Das Universum ist voller Geheimnisse, und Schwarze Löcher gehören zu den faszinierendsten und rätselhaftesten Phänomenen darin. Diese unsichtbaren kosmischen Giganten besitzen eine so enorme Anziehungskraft, dass selbst Licht nicht entkommen kann. Die jüngste Entdeckung zweier aktiver Schwarzer Löcher in einer einzigen Galaxie bringt neue Perspektiven über die Dynamik von Galaxien, deren Entwicklung und das Phänomen der Gravitationswellen. Forscher der Universität Kalifornien in Berkeley haben dabei einen bisher unbekannten Schwarzen Löwen gefunden, der nicht wie üblich im Zentrum der Galaxie liegt, sondern sich in deren äußeren Bereichen bewegt. Damit steht diese Beobachtung im Widerspruch zu der langjährig verbreiteten Vorstellung, dass sich Schwarze Löcher stets im galaktischen Kern befinden.
Schwarze Löcher sind für gewöhnlich in den dichten Sternenhaufen der Galaxienzentren anzutreffen, vergleichbar mit dem Sagittarius A* im Zentrum unserer Milchstraße. Dort sorgen sie für eine gravitative Beherrschung ihrer Umgebung und wirken sich maßgeblich auf die Entwicklung der Galaxie aus. Doch die Entdeckung eines sogenannten abseitigen, oder off-nuklearen, Schwarzen Loches, das sich vom Kern rund 2600 Lichtjahre entfernt befindet, öffnet ein neues Fenster auf die komplexen Prozesse in Galaxien. Der wandernde Schwarze Löwe wurde anhand einer sogenannten Tidenzerstörungsveranstaltung identifiziert. Dabei handelt es sich um ein Ereignis, bei dem ein Stern mit hoher Wahrscheinlichkeit zu nahe an das Schwarze Loch gerät und dort durch die stark variierende Gravitationskraft – ein Effekt, der an die Gezeitenkräfte erinnert, die beispielsweise auf der Erde durch den Mond wirken – zerrissen und in seine Bestandteile aufgelöst wird.
Im Prozess der „Spaghettifizierung“ wird Material des Sterns teilweise in das Schwarze Loch gezogen und teilweise als Strahlung mit extrem hoher Energie freigesetzt, insbesondere sichtbar in Form von Röntgenstrahlung. Solche Tidenzerstörungsereignisse sind selten, etwa alle 30.000 Jahre kommt auf einen massiven Schwarzen Löwen in einer Galaxie statistisch ein solches Ereignis. Bemerkenswert ist, dass dieses Ereignis namens AT2024tvd optisch von der Zwicky Transient Facility am Palomarteleskop entdeckt wurde. Dabei wurde der Lichtausbruch als Indikator für den zerreißenden Stern genutzt, dessen Genauigkeit durch Beobachtungen mit weiteren Teleskopen wie dem Hubble-Weltraumteleskop sowie dem Röntgenobservatorium Chandra bestätigt wurde.
Diese Zusammenarbeit ermöglicht die präzise Lokalisierung des Schwarzen Lochs abseits des galaktischen Zentrums. Die unter anderem mit dem Hubble-Teleskop gewonnenen Daten zeigen ein helles, blau-weißes Leuchten, das von dem zerstörten Sternrücksstand herrührt. Gleichzeitig ist das zentrale Schwarze Loch der Galaxie, mit einer ungefähren Million mal so großer Masse wie die unserer Sonne, vermutlich ebenfalls aktiv und verschlingt die nahe Umgebungsgase. Das zentrale Loch ist dabei bedeutend massereicher – etwa 100 Millionen Sonnenmassen – und zählt damit zu den gigantischen Supermassiven Schwarzen Löchern, die oftmals das Herz einer jeden großen Galaxie bilden. In Bezug auf die Dynamik zwischen diesen beiden Schwarzen Löchern gibt es unterschiedliche Theorien.
Eines der Szenarien vermutet, dass der wandernde Schwarze Löwe ein Relikt eines früheren Galaxienkollisionsprozesses ist. Bei der Verschmelzung zweier Galaxien kann es zu einer Vielzahl von Schwarzen Löchern kommen, die sich meist gegenseitig anziehen und eine Reihe von zwei- oder sogar dreiköpfigen Systemen bilden. Aufgrund instabiler Bahnen kann einer dieser Schwarzen Löcher dann aus dem Zentrum hinausgeschleudert werden, bleibt aber innerhalb der Galaxie gefangen und umkreist diese auf einer exzentrischen Bahn. Eine andere Möglichkeit ist, dass das wandernde Schwarze Loch von der Mehrfachverschmelzung kleiner Galaxien stammt, die vor langer Zeit in diese größere Galaxie integriert wurden. Das Schwarze Loch könnte sich somit als Überbleibsel eines verschluckten Galaxienkerns manifestieren.
Aktuelle Beobachtungen konnten jedoch bisher keine eindeutigen Hinweise auf eine vergangene Galaxienkollision im Umfeld dieses Schwarzen Lochs feststellen. Die Entdeckung von zwei Schwarzen Löchern in enger Nachbarschaft – einem massiven im Kern und einem kleineren, wandernden Objekt in der Nähe – verdeutlicht nicht nur, wie komplex die Strukturen und Prozesse in Galaxien sind, sondern hat auch erhebliche Auswirkungen auf die zukünftige Astronomie. So könnten sich diese beiden Schwarzen Löcher über sehr lange Zeiträume gravitativ annähern und schließlich zu einem Paar werden, das in ferner Zukunft verschmilzt. Dabei würden sie gewaltige Gravitationswellen aussenden, die Raumzeitkrümmungen beschreiben und sich mit Lichtgeschwindigkeit durch das Universum ausbreiten. Für die Beobachtung dieser Gravitationswellen ist das geplante Weltraumobservatorium LISA (Laser Interferometer Space Antenna) von großer Bedeutung.
Startvorgesehen für das nächste Jahrzehnt, wird LISA großflächige, hochpräzise Messungen ermöglichen, die vor allem den Bereich von Schwarzen Löchern mit Millionen Sonnenmassen abdecken. Damit ergänzt es die bodengestützten Detektoren wie LIGO und Virgo, die besonders kleinere Schwarze Löcher und Neutronensternverschmelzungen erfassen. Die Entdeckung der sogenannten Off-Nuclear TDEs ist ein wichtiger Fortschritt, denn bisher richteten sich TDE-Suchen fast ausschließlich auf das Zentrum von Galaxien, da dort die größten Massen vermutet wurden. Dass der Handelnde auch weit außerhalb des Zentrums liegen kann, zeigt, dass es eine bisher weitgehend unentdeckte Population von wandernden Schwarzen Löchern geben muss. Die Entwicklung von Algorithmen, die zwischen Supernova-Explosionen und TDEs anhand von Lichtkurven, Farbspektren und Emissionslinien unterscheiden können, ist daher entscheidend.
Die Zwicky Transient Facility spielt hier eine herausragende Rolle, da sie großflächige Himmelsdurchmusterungen durchführt und so zahlreiche Transienten entdeckt, die näher untersucht werden können. Die Beobachtungen von AT2024tvd liefern zudem wertvolle Erkenntnisse über die Akkretionsphysik – also wie Schwarze Löcher Materie aufnehmen und dabei Strahlung freisetzen. Diese Prozesse sind bislang weitgehend theoretisch und werden durch solche Beobachtungen mit realen Daten bestätigt. Die Tatsache, dass ein Großteil der zerstörten Sternmasse in das Schwarze Loch fließt, während ein anderer Teil als leuchtendes Material ausgestoßen wird, hilft Astronomen besser zu verstehen, unter welchen Bedingungen Schwarze Löcher mächtige Ausströmungen und Jets erzeugen können. Letztendlich trägt diese Entdeckung dazu bei, das Bild der Entwicklung von Galaxien über kosmische Zeiträume hinweg zu präzisieren.
Sie zeigt, dass Galaxien mehr als nur einen zentralen massiven Kern besitzen können und dass interaktive Prozesse zwischen Schwarzen Löchern ein elementarer Bestandteil des galaktischen Wachstums und der Supermassiven Schwarzen Lochentstehung sind. Die Verschmelzung dieser Giganten wird in ferner Zukunft nicht nur zu gewaltigen Energiemengen führen, sondern auch die Struktur des Weltraums selbst erschüttern – in Form von Gravitationswellen, die wir hoffentlich mit neuen Detektoren erfassen können. Die Entdeckung zweier Schwarzen Löcher, die eine Galaxie „auffressen“, ist daher weit mehr als eine spektakuläre Beobachtung. Sie ist eine Schlüsselkomponente im komplexen Puzzle der kosmischen Evolution, das nur wenige Jahrzehnte wissenschaftlicher Forschung unser Verständnis so dramatisch erweitert hat. Mit weiteren Beobachtungen in den nächsten Jahren wird sich zeigen, wie viele dieser wandernden Schwarzen Löcher es gibt und wie sie die Geschichten ihrer Galaxien erzählen.
Dies ist eine spannende Zeit für die Astronomie, in der wir beginnen, die dunklen und verborgenen Mächte des Universums nach und nach zu entschlüsseln.