In der heutigen technologiegetriebenen Welt sieht man oft, dass Entwickler und technische Gründer ihre ganze Energie darauf verwenden, perfekte und funktionsreiche Produkte zu bauen. Dabei vergessen sie häufig, dass Produktfeatures allein nicht den Markt erobern. Erfolg entsteht nicht durch technische Überlegenheit, sondern durch kluge Verkaufsstrategien und eine bewusste Ausrichtung auf die Bedürfnisse der Kunden. Diese Einsicht hat Kendall Miller in jahrelanger Arbeit mit technischen Startups gewonnen, wie er eindrücklich in einem Gespräch mit Jerod Santo darlegt. Er legt dar, dass das Bauen eines guten Produkts erst der Anfang ist und der entscheidende Schritt darin besteht, tatsächlich Verkäufe zu erzielen und daraus ein nachhaltiges Unternehmen zu formen.
Technische Gründer neigen oft dazu zu glauben, dass das beste Produkt automatisch gewinnt. Doch die Realität zeigt, dass viele technisch ausgereifte Lösungen trotz innovativer Features und hoher Qualität kaum oder gar keinen kommerziellen Erfolg erlangen. Microsoft's Erfolg ist ein prominentes Beispiel: Auch wenn sie nicht immer die technisch überlegenen Produkte hatten, verstanden sie es meisterhaft zu verkaufen und zu positionieren. Gleichzeitig gibt es Hunderte von Produkten mit herausragenden technischen Eigenschaften, die nie den Markt durchdrungen haben, weil es ihnen am Marketing, Vertrieb oder einer klaren Zielgruppenansprache fehlte. Ein entscheidendes Problem technischer Gründer ist die Annahme, dass alleine durch das Bauen des Produkts der Erfolg automatisch folgt.
Diese rein produktzentrierte Denkweise ist eine Falle. Miller beschreibt, dass der Unterschied zwischen einem technischen Produkt und einem technischen Unternehmen darin liegt, dass bei Letzterem Menschen bereit sind, dafür Geld zu bezahlen. Ein Produkt zu entwickeln ist oft wie ein Hobby, wenn es darum geht, einfach etwas technisch Elegantes zu erschaffen. Erst wenn es gelingt, erste zahlende Kunden zu gewinnen und Wachstum zu erzeugen, ist man auf dem Weg zum Unternehmen. Doch wie gelingt dieser Wandel? Miller rät, sehr früh im Entwicklungsprozess mit dem Verkaufen zu beginnen.
Noch bevor das Produkt vollständig steht, sollte getestet werden, ob Interesse am Markt besteht und ob Menschen bereit sind, Geld dafür auszugeben. Das sogenannte Minimum Viable Product (MVP) ist dabei nicht einfach die kleinste technisch machbare Lösung, sondern das kleinste Produkt, für das Kunden tatsächlich zahlen würden. Dieses Konzept hilft gleichzeitig, Ressourcen zu sparen und agil auf Kundenfeedback zu reagieren. Ein weiterer zentraler Faktor ist die Preisgestaltung. Viele Gründer neigen dazu, ihre Produkte zu günstig anzubieten, was langfristig die Nachhaltigkeit gefährdet.
Miller empfiehlt, mit einem höheren Preis zu starten, auch wenn das Produkt eher klein und fokussiert ist. Wer zu niedrig ansetzt, wird es schwer haben, ein lebensfähiges Geschäft aufzubauen, weil die Skalierungshürden zu hoch sind. Gespräche über Kundenbudgets und Zahlungsbereitschaft sind daher essenziell, um den richtigen Preis für den Markt zu finden. Der Verkauf ist zudem eine Ausdauerleistung und keine Zauberei. Erfolg kommt durch kontinuierliches Bemühen, viele potenzielle Kunden anzusprechen und durchzuhalten.
Die meisten technischen Gründer mögen das ständige Verkaufen nicht und bevorzugen es, weiter am Produkt zu bauen. Diese Haltung ist nachvollziehbar, aber oft hinderlich, da Wachstum und Umsatz nur durch aktives Vertriebshandeln entstehen. Miller hebt hervor, dass erfolgreiche Unternehmer oft diejenigen sind, die trotz vieler Ablehnungen weiterhin dranbleiben und daraus lernen. Vertrieb an technische Kunden birgt eigene Herausforderungen. Die Zielgruppe ist oft skeptisch gegenüber verkaufsorientierten Gesprächen und bevorzugt authentische, menschliche Kommunikation statt standardisierter Mailings.
Miller gibt den ungewöhnlichen Tipp, dass kleine Fehler, wie etwa eine falsche Schreibweise des Namens im Anschreiben, die Reaktionsrate erhöhen können. Dies signalisiert Authentizität entgegen dem Eindruck von automatisierten Massenmails. Auch die Kombination von technischen Fähigkeiten und Vertriebsorientierung wird als Erfolgsfaktor hervorgehoben. Viele erfolgreiche Startups entstehen, wenn ein Gründer mit technischem Hintergrund und ein Partner mit Verkaufs- und Marketingerfahrung eng zusammenarbeiten. Technische Netzwerke können helfen, passende Co-Founder oder andere Teammitglieder mit ergänzenden Kompetenzen zu finden.
Investoren bevorzugen in der Regel Teams, die neben der technischen Exzellenz auch Vertriebs- und Geschäftsverständnis mitbringen. Miller selbst vereint diese Welten in seiner Tätigkeit. Neben der Beratung technischer Startups entwickelt er auch eigene Unternehmen, u.a. im Bereich der Vertriebskultur und des Netzwerkens.
Er unterstreicht, dass gutes Verkaufen nicht nur aus dem forschen Abschließen besteht, sondern auch aus dem Aufbau von Beziehungen, ehrlichem Feedback und dem Anbieten von wertvollen Lösungen. Networking hat dabei einen multiplikativen Effekt: Wer anderen hilft, erhält oft im Gegenzug wertvolle Empfehlungen oder Unterstützung. Der Umgang mit künstlicher Intelligenz (KI) stellt heute eine neue Herausforderung im technischen Vertrieb und Produktmanagement dar. Miller erklärt, dass gerade bei sensiblen Daten und komplexen Infrastrukturen der sichere und transparente Umgang mit KI-gestützten Services zunehmend an Bedeutung gewinnt. Vertrauensbildende Maßnahmen und Auditierbarkeit sind wichtige Verkaufsargumente für technische Produkte in regulierten Branchen.