Betsy Jochum, eine der bedeutendsten Figuren in der Geschichte des Frauen-Baseballs, ist im Alter von 104 Jahren verstorben. Sie war das letzte original noch lebende Mitglied der All-American Girls Professional Baseball League (AAGPBL), einer damals revolutionären Liga, die den Frauen im Baseball eine professionelle Bühne bot und Jahrzehnte später die Inspiration für den berühmten Film „A League of Their Own“ lieferte. Ihr Tod am 31. Mai 2025 in South Bend, Indiana, markiert das Ende einer außergewöhnlichen Ära im Frauen-Sport und erinnert an ihren wegweisenden Beitrag, der bis heute nachhallt. Betsy Jochums Karriere begann 1943, als sie im Alter von nur 23 Jahren in die neu gegründete All-American Girls Softball League eintrat, die später zum bekannten AAGPBL wurde.
Zu dieser Zeit war es noch äußerst ungewöhnlich für Frauen, im Profisport zu spielen oder gar damit Geld zu verdienen. Als sie zum ersten Mal für die South Bend Blue Sox spielte, verdiente sie 50 Dollar pro Woche – mehr als ihr Vater als Handwerker. Dieser sportliche und finanzielle Erfolg war für eine junge Frau jener Zeit fast unerhört und spiegelte eine starke Veränderung im gesellschaftlichen Bild der Geschlechterrollen wider. Die Gründung der League war eine direkte Reaktion auf die Auswirkungen des Zweiten Weltkriegs: Viele männliche Baseballspieler der Major Leagues waren im Militärdienst. Philip K.
Wrigley, bekannt als Eigentümer der Chicago Cubs und Unternehmer des Wrigley Kaugummis, initiierte die Liga, um das öffentliche Interesse am Baseball auch während der Kriegsjahre aufrechtzuerhalten. In der ersten Saison gab es nur vier Teams: die South Bend Blue Sox, Kenosha Comets, Racine Belles und Rockford Peaches. Schnell entwickelte sich die Liga zu einem begeisterten Schauplatz weiblichen Talents und sportlicher Höchstleistungen. Betsy Jochum zeichnete sich von Anfang an durch ihr athletisches Können aus. Bereits in ihrer Debütsaison überzeugte sie als vielseitige Outfielderin, die mit einer Schlagdurchschnittsquote von .
273 führte und zudem 66 Bases stahl. Ihr Talent brachte ihr eine Einladung zum All-Star-Spiel im legendären Wrigley Field in Chicago ein. Dieses Spiel war mehr als nur ein sportliches Ereignis – es verband sportliche Exzellenz mit einem patriotischen Zweck, indem Einnahmen an den Roten Kreuz und weitere kriegsbezogene Wohltätigkeitsorganisationen gingen. Mit 7.000 Zuschauern wurde es zu einem eindrucksvollen Beweis für das wachsende Interesse und die Akzeptanz von Frauen im professionellen Baseball.
Im folgenden Jahr, 1944, legte Jochum noch eine Schippe drauf. Sie erzielte eine beeindruckende Schlagdurchschnittsquote von .296, die ligaweit die beste war, und stahl unglaubliche 127 Bases – eine außergewöhnliche Leistung, die ihre Schnelligkeit und Spitzensportlichkeit unterstrich. Besonders herausragend war die Tatsache, dass sie an einem einzigen Spiel sieben Bases klaute, was ihr den Spitznamen „Sockum Jochum“ und „Sultana of Swat“ einbrachte. Diese Ehrentitel spiegeln ihre Kombination aus Durchschlagskraft mit dem Schläger und ihrer beeindruckenden Beweglichkeit wider.
Betsy Jochums Einfluss ging jedoch weit über ihre individuellen sportlichen Erfolge hinaus. Sie war eine Pionierin, die Frauen im Sport neue Wege ebnete – zu einer Zeit, in der Frauen oft noch auf Rollen abseits des Spielfeldes beschränkt waren. Die Liga selbst war ein Meilenstein für die Gleichberechtigung und ein Zeichen dafür, dass Frauen in der Lage sind, auf professionellem Niveau zu konkurrieren, zu begeistern und Publikum zu gewinnen. Jochums langes Leben ermöglichte es ihr, Zeugin der Entwicklung des Frauen-Baseballs und der Frauenrechte über mehrere Jahrzehnte hinweg zu sein. Die Liga bestand von 1943 bis 1954 und hinterließ trotz ihres vergleichsweise kurzen Bestehens einen bleibenden Eindruck in der amerikanischen Sportgeschichte.
Aus ihr sind viele Geschichten von Mut, Durchhaltevermögen und sportlichem Ehrgeiz überliefert, die in der heutigen Zeit als Inspiration für junge Athletinnen dienen. Der Film „A League of Their Own“ trug zudem dazu bei, das Vermächtnis der Spielerinnen einem breiteren Publikum bekannt zu machen und das Bewusstsein für die Rolle der Frauen im Baseball zu schärfen. Die Nachricht vom Tod von Betsy Jochum löste im Umfeld der Sportgeschichte, der ehemaligen Ligaspielerinnen und Fans großes Bedauern aus. Carol Sheldon, Vizepräsidentin der Spielergewerkschaft der Liga, würdigte Jochum als „ein außergewöhnliches Vorbild und die lebendige Verbindung zu einer besonderen Zeit im amerikanischen Sport.“ Ihr Vermächtnis erinnert daran, wie Sport als gesellschaftlicher Katalysator wirken kann – nicht nur auf dem Spielfeld, sondern auch als Motor für soziale Veränderungen.
Heute, Jahrzehnte nach ihrer aktiven Zeit, erleben Frauen im Baseball und im Sport allgemein eine wachsende Anerkennung und Unterstützung. Doch die Errungenschaften der allerersten Frauen, die sich dem Profisport verschrieben haben wie Betsy Jochum, dürfen nicht vergessen werden. Sie und ihre Mitspielerinnen standen für eine Generation, die traditionelle Geschlechterrollen aufbrach und Sportdebatten nachhaltig veränderte. Ihre Geschichte ist nicht nur eine Geschichte des Sports, sondern auch eine Geschichte von Mut, Gleichheit und Veränderung. Betsy Jochums Leben und Karriere sind ein leuchtendes Beispiel dafür, wie Leidenschaft und Talent den Weg für kommende Generationen ebnen können.
Ihre Erfolge in der AAGPBL halfen dabei, die Grundlagen für den modernen Frauen-Baseball zu legen, der heute immer mehr Anerkennung erfährt. Gleichzeitig bleibt ihr Engagement als Mahnung und Inspiration für die Wichtigkeit gleichberechtigter Chancen im Sport und darüber hinaus. Mit dem Tod von Betsy Jochum schließt sich ein Kapitel in der amerikanischen Sportgeschichte, das an Kraft, Einfluss und Vorbildrolle kaum zu überbieten ist. Ihr Name wird jedoch weiterleben – in den Erinnerungen der Sportwelt, in den Herzen von Baseballfans und in der Geschichte jener Frauen, die dank ihr heute mutig ihre Träume verfolgen können.