Der Newark Liberty International Airport zählt zu den wichtigsten und meist frequentierten Drehkreuzen des US-amerikanischen Luftverkehrs. Modernität und Innovation spiegeln sich oft in seinen neuen Terminals wider – wie Terminal A, das als hochmodern gilt und international ausgezeichnet wurde. Doch hinter dieser glänzenden Fassade verbirgt sich eine alarmierende Realität: Die Technologie, die letztendlich für die Sicherheit und Effizienz im Flugbetrieb zuständig ist, hinkt Jahrzehnte hinterher. Offenbar vertraut Newark bei essenziellen Vorgängen immer noch auf veraltete Systeme, die auf Floppy Discs basieren, und selbst benötigte Ersatzteile werden zunehmend über Plattformen wie eBay bezogen, weil die Originallieferanten keine Unterstützung mehr bieten. Dieser Zustand illustriert die generelle Krise der federalen Luftfahrtbehörde FAA und wirft ein Schlaglicht auf jahrelange Vernachlässigung in der kritischen Infrastruktur des Luftverkehrs.
Die dramatischen Konsequenzen dieser veralteten Technikinfrastruktur traten im April 2025 deutlich zu Tage. Am 28. April kam es zu einem gravierenden Ausfall der Luftverkehrskontrolle am Flughafen Newark, als ein 90-sekündiges Blackout die Kommunikation zwischen Fluglotsen und Piloten unterband. Diese kurze Störung führte zu einem tiefgreifenden Chaos: Dutzende Flüge mussten umgeleitet, noch mehr gestrichen oder massiv verspätet werden. Die quantitativen Auswirkungen sprechen für sich – allein an diesem Tag wurden über 65 Flüge umgeleitet, mehr als 150 storniert und rund 350 verspätet.
Für die Tausenden von Passagieren bedeutete dies drastische Verzögerungen und erhebliche Unannehmlichkeiten. Dass es zu einem derartigen Vorfall kommen konnte, hat mehrere Gründe. Zum einen steht Newark schon jetzt weit über seiner geplanten Kapazitätsgrenze: Der Flughafen bearbeitet rund 28 Prozent mehr Flugbewegungen als ursprünglich berücksichtigt. Zum anderen herrscht ein eklatanter Mangel an ausgebildeten Luftverkehrsreglern, der sich über Jahre angesammelt hat. Eine Studie des FAA Inspector General zeigte, dass viele der wichtigsten Luftverkehrskontrollzentren weit unter der empfohlenen Personalausstattung arbeiten – in New York beispielsweise liegt die Auslastung der Terminal-Radar-Kontrollen nur bei 54 Prozent des Solls.
Die technische Seite des Problems wird durch die überholten und teilweise sogar irrsinnig altbackenen Systeme verschärft. Radar- und Radiosysteme, die die Kommunikation und Überwachung des Luftverkehrs ermöglichen, stammen teilweise aus den 50er bis 70er Jahren – also aus Zeiten, als die Luftfahrtindustrie noch nicht annähernd so komplex und umfangreich war wie heute. Die Nutzung von Floppy Discs zur Datenspeicherung beschreibt nur einen Teil dieses Problems, doch sie steht symbolisch für die grundsätzliche Überalterung und das Fehlen moderner Backup-Systeme. Diese Disketten sind seit Jahrzehnten als Speichermedium veraltet und heute unzureichend für die Anforderungen einer Breitband-Kommunikation und modernen Digitaltechnik. Die FAA selbst bestätigte die Ausfälle sowie den Einsatz dieser antiquierten Technik.
Kritische Ausfälle wie an der Radarlinie, die die Daten an die Regionalzentren weiterleitet, wurden auf mangelhafte Kupferkabel und nicht redundante Systeme zurückgeführt. Die fehlende Backup-Infrastruktur heißt im Wesentlichen, dass bei einem Ausfall keine sichere, automatische Umschaltung auf alternative Systeme erfolgt. Erschwerend kommt hinzu, dass Ersatzteile für diese Systeme von offiziellen Herstellern längst nicht mehr produziert werden. Die Behörde muss daher teils auf gebraucht erworbene Komponenten aus zweiter Hand bei eBay und anderen Quellen zurückgreifen – eine in der Branche höchst besorgniserregende Praxis. Die politischen Reaktionen auf diese Vorfälle waren erwartungsgemäß heftig.
Abgeordnete in Washington fordern seit Jahren eine umfassende Modernisierung und Reform des Systems. Neu aufgetretene Probleme verdeutlichen die Dringlichkeit dieser Aufgabe. Mehrere Parlamentarier aus New Jersey, dem Bundesstaat mit dem Newark Airport, appellierten für rasche Investitionen in Technologien und Personal. Der Abgeordnete Jeff Van Drew hob etwa hervor, dass zeitgemäße Satelliten-Kommunikationssysteme notwendig seien, um automatische Backup-Funktionen zu gewährleisten und Ausfälle wie in Newark künftig zu verhindern. Die Forderungen richten sich gleichermaßen auf systematische Erneuerung der Hardware sowie die Gewinnung und Aus- beziehungsweise Weiterbildung neuer Luftverkehrsregler.
Während im Jahr 2024 die Bundesregierung zwar 12,7 Milliarden US-Dollar für den Betrieb von Flughäfen ausgab, wurden davon nur 3,1 Milliarden in die Modernisierung und Instandhaltung der Luftverkehrskontrollsysteme investiert – ein Missverhältnis, das Experten als fatales Versagen interpretieren. Viele Analysten plädieren deshalb für ein radikales „Control-Alt-Delete“ bei der FAA-Systemstruktur, also eine vollständige Neugestaltung der Informations- und Kommunikationstechnologie im Luftverkehr. Die Luftverkehrsindustrie reagierte umgehend auf den Unfall in Newark. United Airlines beispielsweise strich 35 tägliche Flüge aus ihrem Angebot am Airport, um die Sicherheit und planmäßige Abwicklung zu gewährleisten. Der CEO Scott Kirby äußerte öffentlich, dass die veralteten Systeme der FAA den Flugbetrieb gefährdeten und betonte, dass Verbesserungen dringend nötig seien.
Auch aus der Führungsriege der FAA kam Unterstützung für umfangreiche Initiativen zur technischen und personellen Modernisierung. Die Trump-Administration kündigte kurz nach den Ereignissen im Frühling 2025 ein Programm zur Rekrutierung neuer Fluglotsen und zur Sanierung der Systeme an. Trotz solcher Ankündigungen bleiben Zweifel: Fachleute wie Professor Sheldon Jacobson von der University of Illinois sehen das Problem als symptomatisch für das gesamte Luftverkehrssystem in den USA. Zu viele Jahre des Stillstands und der Unterfinanzierung hätten die Infrastruktur in einen kritischen Zustand gebracht, der leicht zu weiteren Ausfällen führen könne. Die Komplexität des Systems – es besteht aus zahlreichen einzeln schwer zu modernisierenden Komponenten – macht schnelle und umfassende Renovierungen schwierig und ressourcenintensiv.
Ein weiteres Thema, das in den Debatten immer wieder auftaucht, ist der Einsatz von Künstlicher Intelligenz zur Unterstützung der Fluglotsen. Während die Gewerkschaften der Fluglotsen auf Personalforderungen und Arbeitsplatzsicherheit pochen, sehen Experten in KI-Systemen eine wesentliche Chance zur Entlastung der Controller. Automatisierte Tools könnten helfen, den komplexen Luftraum sicherer zu überwachen und Konflikte frühzeitig zu erkennen. Damit wäre eine Win-win-Situation denkbar: Das Personal wird unterstützt, und die Sicherheit im Luftverkehr könnte erhöht werden. Der Fall Newark ist keineswegs ein Einzelfall, sondern symptomatisch für ein gesamtes System, das einer grundsätzlichen Reform bedarf.
Seit den 2000er Jahren läuft das FAA-Projekt „Next Generation“, das auf eine schrittweise Digitalisierung und Modernisierung der Luftverkehrskontrolltechnologien abzielt. Doch zweieinhalb Jahrzehnte später zeigt sich, dass das Projekt hinter den Erwartungen zurückbleibt. Die Infrastruktur erhält nur schleppend die notwendigen Investitionen, und die Personaldecke bleibt dünn. Auf der anderen Seite wächst die Belastung stetig: Die Zahl der Flugbewegungen steigt, viele Flughäfen arbeiten am Limit ihrer Kapazitäten, und der Flugverkehr wird zunehmend komplexer. Das US-amerikanische Luftverkehrssystem ist eines der größten weltweit und stellt eine gewaltige logistische und technische Herausforderung dar.
Innovationen wie Satellitensteuerung, digitale Radartechnologie und KI-gestützte Systeme bieten Chancen, sind jedoch mit großem Aufwand verbunden. Zusammenfassend zeigt sich, dass die Krise am Newark Airport ein Weckruf für die gesamte US-Luftfahrtkontrolle ist. Das Festhalten an überholten Technologien wie Floppy Discs und das Beschaffen von Ersatzteilen auf eBay symbolisieren das dringende Ausmaß der Modernisierungsbedürfnisse. Wesentliche Investitionen sowohl in Technik als auch in Personal sind unabdingbar, um die Sicherheit im Luftraum zu gewährleisten und die enormen Herausforderungen eines wachsenden Luftverkehrs zu meistern. Nur durch nachhaltige, strategische Erneuerung kann das System zukunftssicher gemacht werden.
Nach der Krise in Newark darf nicht wieder der gewohnte politische Stillstand einsetzen – vielmehr muss die Aufmerksamkeit dauerhaft auf die Modernisierung und effiziente Ausstattung der Luftverkehrsinfrastruktur gerichtet bleiben.