Blei begleitet die Menschheit seit mehr als achttausend Jahren. Obwohl dieses Schwermetall nur selten in der Erdkruste vorkommt, ist es vergleichsweise leicht zu gewinnen und besitzt vielseitige Eigenschaften, die es über Jahrtausende hinweg zu einem geschätzten Werkstoff machten. Von der vorsintflutlichen Nutzung bis in die Moderne hat Blei vielfältige Anwendungen gefunden – sei es als Bestandteil von Ziergegenständen, Münzen, Werkzeugen oder als entscheidende Komponente in der Industrie. Gleichzeitig war die Gefahr, die von Blei ausgeht, schon in der Antike bekannt. Doch erst im Laufe des 20.
Jahrhunderts begann man, die wahren Folgen der Bleiexposition mehr und mehr zu verstehen und zu bekämpfen. Die Geschichte von Blei ist eng mit der menschlichen Entwicklung verknüpft. Bereits im Neolithikum nutzen frühe menschliche Gemeinschaften Blei zum Herstellen von Gebrauchsgegenständen. Im Römischen Reich erreichte der Bleiraubbau ein beispielloses Ausmaß, wobei das Metall in einer Vielzahl von Anwendungen, etwa in der Wasserleitung – was dem heutigen Wort für Sanitäranlagen, „Plumbing“, seinen Ursprung gibt – Verwendung fand. Trotz erster bekannter Gesundheitsschäden bei den Römern wurden die Risiken lange Zeit ignoriert, da der praktische Nutzen von Blei scheinbar überwog.
Im Mittelalter fand Blei weiterhin Verwendung, beispielsweise in der Herstellung von Buntglasfenstern und kosmetischen Produkten. Mit der Erfindung des Buchdrucks im 15. Jahrhundert erlebte Blei zudem eine neue Blüte, da bewegliche Lettern häufig aus Blei bestanden. Während der Industriellen Revolution erlebte die Bleiförderung erneut einen Boom, der den Römerzeiten vergleichbar war. Die eigentliche Wende begann jedoch im 20.
Jahrhundert mit der Entdeckung von Tetraethylblei als Treibstoffzusatz – einer Substanz, die Motoren vor klopfender Verbrennung schützen sollte, insbesondere in Fahrzeugen mit Hochkompressionsmotoren. Der Gebrauch von bleihaltigem Benzin explodierte im Verlauf des 20. Jahrhunderts. In Spitzenzeiten der 1970er Jahre förderte die Welt jährlich etwa 2,5 Millionen Tonnen Blei – das ist etwa das 30-fache der Produktionsmenge zur Römerzeit. Das scheint aus heutiger Sicht enorm, doch wir müssen verstehen, dass die weitverbreitete Verwendung von Blei und besonders bleihaltigem Benzin gravierende Folgen für die menschliche Gesundheit mit sich brachte.
Heute ist bleihaltiges Benzin in den meisten Teilen der Welt Geschichte, doch Blei als Material ist nach wie vor weit verbreitet, insbesondere in Bleibatterien, die in Autos sowie als Notstromversorgung in Krankenhäusern und Rechenzentren eine zentrale Rolle spielen. Blei rangiert als das siebthäufigste abgebaut Metall weltweit und ist aus unserem Alltag nicht völlig wegzudenken. Die Bedeutung von Gesundheitsschäden, die durch Blei entstehen, wurde erst mit der Weiterentwicklung der Medizin und der Forschung im letzten Jahrhundert wirklich greifbar. Bereits die Römer bemerkten, dass Arbeiter, die mit Blei in Kontakt kamen, oft krank, blass und schwach wurden. Mit modernem Wissen wissen wir, dass Blei im Körper keineswegs neutral bleibt.
Es wird über den Darm oder die Lunge aufgenommen und lagert sich in Knochen und Geweben ab. Dort bleibt es nicht dauerhaft eingeschlossen. Durch den natürlichen Prozess der Knochenneubildung wird Blei wieder in die Blutbahn freigesetzt, wodurch es kontinuierlich die Organe und das Gefäßsystem schädigen kann. Die gesundheitlichen Auswirkungen von Blei sind umfassend und alarmierend. Im Gefäßsystem schädigt Blei sowohl die Endothelzellen, welche die Blutgefäße auskleiden, als auch Muskelzellen der Gefäßwände.
Das führt zu Verhärtungen und Verstopfungen, die das Risiko für Bluthochdruck, Herzinfarkt, Schlaganfall und Nierenerkrankungen erheblich erhöhen. Studien aus den USA belegen, dass Menschen mit höheren Bleikonzentrationen im Blut ein deutlich höheres Sterberisiko durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen aufweisen. Doch das ist nur ein Teil der Geschichte. Besonders gravierend ist die Wirkung von Blei auf das Gehirn. Es passiert die Blut-Hirn-Schranke, weil es chemisch Calciumionen ähnelt, die essentiell für die Gehirnfunktion sind.
Einmal im Gehirn angekommen, stört Blei die Zellmembranen, beeinträchtigt die Signalübertragung und tötet Gehirnzellen ab. Die Folgen reichen von kognitiven Einschränkungen, Verhaltensauffälligkeiten und Lernschwierigkeiten bis hin zu schwerwiegenden Störungen wie Demenz und sogar erhöhter Neigung zu Gewalt. Vor allem kleine Kinder sind gefährdet. Sie nehmen durch das natürliche Verhalten des Spielens und Hand-in-Mund-Kontakts besonders viel Blei über Staub, Erde und Farben auf. Zudem absorbieren ihre Körper mehr Blei als die von Erwachsenen, was auf ihren erhöhten Kalziumbedarf für das Knochenwachstum zurückzuführen ist.
Anders als bei vielen Erkrankungen lässt sich eine Bleivergiftung bei Kindern nicht sofort erkennen, da es keine typischen Krankheitszeichen gibt. Die Schäden entstehen oft still und allmählich, wirken sich aber langfristig auf die Entwicklung und das spätere Leben aus. Der amerikanische Geologe Clair Patterson war eine der Schlüsselfiguren, die vor den Gefahren von Blei warnten. Seine präzisen Messungen wurden durch die allgegenwärtige Bleikontamination erschwert, und er kämpfte Jahrzehnte lang dafür, Umweltblei als gesundheitsgefährdend anzuerkennen. Erst in den 1970er Jahren begann man, bleihaltiges Benzin weltweit zu verbieten – ein Meilenstein, der erst durch politische und gesellschaftliche Anstrengungen möglich wurde.
Auch wenn der Rückgang von bleihaltigem Benzin in den Industrienationen heute beeindruckend ist, zeigen sich in anderen Regionen der Welt noch Rückstände. Viele Länder in Afrika, Asien und Lateinamerika konnten den Ausstieg erst spät umsetzen. Die Ursachen dafür liegen weniger in technischen als in politischen und wirtschaftlichen Problemen, wie fehlendem Bewusstsein, Mythen um die Kompatibilität von bleifreiem Kraftstoff zu älteren Motoren oder Herausforderungen bei der Umstellung der Raffinerien. Mit Initiativen wie dem von der UN ins Leben gerufenen Partnership for Clean Fuels and Vehicles wurde seit den 2000er Jahren ein weltweiter Durchbruch beim Verbot bleihaltigen Kraftstoffs erreicht, besonders in Afrika. Innerhalb weniger Jahre verschwand Blei dort aus dem Straßenverkehr – mit vergleichsweise geringen Kosten und beeindruckenden gesundheitlichen Folgen.
Doch andere Quellen der Bleiexposition sind weiterhin bedeutend. Blei ist in vielen Farben, Kosmetika und insbesondere in der Wiederverwertung von Bleibatterien nach wie vor präsent – oft ohne ausreichende Sicherheitsmaßnahmen in Entwicklungs- und Schwellenländern. Hier kommen jährlich unzählige Kinder mit toxischem Blei in Kontakt, das ihre Gesundheit massiv gefährdet. Das Beispiel Malawi zeigt, wie Information und Engagement Wirkung zeigen können. Nachdem Tests des Lead Exposure Elimination Project (LEEP) zeigten, dass zahlreiche Farben im Handel Bleiverbindungen enthalten, führte die Behörde Maßnahmen ein und erzielte rasche Erfolge.
Verbraucherpräferenzen änderten sich, Hersteller fanden Blei-freie Alternativen, und der Markt begann sich zu wandeln. Auch in anderen Ländern hat die Aufklärung über bleihaltige Produkte eine neue Dynamik anregt. In Georgien führte die Entdeckung von Blei in Gewürzen etwa zu einer fast vollständigen Eliminierung dieser Quelle. Dennoch ist der Kampf gegen Blei noch lange nicht vorbei. Die gesundheitlichen und wirtschaftlichen Kosten von Bleivergiftungen sind schwer zu unterschätzen.
Studien schätzen die globale Belastung auf jährlich etwa eine Billion US-Dollar, wobei insbesondere durch bleibedingte kardiovaskuläre Krankheiten Millionen von Todesfällen entstehen. Diese Zahl übersteigt sogar die Folgen von unsauberem Wasser oder Luftverschmutzung. Der Weg in eine bleifreie Zukunft ist technisch möglich und wirtschaftlich sinnvoll. Moderne Farben, Kosmetika oder Batterierecyclingverfahren ohne Blei sind verfügbar und oft nicht teurer als die bleihaltigen Alternativen. Das größte Hindernis ist häufig mangelndes Bewusstsein und fehlender politischer Wille – zuletzt auch wegen der schleichenden, unsichtbaren Natur der Bleivergiftung.
Es braucht umfassende Bluttests, besonders bei Kindern, systematische Identifikation der Haupteintrittsquellen sowie gezielte Regulierungen und Unterstützung für Produktionsumstellungen. Reichtum allein garantiert einen bleifreien Haushalt nicht mehr. Doch wir wissen: Dort, wo entschlossen gehandelt wurde, wie in den USA oder Europa, sind die Bleikonzentrationen dramatisch zurückgegangen und die Gesundheitsfolgen zurückgedrängt worden. Weltweit müssen nun Anstrengungen verstärkt werden, um Bleiexpositionen - gerade in benachteiligten Regionen - zu beenden. Der Schlüssel liegt in Wissen, politischem Engagement, Finanzierung und internationaler Zusammenarbeit.
Denn nur durch ein gemeinsames Handeln kann das Ende von Blei wirklich global und nachhaltig gelingen. Das Ende von Blei bedeutet nicht nur den Schutz vor einer unsichtbaren Gesundheitsgefahr. Es ist auch ein Meilenstein im Kampf für gerechtere Gesundheitschancen für alle Kinder auf der Welt und ein wichtiger Schritt hin zu einer saubereren, gesünderen Zukunft für die Gesellschaften weltweit.