In einer Zeit, in der der Online-Handel massiv wächst und die letzten Kilometer der Lieferung immer wichtiger werden, setzt Amazon ein deutliches Zeichen. Mit einer Investition von mehr als 4 Milliarden US-Dollar bis Ende 2026 will der Konzern sein ländliches Zustellnetzwerk massiv ausbauen und die Lieferung in kleineren Städten und ländlichen Regionen der Vereinigten Staaten deutlich verbessern. Dieses Vorhaben ist nicht nur ein Zeichen für die Expansionspläne des amerikanischen Online-Riesen, sondern auch eine gezielte Antwort auf die wachsende Konkurrenz durch Walmart, einen seiner größten Rivalen im E-Commerce-Sektor. Walmart hat seinen Einfluss im Onlinehandel signifikant gesteigert, vor allem durch die Nutzung seines weit verzweigten Filialnetzes und ein innovatives Liefermodell, das auf einer App für unabhängige Gig-Arbeiter basiert, ähnlich wie Uber und Lyft. Diese Fahrer können Lieferaufträge annehmen und so die Paketzustellung direkt zu den Kunden übernehmen.
Diese Strategie erlaubt es Walmart, seine Reichweite schnell und effizient zu erweitern, insbesondere durch das Angebot von Same-Day-Lieferungen, von denen bereits 93 Prozent der US-Haushalte profitieren können. Dennoch gibt es vor allem in ländlichen Regionen noch große Wachstumspotenziale – und genau hier will Amazon mit seinem Investment punkten. Die geplante Kapitalmaßnahme wird zum Bau von über 200 neuen Zustellstationen in ländlichen Gegenden führen. Diese Stationen übernehmen die Sortierung, Bündelung und Verladung von Paketen, damit diese möglichst schnell und effizient per Van an private Haushalte ausgeliefert werden können. Durch diese Ausweitung wird sich das bestehende Netzwerk mehr als verdreifachen und in weniger besiedelten Gebieten die Lieferzeiten für Prime-Kunden auf halbieren.
Amazon investiert damit strategisch in eine Region, die für Walmart bislang weniger präsent ist. In ländlichen Gegenden sind Entfernungen größer und logistische Herausforderungen höher. Walmart könnte dort zwar Arbeitskräfte zu höheren Löhnen anstellen, doch Amazon sieht hier einen Wettbewerbsvorteil bei der Effizienz seiner Zustelllogistik. Bereits jetzt liefern Amazons Fahrer im Schnitt 280 Pakete auf 180 Stopps pro Fahrtroute – was diesen Service günstiger macht als UPS, FedEx oder sogar die US-Post. Ein wichtiger Vorteil von Amazon ist die Spezialisierung auf den Geschäftszweig Business-to-Consumer, also die reine Auslieferung an Endkunden ohne Rückholaufträge.
Diese unidirektionale Logistik vereinfacht die Abläufe und erhöht die Effizienz gegenüber Wettbewerbern, deren Netzwerke auch Retouren und Abholungen berücksichtigen müssen. Mit der Erweiterung seines ländlichen Liefernetzwerks wird Amazon zusätzlich etwa 1,2 Millionen Quadratmeilen an Fläche abdecken. Zum Vergleich entspricht dies ungefähr der Fläche von Alaska, Kalifornien und Texas zusammen. Die infrastrukturellen Verbesserungen ermöglichen es, jährlich über eine Milliarde zusätzliche Pakete an Kunden in schier abgelegenen Regionen zuzustellen. Der Wettbewerb zwischen Amazon und Walmart ist nicht nur ein Kampf um Umsatzanteile, sondern auch eine Veränderung der gesamten Liefer- und Logistiklandschaft in den USA.
Während früher FedEx, UPS und die US-Post die Hauptakteure in der Paketbranche waren, gewinnen die Einzelhändler selbst immer mehr Einfluss auf diesen Markt, indem sie eigene Zustellsysteme aufbauen. Dies birgt nicht nur Potenzial für höhere Margen, sondern erlaubt auch eine stärker kontrollierte Kundenbindung und bessere Servicequalität. Der Ausbau der Last-Mile-Infrastruktur in ländlichen Gebieten fördert zudem die Schaffung von Arbeitsplätzen. Mit dem Bau der neuen Zustellstationen und dem Einsatz von zusätzlichen Fahrern steigt die Nachfrage nach lokal verfügbaren Jobs, was in strukturschwachen Gebieten wirtschaftliche Impulse setzen kann. Gleichzeitig sind technologisch fortschrittliche Operations und Routenoptimierungen durch Datenanalyse und Automatisierung Voraussetzung, um das Projekt effizient umzusetzen.
Die Reaktion von Walmart auf Amazons Expansionsschritt dürfte nicht lange auf sich warten lassen. Das Unternehmen arbeitet bereits daran, seine Gig-Worker-Modelle weiter auszubauen, die Lieferkapazitäten zu erhöhen und bestehende Laden- und Distributionsnetze enger mit Online-Bestellungen zu verknüpfen. Besonders in urbanen Gebieten hat Walmart bereits eine starke Position erreicht, in ländlichen Regionen sind jedoch noch Wettbewerbsräume offen, die Amazon nun für sich beanspruchen möchte. Durch die Kombination aus geografischer Abdeckung, Logistikspezialisierung und technologischer Infrastruktur sichert sich Amazon in den kommenden Jahren einen strategisch wichtigen Vorsprung gegenüber der Konkurrenz. Längere Lieferzeiten oder fehlende Verfügbarkeit in entlegenen Gebieten könnten sonst zu Abwandlungen von Kunden zu Wettbewerbern führen – ein Risiko, das Amazon mit seinem Milliarden-Investment deutlich reduzieren will.