Im Jahr 2022 geriet die Kryptobörse Gemini in einen heftigen Konflikt mit der amerikanischen Commodity Futures Trading Commission (CFTC), der Behörde, die für die Regulierung von Warentermingeschäften und deren Märkten zuständig ist. Gemini warf den Vollzugsbeamten der CFTC vor, mit einem sogenannten „trophy-hunting lawfare“ -Ansatz gegen die Börse vorzugehen. Dieser Begriff beschreibt eine aggressive Rechtsstrategie, die darauf abzielt, Streitfälle nicht nur aus sachlichen Gründen zu führen, sondern vor allem, um die Karriere der beteiligten Juristen voranzutreiben. Die Auseinandersetzung offenbarte tiefgreifende Spannungen zwischen einer aufstrebenden Krypto-Plattform und der staatlichen Regulierungsbehörde, bei der nicht nur juristische Vorwürfe, sondern auch persönliche Motive eine Rolle spielten. Der Kern der Kontroverse liegt in einer Klage der CFTC aus dem Juni 2022, die Gemini beschuldigte, im Jahr 2017 falsche oder irreführende Angaben gemacht zu haben.
Diese Vorwürfe bezogen sich auf die Bewertung eines Bitcoin-Futures-Kontrakts, den Gemini zu lancieren beabsichtigte. Die CFTC argumentierte, dass Gemini in diesem Zusammenhang möglicherweise missverständliche oder nicht komplette Informationen bereitgestellt hatte, die den Markt beeinträchtigen könnten. Die Börse selbst zahlte im Januar 2023 eine Strafe von fünf Millionen US-Dollar, ohne jedoch die Vorwürfe anzuerkennen oder zu bestreiten. In einem Brief, der an Christopher Skinner, den Inspektor General der CFTC, geschickt wurde, schilderte Gemini jedoch die Hintergründe der Klage als Ergebnis einer opportunistischen und unsachlichen Rechtsverfolgung. Gemini äußerte in diesem Schreiben den Vorwurf, dass das Division of Enforcement (DOE) der CFTC auf Basis eines gefälschten Whistleblower-Berichts eine Untersuchung gegen die Börse initiiert habe.
Der Whistleblower war Benjamin Small, der ehemalige Betriebsvorstand (Chief Operating Officer) von Gemini. Small wurde von der Börse entlassen, nachdem er angeblich Verluste im Zusammenhang mit einem Millionenbetrug im Bereich der Rebate-Strukturen im Handel zu verbergen versucht hatte. Laut Gemini bestand eine Zusammenarbeit zwischen Small und mehreren Unternehmen, darunter Hashtech LLC sowie Cardano Singapore PTE Ltd., deren Führungskräfte eine absichtliche Koordination für den Missbrauch spezieller Gebührenstrukturen betrieben hätten. Small hatte angeblich diese Vorgänge trotz seiner Rolle bei Gemini genehmigt, was letztlich zu seiner fristlosen Kündigung durch die Gründer Cameron und Tyler Winklevoss führte.
Nach seiner Entlassung startete Small eine „böswillige Kampagne“, um Gemini bei der CFTC zu beschuldigen, den Bitcoin-Futures-Kontrakt betreffend Manipulationsanfälligkeit nicht ordnungsgemäß offengelegt zu haben. Gemini weist diese Anschuldigungen entschieden zurück und erklärt, dass der Futures-Kontrakt über einen Zeitraum von 19 Monaten reibungslos und ohne jeglicher Manipulationsverdachtsfälle operierte. Die Behauptungen von Small wurden vom DOE der CFTC ohne kritische Prüfung übernommen und dienten als Grundlage für eine Entschlossenheit, ein Verfahren einzuleiten – von Gemini als Rückgriff auf eine „Lügengeschichte“ bezeichnet. Die Vorwürfe von Gemini werfen ein bezeichnendes Licht auf das Verhältnis zwischen aufstrebenden Krypto-Plattformen und traditionellen Regulierungsbehörden. Die Börse wirft der CFTC vor, die Commodity Exchange Act (CEA) gezielt und selektiv auszunutzen, um ehrgeizige Karriereziele einzelner Mitarbeiter zu fördern.
Ein solcher „trophy-hunting“ Ansatz sieht vor, markante Rechtserfolge als Sprungbrett für beruflichen Aufstieg einzusetzen, ohne sich ausreichend um die tatsächlichen Fakten und Schadensfälle zu kümmern. Vor dem Hintergrund dieser Spannungen steht auch die Rolle der CFTC selbst in der Kritik. Carolyn Pham, die amtierende Vorsitzende der CFTC, hat in einer Presseerklärung im Mai 2024 „dubiose Durchsetzungspraktiken“ der Division of Enforcement hervorgehoben und angekündigt, die Abteilung grundlegend zu reformieren. Gemini zeigt sich offen und kooperationsbereit gegenüber diesen Reformbestrebungen und signalisiert die Bereitschaft, bei der Verbesserung der Behörde mitzuwirken, um künftige Fehltritte zu vermeiden. Diese Auseinandersetzung zwischen Gemini und der CFTC spiegelt grundlegende Fragestellungen des Krypto-Regulierungswesens wider.
Einerseits steht der legitime Auftrag der Behörden, Finanzmarktteilnehmer zu schützen und Manipulationen oder Betrug zu verhindern, im Vordergrund. Andererseits entstehen Konflikte, wenn Regulierungsmaßnahmen als Überreaktionen oder Machtspielchen interpretiert werden, die vor allem einzelnen Mitarbeiterinteressen dienen und den Blockchain- und Kryptomarkt einengen. Die zentrale Herausforderung besteht darin, eine ausgewogene Regulierung zu schaffen, die Innovationen auf dem Krypto-Sektor ermöglicht, ohne die Integrität der Märkte zu gefährden. Juristische Auseinandersetzungen wie jene zwischen Gemini und der CFTC laden zu Diskussionen über Transparenz, Machtmissbrauch und die Verantwortung von Whistleblowern im hochkomplexen Umfeld der digitalen Finanzinstrumente ein. Gleichzeitig zeigt der Fall, wie wichtig eine eingehende und faire Prüfung von Whistleblower-Berichten ist, um rechtsstaatliche Prinzipien zu wahren und Fehlurteile zu vermeiden.
Insgesamt verdeutlicht der Fall, wie stark die Zukunft der Kryptoindustrie von regulatorischen Rahmenbedingungen und deren Anwendung abhängt. Für Marktteilnehmer ist klar, dass es weiterhin erforderlich sein wird, mit den Behörden zusammenzuarbeiten, um sowohl Vertrauen in digitale Finanzprodukte zu schaffen als auch Missbrauch und Risiken effektiv zu minimieren. Der Streitfall 2022 um Gemini und die CFTC bleibt deshalb ein prägnantes Lehrstück über die Gratwanderung zwischen Fortschritt, Regulierung und persönlichen Interessen im aufstrebenden Krypto-Ökosystem.