Das Wetter prägt unseren Alltag, unsere Stimmung und unsere Wahrnehmung von Lebensqualität. Insbesondere trübes, regnerisches oder wolkenverhangenes Wetter wird oft als unangenehm empfunden und mit Begriffen wie „düster“, „mies“ oder „deprimierend“ assoziiert. Doch was genau bedeutet „trübes Wetter“ eigentlich? Im Jahr 2015 hat der Klimatologe Brian Brettschneider den sogenannten „Dreariness Index“ entwickelt, um trübes Wetter auf Grundlage objektiver meteorologischer Daten messbar zu machen. Dabei geht es nicht einfach nur um Regen oder Wolken, sondern um eine Kombination mehrerer Wetterfaktoren, die zusammen einen Eindruck von „Dreariness“, also Tristesse oder Trostlosigkeit im Wetter, vermitteln sollen. Die Idee dahinter ist weniger eine strenge wissenschaftliche Definition, sondern eher ein Versuch, den gefühlten Begriff „trübes Wetter“ mit messbaren Klimadaten zu verknüpfen und vergleichbar zu machen.
Der Dreariness Index basiert auf drei wesentlichen Variablen: der jährlichen Gesamtmenge des Niederschlags, der Anzahl der Tage mit messbarem Niederschlag pro Jahr und der durchschnittlichen jährlichen Bewölkungsrate. Jede dieser Variablen wurde über das gesamte Territorium der USA hinweg mit einer präzisen räumlichen Eingriffs-Methodik (Inverse Distance Weighted Interpolation) analysiert. Für die Niederschlagsmenge standen mehr als 8.500 Messstationen des National Climate Data Center (NCDC) zur Verfügung, für die Niederschlagstage wurden Daten von mehr als 900 Stationen des Global Historical Climatology Network (GHCN) ausgewertet. Die Wolkenbedeckung wurde anhand eines kleineren Sets von 221 Stationen über 31 Jahre ermittelt, was jedoch zu einer etwas allgemeiner gefassten räumlichen Verteilung führte.
Jede Variable wurde anschließend auf Zehntelstufen von eins bis zehn eingeteilt, wobei niedrigere Werte geringere klimatische „Dreariness“ bedeuten. Indem sämtliche drei Werte pro Gitterfeld addiert wurden, gelang ein kumulativer Wert von drei bis dreißig, welcher den Dreariness Index darstellt. Einprägsam ist, dass nur wenige Regionen den Maximalwert von 30 erreichten: die Nordwestküste Washingtons, Südost-Alaska und die windzugewandte Seite Hawaiis. Diese Orte sind für ihr typisches, oft wolkenverhangenes, häufig regnerisches Klima bekannt. Überraschender sind hingegen hohe Werte in der Ostküste der USA, speziell vom West Virginia-Gebiet bis nach Maine.
Städte wie Buffalo in New York, Pittsburgh in Pennsylvania oder Boston in Massachusetts gehören zu den Spitzenreitern des Indexes und zeigen damit, dass trübes Wetter keineswegs ein rein westliches Phänomen ist. Entgegen landläufiger Erwartungen erzielt das sogenannte trocken-heiße und sonnige Klima der Wüstenregionen im Südwesten, etwa in Phoenix, Las Vegas oder Tucson, die niedrigsten Werte und geltenmeteorologisch als „perfekt“ gemäß dem Index – das heißt mit sehr wenig Niederschlag, wenigen Regentagen und geringem Wolkenanteil. Bei der Betrachtung der größten US-Städte mit mehr als 250.000 Einwohnern zeigt sich ein differenziertes Bild. Die höchsten Dreariness Index-Werte haben Buffalo und Seattle mit 27, dicht gefolgt von Pittsburgh und Portland mit 26.
Dies verdeutlicht, dass auch Städte im äußersten Nordwesten, etwa im Bundesstaat Washington, nicht alleiniger Spitzenreiter in Sachen „trüb“ sind. Dass Städte wie Phoenix, Las Vegas oder Mesa mit dem niedrigsten Wert von 3 abschneiden, zeigt die Klimadiversität der Vereinigten Staaten auf beeindruckende Weise. Die Methode berücksichtigt bewusst nur Regen, bewölkte Tage und Niederschlagsfrequenz und schließt andere meteorologische Faktoren wie Temperatur, Wind oder Sonnenscheindauer aus. Diese Fokussierung wurde vom Autor bewusst gewählt, da „trübes Wetter“ in seinem Sinne vor allem als „nass und grau“ definiert wird. Die praktischen Auswirkungen zeigen sich jedoch in der Diskussion um den Index – nicht wenige Menschen empfinden ein regnerisches, aber grünes Klima als angenehm und lebensförderlich, während trockener Sonnenschein bei extremer Hitze ebenfalls als belastend empfunden werden kann.
Somit ist der Dreariness Index nicht als Urteil über Lebensqualität oder Wettervorlieben zu verstehen, sondern vielmehr als eine abstrakte, datenbasierte Kategorie, welche das Konzept „trübes Wetter“ in messbaren Dimensionen darstellt. Die Diskussionen um die Glaubwürdigkeit und Aussagekraft des Indexes gehen weit über statistische Werte hinaus und thematisieren subjektive Wetterempfindungen. So weisen Leser darauf hin, dass Begriffe wie „dreary“ auch Einsamkeit oder Trostlosigkeit beschreiben können, die nicht notwendigerweise mit bewölktem Wetter verknüpft sind. Andere bemerken, dass etwa die Sonnenscheindauer in beispielsweise Florida und den nordöstlichen Bundesstaaten trotz hoher Niederschlagstage oftmals wesentlich höher ist, was im Index nicht berücksichtigt wird. Außerdem wird angeregt, Luftverschmutzung oder atmosphärische Trübungen neben Wolken und Regen in eine umfassendere Betrachtung einzubeziehen.
Solche Einschätzungen zeigen die Komplexität des Themas Wetterwahrnehmung. Besonders bemerkenswert ist, dass Städte mit hohem Dreariness Index nicht unbedingt als unattraktiv gelten. Orte wie Seattle und Portland werden oft trotz, oder gerade wegen ihres wechselhaften und feuchten Klimas geschätzt. Viel Grün, milde Temperaturen und eine gemütliche Atmosphäre prägen das Bild vieler Regionen mit relativ hoher Dreariness Punktzahl. Im Gegensatz dazu können extrem trockene und heiße Regionen, trotz ihres sonnigen Wetterprofils, bei der Lebensqualität Einschränkungen haben – angefangen bei Wasserknappheit bis zu hoher Hitze und gelegentlicher Luftverschmutzung.
Der Dreariness Index regt somit zur Reflexion über den komplexen Zusammenhang zwischen Wetter, Klima und menschlichem Wohlbefinden an. Er hinterfragt gängige Vorurteile gegenüber bestimmten Klimaregionen und zeigt auf, dass Wetterwahrnehmung oft stark subjektiv geprägt ist. Zugleich liefert er eine solide Basis, um städtische und regionale Klimabedingungen vergleichbar zu machen und etwa im Rahmen von Planung, Tourismus oder Wohnortwahl als Orientierungshilfe zu dienen. Für Regionen außerhalb der USA ist der Dreariness Index in seiner ursprünglichen Form vorerst nicht verfügbar, da datenintensive meteorologische Messreihen benötigt werden, die in ähnlicher Dichte nicht weltweit vorhanden sind. Der Autor betont jedoch, dass theoretisch eine globale Anwendung denkbar ist.