Die 4%-Regel für den Ruhestand gilt seit Jahrzehnten als eine wichtige Richtlinie für Menschen, die vorsichtig und sicher von ihren Ersparnissen leben möchten. Ursprünglich von Bill Bengen im Jahr 1994 entwickelt, beschreibt die Regel, welcher Anteil aus dem Rentenportfolio im ersten Jahr sicher entnommen werden kann, um eine etwa 30-jährige Lebensspanne finanziell abzusichern. Bengen fand anhand historischer Daten heraus, dass eine Entnahme von durchschnittlich 4,15 % des Startvermögens unter realistischen Bedingungen möglich war. Später wurde diese Zahl in der Finanzwelt zur allgemein bekannten 4%-Regel abgerundet. Nun, im Jahr 2025, hat Bengen seine Forschung erneut aufgenommen und eine Aktualisierung der Regel vorgestellt, die viele Ruheständler und Anleger interessieren dürfte.
Die neue Formel lautet: 4,7 % – ein scheinbar kleiner, aber bedeutender Unterschied, der tiefgreifendere Veränderungen in der Rentenplanung widerspiegelt. Die ursprüngliche 4%-Regel beruhte auf einem Portfolio aus Aktien und Anleihen, typischerweise einer Mischung wie 50 % Aktien und 50 % Anleihen. Die Annahme war, dass diese Zusammensetzung langfristig stabil genug ist, um den Kapitalerhalt zu sichern und Abhebungen inflationsangepasst zu ermöglichen. In den letzten dreißig Jahren haben sich Märkte, Anlageklassen und wirtschaftliche Rahmenbedingungen jedoch erheblich verändert. Bengen reagiert darauf mit einer breiteren Vermögensaufteilung, die auf eine optimierte Risikoverteilung und bessere Ertragschancen im Ruhestand abzielt.
Das neue Portfolio basiert auf einer wesentlich differenzierteren Aufteilung. Es sieht eine Investition von 55 % in Aktien vor, die gleichmäßig auf fünf verschiedene Aktienklassen verteilt sind. Dazu gehören amerikanische Large-Cap-, Mid-Cap-, Small-Cap- und Micro-Cap-Aktien sowie internationale Aktien. Diese breite Streuung soll das Risiko reduzieren, indem nicht nur große etablierte Unternehmen, sondern auch kleine und mittlere Unternehmen sowie internationale Märkte berücksichtigt werden. Weiterhin schlägt Bengen 40 % Anlage in mittel- bis langfristige US-Staatsanleihen vor, ergänzt durch 5 % in kurzfristige US-Treasury Bills (Schatzwechsel) als liquide Mittel.
Die Betonung der kleinen und Mikro-Unternehmen ist ein wesentlicher Punkt, da diese oft höhere Wachstumschancen bieten, aber auch volatiler sind. Bengen erwähnt jedoch explizit, dass eine Übergewichtung dieser Klassen solide begrenzt werden sollte, um nicht durch zu starke Kursschwankungen eigene Entnahmestrategien zu gefährden. Die Kombination aus Diversifikation und regelmäßiger jährlicher Rebalancierung des Portfolios sorgt für Stabilität und optimale Anpassung an Marktbewegungen. Was bedeutet die Erhöhung der Regel von 4 % auf 4,7 % praktisch? Für jemand mit einem Vermögen von einer Million US-Dollar bedeutet das, im ersten Jahr 47.000 statt 40.
000 US-Dollar zu entnehmen. Diese Summe wird dann jährlich an die Inflation angepasst, damit die Kaufkraft erhalten bleibt. Der Unterschied mag auf den ersten Blick gering erscheinen, bietet jedoch eine deutlich größere finanzielle Flexibilität und Lebensqualität im Ruhestand. Es eröffnet zudem die Möglichkeit, den Lebensstandard ohne Angst vor vorzeitigem Kapitalverzehr zu genießen. Inflation und Börsenwerte sind die beiden wichtigsten Einflussfaktoren, die über die sinnvollste Entnahmerate entscheiden.
Bengen hebt hervor, dass steigende Inflation die gesetzten Entnahmen erhöhen muss, damit der Ruheständler weiterhin seinen Lebensstandard aufrechterhalten kann. Gleichzeitig wirken sich überhöhte Aktienmarktbewertungen negativ auf die Nachhaltigkeit der Entnahmen aus. Um dies zu messen, verwendet Bengen den Shiller CAPE (Cyclically Adjusted Price-to-Earnings) Ratio, der ein langfristiges Bewertungsmaß für Aktien darstellt. Historisch liegt der Durchschnitt dieses Verhältnisses bei etwa 17, während er aktuell um die Mitte der 30er Jahre schwankt – also deutlich über dem Durchschnitt. Dies lässt auf potenzielle Kurskorrekturen schließen und birgt Risiken für Anleger, die zum jetzigen Zeitpunkt mit hohen Entnahmequoten operieren wollen.
Vor diesem Hintergrund empfiehlt Bengen für den aktuellen Marktzyklus einen vorsichtigen Einstieg mit einer Anfangsentnahme zwischen 5,25 % und 5,5 %. Diese Zahlen klingen höher als die alte 4%-Regel, resultieren aber aus der neunen Modellierung, die eine breitere Diversifikation und Anpassungen einschließt. Dabei sollte jedoch bedacht werden, dass diese Rate unter den gegebenen Bedingungen immer noch konservativer ist als viele frühere Jahre, in denen historische Entnahmequoten bei bis zu 7 % lagen. Bengen betont darüber hinaus, dass die Entnahmerate keine unveränderliche Größe ist. Ruheständler können ihre Ausgaben anpassen, wenn sie sich durch Marktschwankungen oder andere Umstände verunsichert fühlen.
Eine Reduzierung der Ausgaben kann helfen, das Kapital länger zu erhalten, während gute Marktphasen erhöhten finanziellen Spielraum bieten. Diese dynamische Anpassung ist einer der Schlüssel zur erfolgreichen Ruhestandsplanung in einem volatilen Wirtschafts- und Finanzumfeld. Interessant ist auch Bengens Hinweis, dass sich der Ruhestand sinnvoll verschieben lässt, wenn jemand während einer Phase hoher Marktbewertungen startet. Eine kurze Wartezeit von sechs Monaten bis zu einem Jahr kann sich ausgezahlt machen, sofern der Betroffene die Möglichkeit dazu hat. Durch einen etwas späteren Rentenbeginn könnten bessere Kaufgelegenheiten und stabilere Grundlagen für einen sicheren Entnahmeplan erzielt werden.
Neben der reinen Entnahmeregel stellt Bengen auch das Konzept der sogenannten Stundenlohnstrategie in den Raum: Die Flexibilisierung der Entnahmen und der bewusste Umgang mit Kapital können langfristig die Lebensqualität erhöhen und finanzielle Risiken drücken. Wer das Wissen über Asset-Allokation, Rebalancing und Inflationsschutz in seine Planung integriert, profitiert von mehr Sicherheit und lässt sich weniger von kurzfristigen Marktturbulenzen aus der Ruhe bringen. Die aktualisierte 4,7%-Regel markiert demnach den Übergang in ein neues Zeitalter der Ruhestandsplanung. Sie berücksichtigt aktuelle Marktbedingungen, komplexere Finanzprodukte und bietet eine optimierte Strategie, mit der Ruheständler mehr aus ihrem Vermögen machen können, ohne unverhältnismäßige Risiken einzugehen. Für viele Menschen ist dies eine wichtige Nachricht, denn sie schafft mehr Klarheit und gibt einen moderneren, fundierteren Rahmen vor.
Trotz der Verbesserungen mahnt Bengen zu einer gesunden Skepsis. Die 4,7%-Regel ist als eine Art Worst-Case-Szenario zu verstehen – sie basiert auf langfristigen historischen Daten und soll eine Sicherheitsebene bieten, nicht einen garantierten Lebensstandard. Tatsächlich könnten Einzelfälle und künftige Entwicklungen bessere oder schlechtere Ergebnisse bringen. Darum ist eine individuelle Planung, möglicherweise mit professioneller Beratung, unerlässlich. Für die Zukunft bedeutet die neue Formel auch eine Gelegenheit, das eigene Portfolio unter die Lupe zu nehmen und über Anpassungen nachzudenken.
Wer bisher nur nach der klassischen 4%-Regel geplant hat, sollte prüfen, ob die eigene Asset-Allokation den neuen Empfehlungen entspricht und wie flexibel die persönlichen Ausgaben gestaltet sind. Die Einbindung kleinerer Aktienklassen und internationaler Werte kann echtes Potenzial freisetzen, erfordert aber auch ein tieferes Verständnis und bewusste Risikobereitschaft. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die aktualisierte Entnahmeregel von Bill Bengen wertvolle Impulse für eine zeitgemäße Ruhestandsplanung liefert. Sie verbindet historische Erfahrungen mit neuen Erkenntnissen und reflektiert die komplexen Herausforderungen, denen sich Anleger und Ruheständler heute gegenübersehen. Mit einem leichter erhöhten, aber immer noch konservativen Entnahmesatz und einer intelligent diversifizierten Portfoliostruktur bietet die 4,7%-Regel die Chance, den Ruhestand finanziell sicherer und komfortabler zu gestalten.
Zudem bleibt die individuelle Anpassung der wichtigste Faktor für den Erfolg, wodurch Anleger flexibel auf marktbedingte Herausforderungen reagieren können und so ihr Vermögen bestmöglich schützen. In einer Zeit ständiger wirtschaftlicher Umbrüche ist es umso wichtiger, auf bewährte wie moderne Strategien gleichermaßen zu vertrauen und offen für Anpassungen zu bleiben. Die Weiterentwicklung der 4%-Regel zeigt, dass finanzielle Planung keine starre Wissenschaft ist, sondern ein dynamischer Prozess, der an neue Realitäten angepasst werden muss. Ruheständler profitieren davon, wenn sie sich informieren, strategisch denken und ihren Finanzplan regelmäßig überprüfen – so bleiben sie auch in unsicheren Zeiten handlungsfähig und können ihren wohlverdienten Ruhestand in vollen Zügen genießen.