Im 19. Jahrhundert erlebte Neuseeland nicht nur einen Goldrausch auf der Südinsel, sondern auch eine ganz eigene Art von Schatzsuche auf der Nordinsel. Während Goldgräber im Süden nach wertvollem Edelmetall suchten, richteten sich die Augen vieler nach Norden, wo sich eine einzigartige natürliche Ressource verbarg: das Kauri-Gummi. Diese fossile Harzsubstanz stammt von den Kauri-Bäumen (Agathis australis), einer uralten Nadelbaumart, die nur im nördlichen Teil der Nordinsel wächst. Das Gummi wurde zu einem begehrten Rohstoff für die Herstellung von Lacken, Farben und Linoleum, wobei sein Glanz und die Farbe stark an Gold erinnerten und somit auch als „Gold des Nordens“ bezeichnet wurden.
Die Kauri-Bäume sind keine gewöhnlichen Nadelbäume. Sie bevorzugen ein eng begrenztes geografisches Areal nördlich des 38. Südgrads, denn in der letzten Eiszeit wurden ihre Bestände durch Gletscher bis weit in den Norden verdrängt. Mit dem Rückzug des Eises konnten sich die Kauris langsam wieder ausbreiten. Einige der ältesten und größten Exemplare werden heute als besondere Naturdenkmäler betrachtet, darunter „Tāne Mahuta“, der größte lebende Kauri-Baum, der auf tausend Jahre und älter geschätzt wird.
Die wirtschaftliche Bedeutung des Kauri-Gummis begann, als die Harzsubstanz, die aus dem Baum austrat und an der Luft aushärtete, einen begehrten Rohstoff für die internationale Industrie wurde. Das Harz fiel natürlicherweise ab oder wurde aus der Erde geborgen, wo es nach Jahrhunderten vergraben lag. Die Māori nannten das Harz „kapia“ und nutzten es lange vor der Ankunft europäischer Siedler für verschiedene Zwecke, darunter als Kaugummi, als Medizin und für traditionelle Tätowierfarben. Der kommerzielle Boom begann ernsthaft in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts mit der steigenden Nachfrage in Europa und Amerika.
Zunächst sammelten die Menschen das Harz von der Erdoberfläche, doch bald mussten sie in den Boden graben, weil die oberflächlichen Bestände schnell erschöpft waren. Die Arbeit der Kauri-Gummi-Gräber war hart, schmutzig und oft gefährlich. Mit langen Eisenstangen suchten die Gräber tief in Sümpfen und Wäldern nach vergrabenen Kaugummimengen, die mehrere Meter unter der Erde zu finden sein konnten. Die Kauri-Gummi-Industrie zog viele verschiedene Bevölkerungsgruppen an, einschließlich Māori, europäische Siedler und vor allem Dalmatiner aus dem heutigen Kroatien, die alle ihr Glück in dieser rauen, aber potenziell lukrativen Branche suchten. Die Lebensbedingungen in den sogenannten Gum-Digger-Camps waren spärlich und herausfordernd; einfache Hütten, Schlamm und Isolation gehörten zum Alltag.
Die wichtigsten Zentren des Handels entstanden in Orten wie Dargaville, Kaitaia und Kaikohe, die sich um den Handel mit dem Harz schnell zu kleinen städtischen Knotenpunkten entwickelten. Die Entwicklung der Kauri-Gummi-Förderung war eng mit der europäischen Kolonisierung verbunden. Sie bot vielen Menschen im dünn besiedelten Norden Neuseelands eine Einkommensquelle und trug zur wirtschaftlichen Entwicklung der Region bei. Im Verlauf eines Jahrhunderts wurden über 450.000 Tonnen Kauri-Gummi ausgegraben und exportiert, was einen Wert von etwa 25 Millionen Pfund erreichte.
Die damit verbundene Industrie förderte nicht nur Arbeitsplätze, sondern auch Infrastruktur und Communities. Die starke Nachfrage führte allerdings auch zu massiven ökologischen Eingriffen, die bis heute spürbar sind. Um mehr Harz zu gewinnen, wurden Sümpfe entwässert, Kauri-Wälder gerodet und die Wurzeln der Bäume ausgegraben. Man begann sogar, lebende Bäume anzuzapfen, indem man die Rinde abschnitt, um das Harzfluss zu erzwingen. Diese Praxis namens „bleeding“ schadete den Bäumen nachhaltig und führte vielfach zu deren Tod.
Daraufhin verbot die neuseeländische Regierung ab 1905 das Anzapfen in Staatswäldern, um den immer knapper werdenden Baumbestand zu schützen. Im 20. Jahrhundert begann der langsame Niedergang der Kauri-Gummi-Industrie. Die Einführung preiswerter und industriell leichter handhabbarer synthetischer Lacke und Bodenbeläge setzte dem traditionellen Harz stark zu. Alkyd-Lacke und Vinyl ersetzten die früher üblichen Produkte auf Kauri-Basis.
Gleichzeitig waren die besten und meist zugänglichen Gumfields bereits ausgebeutet, und die Kosten sowie Mühen beim Bergbau stiegen deutlich an. Die Kauri-Gummi-Ära in Neuseeland ging daher in den 1930er bis 1950er Jahren zu Ende. Heute ist das Kauri-Gummi eine seltene und wertvolle Kostbarkeit, die man manchmal in Antiquitätenläden oder Sammlermärkten findet. Die polierten Harzstücke sind geschätzte Schmuckstücke, die Geschichte und Natur in sich tragen. Der Kauri-Baum selbst steht mittlerweile unter besonderem Schutz, nachdem der massive Holzeinschlag und die Rodungen des 19.
und frühen 20. Jahrhunderts große Schäden angerichtet hatten. Ab den 1950er Jahren wurden zunehmend Schutzgebiete eingerichtet, wie das Waipoua-Waldreservat, in dem einzelne Kauri-Bäume wie Tāne Mahuta und Te Matua Ngahere, der zweitgrößte lebende Kauri, bewahrt werden. Das ökologische Bewusstsein wurde größer, und die Kauriwälder gelten heute als besonders wertvoll für die Erhaltung der Biodiversität Neuseelands. Umweltbedrohungen bestehen dennoch weiterhin.
Der Kauri-Baum wird heute besonders durch die Kauri-Dieback-Krankheit gefährdet, die durch den Bodenpilz Phytophthora agathidicida ausgelöst wird. Diese Krankheit infiziert die Wurzeln der Bäume und führt zum allmählichen Absterben. Da sich die Krankheit über Bodenpartikel verbreitet, sind Besucher und Forstarbeiter angehalten, ihre Schuhe und Geräte zu desinfizieren, um eine weitere Ausbreitung zu vermeiden. Wanderrouten werden vorsorglich geschlossen oder umgeleitet, um die noch gesunden Bäume zu schützen. Die Kauri-Gummi-Gräber und die Industrie, die sie hervorgebracht haben, sind heute ein faszinierendes Bindeglied zwischen Natur, Kultur und Geschichte Neuseelands.
Neben der ökonomischen Bedeutung haben die Kauri und ihr Harz für die Māori auch spirituelle und kulturelle Bedeutung, die tief verwurzelt in der neuseeländischen Identität ist. Das Bewahren der Kauriwälder ist somit nicht nur eine ökologische Verantwortung, sondern auch ein Erbe, das es zu bewahren gilt. Die Geschichte der Kauri-Gummi-Gräber steht exemplarisch für viele historische Rohstoff-Booms weltweit: Sie vereint wirtschaftliche Hoffnungen, harte Lebensbedingungen, Umweltfolgen und schließlich die Notwendigkeit eines nachhaltigen Umgangs mit natürlichen Ressourcen. Für Besucher Neuseelands bieten die noch erhaltenen Kauri-Wälder und Museen eine einzigartige Gelegenheit, mehr über diesen ursprünglichen und oftmals vergessenen Teil der neuseeländischen Geschichte zu erfahren.