicher UV-Wirkungen verringern ohne der potenziellen Belastung durch chemische Filter die Tür zu öffnen.
Die Diskussion um die Sicherheit von Sonnenschutzmitteln erhält durch diese Studien neue Dringlichkeit. Die Balance zwischen effektivem Schutz vor UV-Strahlen und dem Erhalt der reproduktiven Gesundheit ist ein komplexes, aber wichtiges Ziel für Forschung, Politik und Industrie. Insgesamt verdeutlichen diese Forschungsergebnisse, dass Umweltchemikalien in Alltagsprodukten weitreichendere Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit haben können als bisher angenommen. Die männliche Fertilität, die durch viele Faktoren beeinflusst wird, sollte in diesem Zusammenhang stärker in den Fokus rücken. Neben der medizinischen Bedeutung sind auch gesellschaftliche Aspekte zu berücksichtigen, denn Fruchtbarkeitsprobleme betreffen nicht nur individuelle Paare, sondern haben langfristig Auswirkungen auf Bevölkerungsentwicklung und Gesundheitswesen.