Ubuntu gehört zu den beliebtesten Linux-Distributionen weltweit und hat sich durch seine Stabilität, Benutzerfreundlichkeit und breite Community eine starke Position erarbeitet. Doch was passiert, wenn ein Microsoft-Ingenieur an Ubuntu arbeitet? Genau das zeigt das Projekt AnduinOS, eine innovative Ubuntu-Variante, die den Spagat wagt zwischen der vertrauten Windows-11-Oberfläche und der Leistungsfähigkeit von Linux. AnduinOS offenbart, wie Experteinblicke aus dem Microsoft-Umfeld einen frischen Wind in die Linux-Welt bringen, ohne dabei die Grundwerte von Open Source und Flexibilität zu verletzen. AnduinOS ist kein komplettes Neudesign oder eine radikale Überarbeitung von Ubuntu, sondern eine clevere Anpassung, die Benutzerfreundlichkeit mit optischer Nähe zu Windows 11 kombiniert. Entwickelt von Anduin Xue, einem einzelnen Entwickler und Microsoft-Ingenieur chinesischer Herkunft, entstand in persönlichen Stunden eine Linux-Distribution, die insbesondere Windows-Nutzer anspricht, die sich für Linux interessieren, aber von der Desktop-Ästhetik und Bedienung eines Microsoft-Betriebssystems nicht abrücken möchten.
Das Hauptmerkmal von AnduinOS liegt in der gezielten Modifikation des GNOME-Desktops. Anstatt Ubuntu's Standard-GNOME-Desktop komplett zu ersetzen, setzt AnduinOS auf eine Serie von sorgfältig ausgewählten GNOME-Erweiterungen und Designs, die die Oberfläche vertraut und modern erscheinen lassen. Mit insgesamt 18 Erweiterungen und einem speziellen Windows 11 ähnlichen Theme schafft AnduinOS eine Umgebung, in der Windows-Umsteiger sich sofort heimisch fühlen. Die Inspiration stammt nicht nur aus Windows 11, sondern auch teilweise aus dem KDE-Umfeld, wobei der Fokus stark auf einer schlanken und aufgeräumten Nutzeroberfläche liegt. Ein nicht zu vernachlässigender Vorteil dieses Ansatzes ist die Beibehaltung einer nahezu „vanilla“ GNOME-Erfahrung.
Anders als andere Ubuntu-Derivate, die oft zahlreiche Komponenten hinzufügen, bleibt AnduinOS schlank und reduziert. Diese Minimalität sorgt für eine geringe Downloadgröße von gerade mal 2 GB und einen vergleichsweise niedrigen Ressourcenverbrauch. Gerade für ältere oder weniger leistungsstarke Rechner ist das ein wichtiger Punkt. Der Systemstart belegt rund 1,3 GB RAM, was angesichts der repräsentativen und modernen Oberfläche überraschend effizient ist. Eine kritische Entscheidung, die AnduinOS von Ubuntu unterscheidet, betrifft die Handhabung von Paketformaten.
Ubuntu setzt auf das von Canonical entwickelte Snap-Paketformat, das in der Linux-Community aufgrund seiner Einschränkungen und Performance-Problemen oft umstritten ist. AnduinOS entfernt die Snap-Unterstützung komplett und ersetzt sie durch Flatpak, eine alternative, zunehmend populäre Paketlösung, die mehr Flexibilität und aktuellere Softwareversionen verspricht. Statt Firefox als Snap-Paket zu liefern, verwendet AnduinOS das traditionelle .deb-Paketformat, was den Aufwand für die Nutzer reduziert und ein vertrauteres Update-Verhalten ermöglicht. Ein weiterer Unterschied zu anderen Ubuntu-Abkömmlingen ist die zurückhaltende Auswahl an vorinstallierter Software.
AnduinOS kommt ohne Office-Suite, E-Mail-Client oder Messenger daher, was bewusst gewählt wurde, um die Distribution schlanker und übersichtlicher zu halten. Stattdessen sind hauptsächlich GNOME-Zubehör-Tools enthalten, wie Dokumentbetrachter, Mediaplayer und ein erweiteter Taschenrechner. Diese Wahl richtet sich an Nutzer, die vorwiegend Web-Anwendungen nutzen und ihre Softwarepakete individuell nach Bedarf ergänzen möchten. Die Entwicklung von AnduinOS ist dabei keineswegs ein Hobbyprojekt ohne Struktur. Im Gegenteil, die Dokumentation ist übersichtlich und detailliert ausgearbeitet, was für ein Projekt eines einzelnen Entwicklers bemerkenswert ist.
Die Versionierung folgt klaren Linien, mit ersten Releases basierend auf früheren Ubuntu-LTS-Versionen und aktuellen Upgrades. Eine langfristige Planung ist ebenfalls vorhanden, unter anderem mit dem Ziel, eine Version 1.5 basierend auf Ubuntu 26.04 LTS zu schaffen, die wie der Name andeutet langfristigen Support gewährleistet. Das Projekt hat zudem besonderes Augenmerk auf Lokalisierung gelegt, inklusive einer vollwertigen chinesischen Sprachunterstützung und separaten regionalen Versionen.
Dieses Feature reflektiert nicht nur die Herkunft des Entwicklers, sondern verstärkt auch die Nutzbarkeit in Märkten, die oft unterrepräsentiert sind im Linux-Universum. Die Idee, Ubuntu mit einem Windows-ähnlichen Desktop auszustatten, ist kein Novum, aber der Fokus von AnduinOS auf eine minimale, schlanke und technisch saubere Umsetzung stellt eine wertvolle Alternative zu bekannten Systemen wie Zorin OS oder Linux Mint dar. AnduinOS verzichtet bewusst auf proprietäre Anpassungen oder zusätzliche kostenpflichtige Softwarepakete. Stattdessen setzt es auf die Stärken von Ubuntu und GNOME und holt die Windows-11-Optik als Brücke für Nutzer, die Windows verlassen oder parallel verwenden möchten, ins System. Die Wahl von GNOME als Basis statt einer eigenständigen Desktop-Umgebung zeigt auch, dass AnduinOS weniger mit grafischem Schnickschnack als mit Stabilität und moderner Infrastruktur punkten möchte.
Die volle Unterstützung von Wayland neben X.org ist ein Beispiel dafür, dass moderne Technologie in AnduinOS eingearbeitet wird, wobei gerade Wayland für die Linux-Zukunft als Grafik-Subsystem hoch relevant ist. AnduinOS ist somit ein Musterbeispiel dafür, wie ein erfahrener Entwickler aus der Windows-Welt in der Open-Source-Community einen Mehrwert schaffen kann. Es zeigt, dass man Linux nicht nur für Puristen bauen muss, sondern auch für Nutzer, die sich eine vertraute Oberfläche wünschen. Das Projekt liefert eine realistische Alternative für alle, die den Umstieg auf Linux wagen wollen, ohne sich komplett umgewöhnen zu müssen.
Von der technischen Seite betrachtet könnte AnduinOS auch Impulse für andere Distributionen geben. Die Idee, Snap durch Flatpak zu ersetzen und den reinen GNOME-Desktop mit intelligent eingesetzten Erweiterungen aufzuwerten, könnte neue Standards setzen. Außerdem unterstreicht AnduinOS, dass weniger oft mehr ist – eine aufgeräumte und übersichtliche Distribution ohne Ballast kommt an und erlaubt eine bessere Systemperformance. Für die Linux-Community bedeutet die Entwicklung von AnduinOS auch, dass sich Firmenangehörige mit tiefer Kenntnis der Microsoft-Welt und Windows-Erfahrungen aktiv und produktiv in das Linux-Ökosystem einbringen. Diese Konvergenz der Welten kann den Austausch verbessern und eventuell den Weg für eine noch größere Akzeptanz von Linux als Desktop-Alternative bereiten.