Vantablack hat vor einigen Jahren als dunkelster Stoff der Welt für Aufsehen gesorgt und wurde vor allem in der Kunst, im Design und in der Automobilindustrie verwendet. Das Material zeichnet sich dadurch aus, dass es nahezu 99,9 % des Lichts absorbiert, das auf seine Oberfläche trifft. Frühe Anwendungen wie die Beschichtung eines BMW X6 sorgten einerseits für Staunen, andererseits ein wenig für Skepsis, da der praktische Nutzen zunächst nicht ersichtlich war. Heute jedoch rückt Vantablack in den Fokus eines hochaktuellen Problems am Himmel: Die zunehmende Lichtverschmutzung durch Satellitenkonstellationen, welche die Arbeit von Astronomen auf der Erde erheblich erschwert. Gerade die rasante Zunahme von Satelliten im niedrigen Erdorbit macht viele Himmelsbeobachtungen schwerer bis unmöglich.
Hier könnte die Besonderheit von Vantablack eine wertvolle Lösung bieten. Satelliten sind aus der modernen Welt nicht mehr wegzudenken. Ob Kommunikation, Navigation oder Erdbeobachtung – immer mehr Satelliten werden gestartet, um diesen vielfältigen Anforderungen gerecht zu werden. Besonders der Telekommunikationsriese SpaceX sorgt mit seiner Starlink-Flotte für einen enormen Zuwachs. Seit dem Start des ersten Starlink-Satelliten im Jahr 2019 sind mittlerweile über 7.
500 Satelliten im Orbit aktiv, mit einer geplanten Expansion auf bis zu 42.000. Diese Anzahl erzeugt jedoch unerwünschte Nebenwirkungen. Die Satelliten reflektieren Sonnenlicht und gleiten als blendende Lichtstreifen über den Nachthimmel. Für ständig auf der Erde stationierte Teleskope entsteht dadurch eine erhebliche Störung, da oftmals Langzeitaufnahmen von Sternen, Galaxien und anderen Himmelsobjekten durch diese Lichtspuren verfälscht oder gar unbrauchbar gemacht werden.
Die astronomische Forschung steht somit vor einer ernsthaften Herausforderung. Hier kommt Vantablack ins Spiel. Das Unternehmen Surrey NanoSystems, das für die Entwicklung von Vantablack verantwortlich zeichnet, hat eine speziell angepasste Variante der Beschichtung namens Vantablack 310 entwickelt, die robuster und handhabbarer ist als das ursprüngliche Material. Während das ursprüngliche Vantablack weniger als 0,1 % des Lichts reflektiert, liegt der Reflexionsgrad von Vantablack 310 bei etwa 2 %. Trotzdem bedeutet dies eine immens hohe Lichtabsorption im Vergleich zu herkömmlichen Materialien, die auf Satellitenoberflächen verwendet werden.
Durch diese Eigenschaft könnte die Beschichtung zumindest einen Teil des Sonnenlichts reduzieren, das von Satelliten reflektiert wird. Surrey NanoSystems arbeitet inzwischen eng mit der University of Surrey zusammen, um den praktischen Einsatz der Beschichtung im All zu testen. Dabei soll der Würfel-Satellit Jovian 1 auf einer seiner Seitenflächen mit Vantablack 310 beschichtet werden. Diese CubeSat-Mission bietet eine hervorragende Gelegenheit, um die Effektivität und Haltbarkeit der neuen Beschichtung unter realen Weltraumbedingungen zu prüfen. Die Idee, Satelliten mit Vantablack zu beschichten, ist nicht nur technologisch innovativ, sondern folgt auch einem wichtigen Nachhaltigkeitsansatz.
Die zunehmende Anzahl von Satelliten im niedrigen Erdorbit bedeutet für die Erde durchaus einen modernen Fluch. Die fortschreitende Lichtverschmutzung behindert nicht nur Wissenschaftler, sondern führt auch zu einer gewissen Entfremdung von der unberührten Sicht auf den Sternenhimmel für Menschen weltweit. Der Verlust des klaren Nachthimmels ist für Astronomie-Enthusiasten und die wissenschaftliche Gemeinschaft gleichermaßen schmerzhaft. Ein Material, das diese Lichtreflektionen maßgeblich reduzieren kann, eröffnet spannende Perspektiven für den Schutz der Nacht. Dennoch ist anzumerken, dass Vantablack 310 nur einen Teil der durch Satelliten verursachten Störungen mindert.
Die Lichtreflexion ist nur eine Form der sogenannten Satellitenverschmutzung. Neben der optischen Beeinträchtigung gibt es weitere Herausforderungen. Zum Beispiel beeinträchtigen die von Starlink- oder anderen Satelliten ausgegebenen Radiowellen empirisch nachgewiesen die Funktionsweise von Radioteleskopen. Diese Emissionen stören die Empfangsbereiche, die seit Jahrzehnten wissenschaftlich erforscht und geschützt werden. Außerdem hat sich gezeigt, dass die Überreste von Satelliten beim Wiedereintritt in die Erdatmosphäre schädliche Stoffe freisetzen, die zu einer leichten Erosion der Ozonschicht beitragen.
Hier sind die Hersteller und Betreiber von Mega-Konstellationen dringend gefragt, nachhaltigere Mittel und Technologien zu entwickeln, um die ökologischen Auswirkungen des zunehmenden Weltraummülls und der Strahlenbelastung zu minimieren. Ein Vorteil von Vantablack 310 ist, dass die neue Version gegenüber dem Ursprungsmaterial deutlich robuster gefertigt wurde. Dies ist entscheidend, um den strengen Bedingungen im Weltraum standzuhalten – Temperaturunterschiede, Strahlung und mikrometeoritisches Umfeld. Gleichzeitig muss die Beschichtung von Ingenieuren und Technikern bei der Montage auf Satelliten handhabbar sein, was beim früheren Vantablack kaum der Fall war, da es sehr empfindlich war und spezielle Ausrüstung erforderte. Die wiederholten Tests und Versuche werden zeigen, wie weit der praktische Nutzen der Anwendung reicht und ob Vantablack 310 den Herausforderungen gewachsen ist.
Mit Blick auf die Zukunft eröffnet der Einsatz von Vantablack im All zahlreiche weitere Möglichkeiten. Die absolute Lichtabsorption kann nicht nur für Satellitenverkleidungen genutzt werden, sondern bietet auch Vorteile für Teleskope im Weltraum selbst, Kameras oder wissenschaftliche Instrumente, die eine Reduktion von Streulicht benötigen. Auch in der Raumfahrttechnik, etwa bei thermischen Managementsystemen, könnte die Beschichtung Anwendung finden. Eine verbesserte Kontrolle der Strahlungsreflexion kann helfen, die Energieaufnahme zu regulieren und Überhitzung zu vermeiden. Zusammenfassend ist Vantablack 310 ein beeindruckendes Beispiel dafür, wie eine ursprünglich künstlerische oder experimentelle Technologie zu einer praktischen Lösung für eines der drängendsten astronomischen Probleme unserer Zeit werden kann.
Angesichts der rasant wachsenden Satellitenpopulation und der zunehmenden Herausforderungen für Boden- und Weltraumforschung ist es mehr als nur ein spannendes Experiment. Es ist ein notwendiger Schritt in Richtung einer nachhaltigen und verantwortungsvollen Nutzung von Weltraumressourcen. Die enge Zusammenarbeit von Surrey NanoSystems mit der Universität Surrey sowie weiteren Forschungseinrichtungen zeigt, wie Zusammenarbeit und Innovation zusammenwirken können, um solche zukunftsweisenden Technologien voranzutreiben und entsprechende Lösungen für globale Probleme zu finden. Es bleibt abzuwarten, wie die ersten Ergebnisse der JWovian-1-Mission ausfallen und ob sich Vantablack 310 als Standardbeschichtung für Satelliten etabliert. Dennoch lässt sich eines bereits jetzt sagen: Der Himmel über uns könnte durch diese Technologie ein Stück dunkler und klarer werden.
Die Rückeroberung des Nachthimmels – dunkler, tiefer und weniger gestört – ist vielleicht gar nicht mehr so fern.