Die Raumfahrtbranche erlebt derzeit eine faszinierende Entwicklung mit einer Vielzahl privater Unternehmen, die ambitionierte Projekte verwirklichen. Besonders hervorzuheben ist Australien, das mit Gilmour Space einen privaten Akteur hervorgebracht hat, der kurz vor dem Start seiner ersten eigenen Trägerrakete steht. Nach jahrelanger Entwicklung und intensiven Tests steht der historische Flug der Eris-Rakete unmittelbar bevor. Dies ist nicht nur ein Durchbruch für das Unternehmen, sondern auch für die gesamte australische Raumfahrtindustrie. Gilmour Space, ein Startup mit Sitz an der Gold Coast, wurde 2012 von den Brüdern Adam und James Gilmour gegründet.
Beide brachten Erfahrungen aus den Bereichen Banking und Marketing mit, bevor sie sich der komplexen und hoch spezialisierten Raumfahrt widmeten. Heute beschäftigt das Unternehmen mehr als 200 Mitarbeiter, hauptsächlich junge Ingenieure und Techniker, ergänzt durch erfahrene Experten aus weltweit renommierten Raumfahrtfirmen wie Rocket Lab, Firefly Aerospace und Airbus. Diese Kombination aus frischem Wissen und bewährter Expertise bringt innovative Technologien hervor. Die Eris-Rakete, die im Fokus der Aufmerksamkeit steht, ist ein dreistufiges Trägersystem namens nach der griechischen Göttin der Zwietracht, was symbolisch für eine disruptive Technologie stehen könnte. Die Rakete ist 25 Meter hoch und verwendet eine außergewöhnliche Antriebstechnologie: hybride Motoren, die eine Kombination aus festem und flüssigem Treibstoff darstellen.
Während es bei den meisten Raketen flüssige oder feste Treibstoffe sind, bietet das hybride System von Gilmour Space einzigartigen Vorteile. Hybridmotoren sind weniger komplex als reine Flüssigtriebwerke und bieten mehr Steuerungsmöglichkeiten als reine Feststoffmotoren. So können sie im Notfall gedrosselt oder abgeschaltet werden, was die Sicherheit und Flexibilität erhöht. Die erste Stufe der Eris wird von vier Sirius-Hybridmotoren angetrieben, die zusammen einen Schub von über 100.000 Pfund erzeugen.
Die zweite Stufe setzt auf einen einzelnen Sirius-Motor, während die dritte Stufe von einem eigenen flüssig betriebenen Motor namens Phoenix betrieben wird. Dieser Aufbau ist so konstruiert, dass die Rakete kleine Satelliten in eine niedrige Erdumlaufbahn bringen kann, mit einer Nutzlastkapazität von etwa 305 Kilogramm. Der bevorstehende Start wird von einem firmeneigenen Weltraumbahnhof, dem Bowen Orbital Spaceport im Nordosten Queenslands, durchgeführt. Diese abgelegene Küstenregion wurde sorgfältig ausgewählt, um eine sichere Flugbahn über das Meer zu gewährleisten. Der Flugweg der Eris-Rakete führt über das Great Barrier Reef und die Korallenmeere, wodurch Umweltaspekte besondere Aufmerksamkeit erhalten haben.
Das australische Umweltministerium bewertete das Risiko als „wahrscheinlich handhabbar“ und definierte klare Absturz- und Ausschussbereiche, um den Schutz des Weltnaturerbes zu gewährleisten. Die Erlaubnisse für den Start waren eine Herausforderung an sich. Gilmour Space musste sich mit verschiedenen staatlichen Stellen absprechen, darunter die australische Weltraumagentur und die zivile Luftfahrtbehörde, die den Luftraum für den Start sperren müssen. Auch die Natur zeigte sich in Form eines tropischen Wirbelsturms als möglicher Störfaktor. Letztlich erhielt das Unternehmen Anfang 2025 alle erforderlichen Genehmigungen und steht nun in den Startlöchern.
Die erste Mission der Eris ist ein reiner Testflug, dessen Ziel es ist, wichtige Daten für künftige Missionen zu sammeln. Anders als etablierte Raketenhersteller, die ihre Systeme oft erst nach mehreren Versuchen erfolgreich ins All brachten, geht Gilmour Space mit realistischen Erwartungen in den Start. Der wichtigste Meilenstein wird sein, dass die Rakete überhaupt vom Startgelände abhebt und für etwa 10 bis 20 Sekunden stabil fliegt – ein wichtiger Schritt in der Erprobung der kombinierten hybriden Technologien und der Gesamtleistung des Systems. Die Triebwerkszündung wird ein entscheidender Moment sein, denn es ist das erste Mal, dass alle vier Sirius-Motoren gleichzeitig starten. Das Potenzial der Technologie wird sich in dieser Phase zeigen.
Bei Erfolg könnte die Eris-Rakete eine wegweisende Alternative für den Start kleiner Satelliten ins All bilden und den australischen Markt für kommerzielle Raumfahrt revolutionieren. Die Ziele von Gilmour Space gehen jedoch weit über diesen ersten Flug hinaus. Das Unternehmen plant, mit der Eris-Rakete einen wesentlichen Beitrag zur wachsenden Nachfrage nach kleinen, kostengünstigen Startmöglichkeiten für Satelliten zu leisten. Neben der Entwicklung von Trägerfahrzeugen arbeitet Gilmour Space auch an einer eigenen Satellitenplattform, die eine nahtlose Integration mit den Raketen ermöglichen soll. Die Kombination aus innovativer Antriebstechnologie, unternehmerischem Tatendrang und strategischem Standort könnte Australien einen Platz in der Zukunft der Raumfahrt sichern.
Bemerkenswert ist auch die kulturelle Note, die dem Raumfahrtprojekt innewohnt. Als Symbol für australischen Stolz befindet sich auf der dritten Stufe der Eris-Rakete ein Glas Vegemite, eine beliebte lokale Nahrungspaste. Dieses kleine Detail sorgt nicht nur für Sympathien innerhalb der Nation, sondern zeigt auch, wie eng die Startkultur mit nationaler Identität verbunden ist. Mit der Eris-Rakete betritt Australien Neuland. Bislang wurden von australischem Boden aus nur wenige Satelliten mithilfe ausländischer Raketen gestartet, und Keiner davon war vollständig australisch entwickelt.
Im internationalen Vergleich positioniert sich Australien damit neben anderen Ländern, die den privaten Zugang zum Weltraum vorantreiben, wie Neuseeland mit Rocket Lab. Beide Länder haben einzigartige geopolitische und geografische Vorteile, die sie als wichtige Akteure im südlichen Hemisphäre-Raumfahrtmarkt etablieren. Die Herausforderungen für Gilmour Space bleiben beträchtlich. Technische Hürden, regulatorische Anforderungen und Umweltfragen müssen bewältigt werden. Auch die Geschwindigkeit, mit der der globale Markt für kleine Satelliten wächst, verlangt von Unternehmen wie Gilmour ständig Innovation und Effizienzsteigerung.
Doch die Kombination aus der hybriden Triebwerkstechnologie und dem Zugang zu einem eigenen nationalen Weltraumbahnhof gibt dem Unternehmen realistische Chancen auf Erfolg. Der bevorstehende Start der Eris-Rakete markiert eine neue Ära für Australiens Raumfahrtindustrie. Er verkörpert den Wandel von der staatlich dominierten Raumfahrt hin zu kommerziellen Innovatoren, die mit frischen Ideen und Engagement die Zukunft gestalten. Für viele junge Ingenieure, Wissenschaftler und Unternehmer in Australien eröffnet Gilmour Space damit neue Perspektiven und inspirierende Möglichkeiten, aktiv an der Erforschung des Weltraums teilzunehmen. Zwar wird der erste Flug nicht direkt in einen erfolgreichen Orbitalflug münden, doch der Start selbst, die gewonnenen Daten und Erfahrungen bilden eine solide Grundlage.