Die Bildungslandschaft befindet sich im Wandel – angetrieben von rasant fortschreitenden Entwicklungen im Bereich der Künstlichen Intelligenz (KI). Ein Symbol für diesen Wandel ist das Online-Bildungsunternehmen Chegg, das kürzlich angekündigt hat, rund 22 % seiner Belegschaft zu entlassen. Dieser Schritt unterstreicht die tiefgreifenden Veränderungen, die die EdTech-Branche derzeit durchläuft, und verdeutlicht die Herausforderungen, vor denen traditionelle Plattformen durch neue KI-gesteuerte Werkzeuge stehen. Chegg, bekannt für seine Online-Dienste im Bildungsbereich wie Lehrbuchverleih, Hausaufgabenhilfe und Online-Tutoring, kämpft seit Monaten mit rückläufigen Nutzerzahlen und schrumpfenden Einnahmen. Im ersten Quartal 2025 verzeichnete das Unternehmen einen Rückgang der Abonnentenzahl um 31 % auf 3,2 Millionen Nutzer, was sich unmittelbar auf den Umsatz auswirkte, der um 30 % auf 121 Millionen US-Dollar sank.
Besonders deutlich fiel dabei der Rückgang der Einnahmen aus Abonnementdiensten aus, die um nahezu ein Drittel auf 108 Millionen US-Dollar zurückgingen. Dieser Einbruch wird maßgeblich durch die steigende Beliebtheit von KI-basierten Lernwerkzeugen wie ChatGPT und anderen ähnlichen Plattformen verursacht. Immer mehr Studierende wenden sich von klassischen EdTech-Anbietern ab und nutzen KI-gestützte Tools, die individualisierte Unterstützung, schnelleren Zugriff auf Informationen und innovative Lernmöglichkeiten bieten. Die zunehmende Verbreitung und Verbesserung von KI-Software verändert somit nicht nur die Erwartungen der Lernenden, sondern auch die wirtschaftlichen und betrieblichen Grundlagen der Branche. Eine weitere Herausforderung für Chegg ist der Einfluss großer Technologiekonzerne wie Google.
Durch den Ausbau von KI-Integration, beispielsweise über das Gemini AI-Plattformprojekt, gelingt es Google, Informationen und Nutzer innerhalb seines eigenen Ökosystems zu halten. Dies führt dazu, dass viele Suchanfragen und damit verbundene Bildungsinhalte zunehmend auf Google-Plattformen konsumiert werden und die ursprünglichen Inhalte und Dienste von Drittanbietern wie Chegg an Sichtbarkeit und Zugriff verlieren. Diese Entwicklung wurde für Chegg so gravierend, dass das Unternehmen im Februar 2025 rechtliche Schritte gegen Google eingeleitet hat. Chegg wirft Google vor, durch die automatisierte Erstellung von KI-generierten Inhaltsübersichten die Nachfrage nach originalen Bildungsinhalten zu untergraben und somit die Wettbewerbsfähigkeit von Herausgebern und Plattformen wie Chegg zu schwächen. Die Entscheidung von Chegg, knapp ein Viertel der Belegschaft zu entlassen, spiegelt somit nicht nur eine Kostenkontrollmaßnahme wider, sondern ist auch Ausdruck einer umfassenden strategischen Neuausrichtung.
Neben der Reduzierung der Belegschaft plant das Unternehmen, seine Büros in den USA und Kanada bis Ende 2025 zu schließen. Darüber hinaus werden Marketingbudgets, Produktentwicklung und Verwaltungsausgaben deutlich gesenkt, um die Betriebskosten nachhaltig zu reduzieren und langfristig wettbewerbsfähiger zu bleiben. Für das laufende Jahr erwartet Chegg Einsparungen im Bereich von 45 bis 55 Millionen US-Dollar, die sich im kommenden Jahr auf 100 bis 110 Millionen US-Dollar erhöhen sollen. Diese finanziellen Vorteile sind notwendig, um die negativen Auswirkungen der sinkenden Einnahmen auszugleichen und gleichzeitig die Grundlagen für eine mögliche zukünftige Stabilisierung und Innovation zu schaffen. Die Personalentscheidung bei Chegg bildet dabei nur eine Facette eines breit angelegten Umbruchs in der EdTech-Branche.
Die steigende Integration von KI-Technologien verändert nicht nur die Art und Weise, wie Lerninhalte vermittelt werden, sondern stellt auch bestehende Geschäftsmodelle und Nutzererwartungen infrage. KI-gestützte Plattformen können automatisch individuelle Lernpläne erstellen, Fragen in Echtzeit beantworten und personalisierte Lernressourcen bereitstellen, was viele herkömmliche Online-Lernangebote überflüssig macht. Vor diesem Hintergrund sind Unternehmen aus dem EdTech-Bereich gefordert, ihre eigenen Strategien grundlegend zu überdenken. Investitionen in KI-Forschung und die Entwicklung innovativer, KI-unterstützter Lernformen gewinnen stark an Bedeutung. Nur so lassen sich zukünftig relevante Marktanteile sichern und Nutzern echte Mehrwerte bieten.
Gleichzeitig müssen Anbieter den Balanceakt zwischen technologischer Innovation und ethischen Bildungszielen meistern, etwa im Hinblick auf das Urheberrecht, den Datenschutz und die Qualität der vermittelten Inhalte. Cheggs Situation verdeutlicht darüber hinaus, wie wichtig es für Unternehmen in der digitalen Bildungswelt ist, sich schnell und flexibel an disruptive Technologietrends anzupassen. Langfristiger Erfolg wird zunehmend durch die Fähigkeit bestimmt, technologische Fortschritte effektiv zu integrieren und gleichzeitig die Bedürfnisse einer sich wandelnden Lernerschaft zu adressieren. Für die Nutzer im Bildungssektor bedeutet die zunehmende Nutzung von KI-Tools sowohl Chancen als auch Herausforderungen. Einerseits ermöglichen diese Werkzeuge ein personalisiertes, orts- und zeitunabhängiges Lernen in einem Umfang, der früher undenkbar war.
Andererseits werfen sie Fragen zu Transparenz, Qualitätssicherung und der Rolle von Lehrkräften in einer zunehmend automatisierten Bildungswelt auf. Insgesamt steht die EdTech-Branche an einem Wendepunkt. Die Entwicklungen bei Chegg sind ein deutliches Zeichen für den Druck, der auf traditionellen Bildungsanbietern lastet. Unternehmen müssen Wege finden, KI als Chance zu begreifen und innovative Konzepte zur Ergänzung und Verbesserung ihrer Dienstleistungen zu entwickeln. Gleichzeitig wird es zunehmend entscheidend sein, Partnerschaften zwischen Technologieanbietern, Bildungseinrichtungen und politischen Akteuren zu fördern, um die Rahmenbedingungen für eine nachhaltige und faire Nutzung von KI im Bildungswesen zu schaffen.
Die Entlassungswelle bei Chegg ist somit nicht nur eine wirtschaftliche Reaktion auf den technologischen Wandel, sondern auch ein Indikator für die tiefgreifenden Umstrukturierungen, die die Bildungsbranche prägen. Die kommenden Jahre werden zeigen, wie sich die Balance zwischen Innovation und Bewahrung pädagogischer Werte gestalten lässt und wie neue Technologien genutzt werden können, um das Lernen für kommende Generationen noch effektiver und zugänglicher zu machen.