Der US-Immobilienmarkt befindet sich in einem fundamentalen Wandel. Laut einem aktuellen Bericht von Redfin gibt es gegenwärtig rund 1,9 Millionen Verkäufer auf dem Markt, allerdings lediglich etwa 1,5 Millionen potenzielle Käufer. Dies bedeutet, dass Verkäufer die Käufer um eine Rekordzahl von fast 500.000 übersteigen – ein Ungleichgewicht, das in den Aufzeichnungen seit 2013 beispiellos ist. Diese Verschiebung stellt den Markt vor die Herausforderung, die bisherige Dynamik von steigenden Preisen und knappen Ressourcen neu zu definieren und eröffnet sowohl Chancen als auch Risiken für alle Marktteilnehmer.
Doch wie genau kommt es zu dieser Entwicklung, welche regionalen Unterschiede zeigen sich und was bedeutet das für die Preise in den kommenden Monaten und Jahren? Diese Fragen sind zentral, um den Status quo und die Zukunft des US-Immobilienmarktes besser einordnen zu können. Die Ursachen für das Überangebot an Immobilien liegen vor allem in mehreren makroökonomischen und marktinternen Faktoren begründet. Eine der Hauptmotivationen, warum so viele Verkäufer gleichzeitig auf den Markt drängen, liegt im sogenannten „Mortgage Rate Lock-In“ Effekt. Während der Pandemie erreichten Hypothekenzinsen historische Tiefstände, was viele Hausbesitzer dazu veranlasste, zu sehr günstigen Bedingungen zu kaufen oder Refinanzierungen vorzunehmen. Dieses Zinsniveau ermöglichte günstige monatliche Belastungen, die heute bei deutlich gestiegenen Hypothekenzinsen von durchschnittlich über 6,7 Prozent kaum mehr erreicht werden können.
Für Besitzer mit diesen Verträgen bedeutet ein Umzug oder Verkauf den Verlust der niedrigen Zinsebene, was ein wichtiger Hemmschuh bislang war. Nun scheint der Druck zu wachsen, das Haus trotz höherer Finanzierungs- oder Erwerbskosten zu verkaufen, insbesondere durch Veränderungen im Berufsleben wie Jobwechsel oder Home-Office-Rückkehr, aber auch durch Ereignisse wie Scheidung oder familiäre Umstände. Somit erhöht sich das Angebot an zum Verkauf stehenden Immobilien deutlich. Der andere Faktor betrifft die Kauflust potenzieller Eigenheimbesitzer. Käufer werden durch die hohen Preise und steigenden Zinsen massiv gebremst.
Während das Median-Hauspreisniveau mit rund 431.000 US-Dollar zwar nur noch moderat jährlich um 1,6 Prozent steigt, sind die effektiven monatlichen Belastungen auf einem Rekordhoch. Das drückt die Kaufkraft vor allem junger Familien und Erstkäufer, die vor einer solchen Finanzierungshürde kapitulieren oder erst gar nicht aktiv werden. Hinzu kommt eine allgemeine wirtschaftliche Unsicherheit mit Einflussfaktoren wie Handelsstreitigkeiten, mögliche Rezessionsängste und Arbeitsplatzunsicherheit, die weitere Unsicherheit schüren und große Investitionen in Immobilien unattraktiv machen. Die Folgen dieses Ungleichgewichts zwischen Verkäufern und Käufern sind klar erkennbar: Es entsteht ein Käufermarkt, in dem das geistige Gleichgewicht hin zu den Nachfragenden kippt.
Die starke Überzahl an Angeboten führt dazu, dass Verkäufer sich bemühen müssen, um die Aufmerksamkeit der Käuferschaft zu gewinnen. Ein Trend zu längeren Verweilzeiten der Immobilien auf dem Markt ist bereits spürbar – über 40 Prozent der angebotenen Wohnungen und Häuser sind inzwischen länger als 60 Tage gelistet, ein Wert, der seit Beginn der Pandemie nicht erreicht wurde. Gleichzeitig sehen Verkäufe weniger Interessenten bei Besichtigungen, was den Druck auf Verkäufer erhöht, ihre Preisvorstellungen anzupassen und unter Umständen auch in bessere Zustandserhaltungen und Renovierungen zu investieren. Regionale Unterschiede prägen die Dynamik erheblich. Vor allem in sogenannten Sonnengürtelstaaten wie Florida und Texas sind die Verkaufszahlen im Vergleich zur Käuferschaft dramatisch höher.
Städte wie Miami, West Palm Beach oder Fort Lauderdale weisen Seller-to-Buyer-Verhältnisse von teilweise mehr als 180 Prozent auf und zählen somit zu den stärksten Käufermärkten. In diesen Ballungsräumen sind viele Einwohner im Zuge der Pandemie zugezogen, was die Nachfrage und den Bau von Immobilien vorangetrieben hat. Nun, da sich die Marktbedingungen ändern, gibt es hier deutlich mehr Häuser zu verkaufen als Käufer, was die Preise bereits spürbar sinken lässt oder stagnieren lässt. Austin und Jacksonville beispielsweise zeigen Rückgänge bei den Medianpreisen von 3,0 und 3,4 Prozent im Jahresvergleich, was die Trendwende markiert. Dem gegenüber stehen ausgewählte Ballungszentren wie Newark oder Nassau County in New York, wo Verkäufer deutlich seltener sind als Käufer.
Diese Märkte gelten weiterhin als Verkäufermärkte, wo Hausbesitzer ihre Immobilien zu steigenden Preisen veräußern können. Ein ganz besonderer Bereich im Immobiliensegment erlebt eine noch stärkere Verschiebung. Der Condo-Markt, also Eigentumswohnungen, zeigt eine Überzahl von über 80 Prozent mehr Verkäufern als Käufern. Dies ist zudem von steigenden Hausgeld- und Versicherungsbeiträgen geprägt, die viele Kondominiumseigentümer dazu bewegen, abzustoßen. Florida ist hier der prominenteste Schauplatz.
Die Preisentwicklung innerhalb dieses Segments fällt deutlich abweichend aus: Während Einfamilienhäuser moderat im Preis steigen oder stagnieren, kämpfen Eigentumswohnungen mit minimalen Preissteigerungen oder teils herben Einbußen. Ein Blick in die Geschichte zeigt, dass eine solche Verschiebung im Verhältnis von Verkäufern zu Käufern oft eine Vorbedeutung für fallende Immobilienpreise ist. Vergleichbare Situationen gab es zum Beispiel 2018, als die Hypothekenzinsen erstmals nach Jahren wieder deutlich anstiegen. Damals wurde ein geringeres, aber auch spürbares Überangebot an Häusern registriert und die Wachstumsraten bei Hauspreisen sanken signifikant. Heute ist das Ungleichgewicht noch ausgeprägter, die Preise steigen kaum noch, der Markt pegelt sich auf ein neues, niedrigeres Niveau ein.
Redfin prognostiziert daher einen Preisrückgang um etwa 1 Prozent bis Ende 2025. Für Verkäufer bedeutet die aktuelle Marktlage, ihre Erwartungen anzupassen und schnell zu handeln. Wer bereits dabei ist, sein Haus anzubieten und dieses länger als einen Monat oder länger unverkauft gelistet hat, sollte über eine Preisanpassung oder Renovierungsmaßnahmen nachdenken, da die Konkurrenz groß ist und das Angebot im Volumen weiter zunimmt. Je länger eine Immobilie am Markt ist, desto mehr sinkt die Wahrscheinlichkeit eines Verkaufes zum Ursprungspreis. Außerdem steigt die Verhandlungsstärke der Käufer, was Konzessionen oder Preisnachlässe wahrscheinlicher macht.
Für Käufer bietet der Markt günstigere Verhandlungspositionen, wenngleich viele aufgrund hoher Finanzierungskosten oder der wirtschaftlichen Unsicherheiten weiterhin eher zurückhaltend agieren. Für jene, die jedoch investieren wollen, besteht die Chance, Immobilien günstiger zu erwerben und durch zunehmende Bautätigkeit sowie zukünftige Zinsstabilität von längerfristigen Vermögenszuwächsen zu profitieren. Auch wenn viele Haushalte weiterhin vom Markt ausgeschlossen bleiben, wachsen mit dieser Entwicklung die Perspektiven für kaufwillige Einwohner in besonders attraktiven Regionen. Insgesamt spiegelt das derzeitige Verhältnis von fast 500.000 mehr Immobilieneigentümern, die ihre Häuser verkaufen wollen, als solchen, die kaufen wollen, eine grundlegende Marktverschiebung auf der größten Immobilienbühne weltweit wider.