China bereitet sich laut aktuellen Berichten still und heimlich darauf vor, ein gigantisches optisches Teleskop zu errichten, das bald das größte seiner Art auf der Nordhalbkugel sein könnte. Dieses astronomische Großprojekt mit einem Spiegeldurchmesser von 14,5 Metern entsteht in der abgelegenen Qinghai-Provinz, auf dem Tibet-Plateau. Die Entscheidung für den Standort ist kein Zufall, denn die Region auf dem Saishiteng-Berg bietet dank ihrer hohen Lage von rund 4500 Metern, der trockenen, stabilen Luft und der extrem niedrigen Lichtverschmutzung ideale Voraussetzungen für astronomische Beobachtungen auf höchstem Niveau. Trotz der immensen Bedeutung des Projekts hält Chinas Nationale Astronomische Observatorien (NAOC) die meisten Details unter Verschluss. Nur wenige verstreute Hinweise und einige wenige Medienberichte geben bislang eine Vorstellung vom Umfang und von den Ambitionen des Bauvorhabens preis.
Diese Zurückhaltung steht im starken Kontrast zu den Öffentlichkeitsarbeitsstrategien westlicher Großprojekte, bei denen Transparenz und breite wissenschaftliche Beteiligung meist hohe Priorität genießen. Der Astronom Robert Kirshner von der Harvard University bestätigt, dass das gigantische Teleskop real sei und die Position Chinas im internationalen astronomischen Wettbewerb erheblich stärken werde. In Konkurrenz steht dieses Projekt vor allem zu anderen Großteleskopen, wie dem in Chile entstehenden Extremely Large Telescope (ELT) mit 39 Metern Durchmesser oder dem Thirty Meter Telescope (TMT), das sich derzeit in der Entwurfsphase befindet und irgendwo zwischen Hawaii und Chile errichtet werden soll. Chinas Ansatz zeigt, dass das Land gewillt ist, in der Spitzengruppe der optischen Astronomie mitzumischen, wenn nicht sogar kurzzeitig die Nummer eins zu sein. Das NAOC plant, das Optische Großteleskop (Large Optical Telescope, LOT) möglicherweise bereits bis 2030 betriebsbereit zu haben.
Neben dem Riesenprojekt hat China bereits weitere Investitionen in die Infrastruktur am neuen Observatorium in Lenghu getätigt, unter anderem in kleinere Teleskope für breit angelegte Himmelsdurchmusterungen und spezielle Forschungsfelder wie Dunkle Energie, extrasolare Planeten und Gravitation. Die Investitionen belaufen sich insgesamt auf über 2 Milliarden RMB, was etwa 277 Millionen US-Dollar entspricht. Die Bauarbeiten für das Großteleskop haben schon begonnen – zumindest das Kuppel-Gebäude wurde bereits an ein Unternehmen der Chinesischen Akademie der Wissenschaften vergeben. In den technischen Details bleibt China aber momentan noch sehr vage. Bekannt ist lediglich, dass das Teleskop im optischen und infraroten Bereich arbeiten wird.
Die exakten Spezifikationen des Hauptspiegels und weiterer Instrumente werden bewusst zurückgehalten. Die Führung des Projekts hat laut verschiedenen Quellen der Ingenieur Gu Bozhong vom Institut für Astronomische Optik und Technologie in Nanjing übernommen, der bereits bei der Modernisierung des Guo Shoujing-Teleskops eine Schlüsselrolle spielte. Die zurückhaltende Informationspolitik könnte auch mit internen Konflikten zwischen verschiedenen chinesischen Forschungseinrichtungen zusammenhängen. Ein Disput zwischen NIAOT und einer Universität in Wuhan über ein kleineres, 12-Meter-Teleskop führte dazu, dass dieses Vorhaben gestrichen und stattdessen auf das größere LOT-Projekt gesetzt wurde. International ist der Bau des LOT ein Weckruf, vor allem für die USA, die im Bereich der bodengebundenen optischen Astronomie zunehmenden Druck aus China und Europa spüren.
Während amerikanische Großprojekte wie das Giant Magellan Telescope noch viele Jahre bis zur Fertigstellung benötigen und gleichzeitig finanzielle Kürzungen drohen, scheint China mit seinem Zeitplan deutlich schneller voranzukommen. Die Forscher in den USA und anderswo äußern Sorgen, dass die Führungsrolle der Vereinigten Staaten in der Astronomie dadurch ins Wanken geraten könnte. Das chinesische Teleskopprojekt geht über die nationale Ambition hinaus und könnte auch eine neue Ära der internationalen astronomischen Zusammenarbeit oder Konkurrenz einläuten. Gerüchte deuten darauf hin, dass China bereits Gespräche mit Chile führt, um ein zweites Exemplar des 14,5-Meter-Teleskops in der Atacama-Wüste zu errichten, dem weltweit führenden Standort für moderne Observatorien. Das würde die globale Forschungslandschaft weiter aufmischen und besonders im Bereich der spektroskopischen Durchmusterungen signifikante Fortschritte ermöglichen.
Aus astronomischer Sicht verspricht das LOT eine vierfache höhere Auflösung und Lichtsammlung als das derzeit größte US-Teleskop auf Hawaii, was die Entdeckung neuer astronomischer Objekte und die Erforschung von Exoplaneten oder dunkler Energie vorantreiben könnte. Auch wenn kaum technische Details öffentlich sind, lassen bereits eingereichte Bestellungen auf Instrumente wie Imaging-Spektrografen schließen, die besonders flexibel sind und eine Vielzahl von wissenschaftlichen Fragestellungen bedienen können. Die Herausforderungen beim Bau eines solchen Mega-Teleskops sind enorm. Neben der reinen Größe müssen der Hauptspiegel mit höchster Präzision gefertigt, die optische Ausrichtung auf Nanometer genau kontrolliert und das Beobachtungsgelände durch anspruchsvolle Infrastruktur mit Strom, Datenanbindung und Schutz vor Umwelteinflüssen erschlossen werden. Der hohe Standort bringt zudem schwierige klimatische Bedingungen und logistische Herausforderungen mit sich.
Doch China hat in den letzten Jahrzehnten bewiesen, dass es große wissenschaftliche Projekte mit außergewöhnlicher Schnelligkeit und Effizienz umsetzen kann. Das LOT-Projekt ist daher bestes Beispiel dafür, wie das Land seine naturwissenschaftlichen Kapazitäten ausbaut und in der Astronomie neue Maßstäbe setzen will. Die Bedeutung dieses Vorhabens geht weit über die nationale wissenschaftliche Gemeinschaft hinaus. Ein leistungsstarkes Teleskop kann wesentlich zu fundamentalen Fragen der Kosmologie, der Astrophysik und der Suche nach Leben außerhalb des Sonnensystems beitragen. Insbesondere die Beobachtung von Exoplaneten in optischen und infraroten Wellenlängen erlaubt Rückschlüsse auf Atmosphären, klimatische Bedingungen und potenzielle Bewohnbarkeit.
Daneben kann das Teleskop auch zur Untersuchung der Dunklen Energie beitragen, die die beschleunigte Expansion des Universums antreibt, und so unser Verständnis vom kosmischen Ursprung vertiefen. Neben wissenschaftlichen Chancen sieht man in der internationalen Astronomie etwa auch politische und wirtschaftliche Implikationen. Der Erfolg Chinas setzt andere Nationen unter Druck, ihre Investitionen in den Wissenschaftsbereich zu steigern, um im globalen Wettbewerb um Technologieführerschaft und Innovation nicht zurückzufallen. Dieses Rennen könnte mittelfristig die internationale Kooperation beflügeln oder aber auch Spannungen verstärken. Trotz vieler Ungewissheiten ist klar, dass das Large Optical Telescope in Lenghu schon in wenigen Jahren die astronomische Szene neu definieren könnte.
Chinas langfristiger Fokus und rasante Bautempo zeigen, dass das Land entschlossen ist, eine Führungsrolle in der Erforschung des Universums einzunehmen. Während die Welt noch auf erste offizielle Details wartet, sollte die wissenschaftliche Gemeinschaft diese Entwicklung aufmerksam verfolgen, denn die astronomischen Erkenntnisse des nächsten Jahrzehnts könnten maßgeblich von dieser neuen Beobachtungsplattform geprägt werden. Insgesamt ist Chinas leises, aber kraftvolles Voranschreiten in der Teleskoptechnik ein weiterer Beleg für den Aufstieg des Landes als Wissenschafts- und Technologiemacht. Das Large Optical Telescope stellt dabei einen Meilenstein dar, der das Potenzial hat, die Grenzen des Himmels für die gesamte Menschheit neu zu definieren und die Faszination für den Kosmos weiter zu beflügeln.