In der heutigen Softwarelandschaft ist Multi-Tenancy kein Nice-to-have mehr, sondern eine unerlässliche Anforderung für viele SaaS-Produkte und andere digitale Services. Doch trotz der Allgegenwärtigkeit dieser Architektur wird das Thema oft unnötig hochkomplex behandelt, als müsse man ein undurchsichtiges Rätsel lösen. Viele Entwickler-Teams bauen ihre Multi-Tenant-Systeme wie blinde IKEA-Möbelbauer zusammen: Sie folgen komplizierten Anleitungen, erzeugen technische Schulden und lähmen die Skalierbarkeit. Dabei gibt es pragmatischere Wege, die es erlauben, Multi-Tenant-Lösungen gleichermaßen effizient und verständlich zu gestalten. Vor allem für Produkte, die im Jahr 2025 und darüber hinaus bestehen wollen, ist ein vernünftiger Umgang mit Mandantenfähigkeit essenziell.
Zunächst darf man sich klar machen, dass Multi-Tenant-Architektur kein Hexenwerk ist. Sie bedeutet in erster Linie, mehrere Kunden – oder Mandanten – innerhalb derselben Software-Instanz zu bedienen, deren Daten jedoch sicher voneinander getrennt bleiben. Diese Trennung erlauben verschiedene Konzepte, die je nach Entwicklungsstadium und Wachstum des Produkts unterschiedlich gut passen. Wer sich hier nicht von Anfang an in unnötige Komplexität verstrickt, gewinnt vor allem bei Wartung und Skalierung. Eine der häufigsten Ursachen für überkomplizierte Multi-Tenant-Architekturen ist das Streben nach Perfektion.
Entwickler möchten von Anfang an alles richtig machen, setzen auf aufwendige Datenbankisolationen oder differenzierte Schema-Aufteilungen, noch bevor ein konkreter Bedarf besteht. Das führt dazu, dass Systeme schwerfällig werden, Entwicklungszeit unproduktiv verstreicht und Kosten unnötig steigen. Viel sinnvoller ist ein gestuftes Vorgehen mit klaren Grenzen und der Möglichkeit, bei wachsendem Kundenstamm schrittweise zu skalieren. Ganz einfache Lösungen funktionieren häufig überraschend gut. Beispielsweise die sogenannte Row-Level Tenancy.
Hierbei wird in den Datenbanktabellen ein Tenant_ID-Feld eingefügt, das die Zugehörigkeit der Datensätze zu einem Mandanten markiert. Datenbankabfragen werden dann durch Middleware oder ORM-Logik so gefiltert, dass jeder Mandant nur seine eigenen Daten sieht. Das System ist mit relativ geringem Aufwand implementierbar und spart Ressourcen, da alle Mandanten dieselbe Datenbank und dieselben Tabellen nutzen. Der Nachteil besteht darin, dass bei sehr vielen Mandanten oder extrem großen Datenmengen die Performance leiden kann und Sicherheitslücken entstehen, falls Filtermechanismen nicht hundertprozentig zuverlässig sind. Eine weitere Möglichkeit ist die Schema-Level Separation.
Diese gilt als Goldilocks-Lösung – nicht zu einfach, nicht zu aufwändig. Hier erhält jeder Mandant sein eigenes Datenbank-Schema, also eine Art separaten Bereich innerhalb desselben Datenbankservers. Diese Trennung ermöglicht bessere Isolierung der Daten und einfacheres Backup-Management, weil einzelne Mandanten gezielter gesichert und wiederhergestellt werden können. Technisch ist dies allerdings anspruchsvoller als die Row-Level-Lösung und erfordert eine gute Verwaltung der Datenbanken und Migrationsprozesse. Die dritte Variante ist die Database-Level Isolation, bei der jeder Mandant eine komplett eigene Datenbank bekommt.
Bei entsprechendem Budget und klaren Sicherheitsanforderungen ist dies die sicherste und flexibelste Lösung. Die Kosten steigen jedoch stark mit der Anzahl der Mandanten, und das Management wird komplexer, da eine Vielzahl an Datenbanken einzeln konfiguriert und betrieben werden muss. Typischerweise ist diese Variante nur für sehr große SaaS-Anbieter oder Enterprise-Lösungen sinnvoll. Neben der Wahl der Architekturform ist das Verständnis der Leistungsaspekte entscheidend. Viele Blogs und Fachartikel konzentrieren sich auf theoretische Vorteile und Nachteile, verschweigen aber, dass eine solide Multi-Tenant-Architektur die Ressourcennutzung um etwa 20 bis 30 Prozent verbessern kann, wenn man sie richtig auswählt.
Gerade bei einer überschaubaren Zahl von Mandanten reichen gut konfigurierte Single-Database-Instanzen oft locker aus. Erst bei mehreren Tausend Mandanten sollte eine spezialisierte Architektur in Betracht gezogen werden, die allerdings auch entsprechende DevOps- und Architektur-Ressourcen voraussetzt. Professionelle Tools unterstützen Entwickler dabei, typische Fehler bei Migrationen, Backups und Verbindungsmanagement zu vermeiden. Flyway und Liquibase sind Beispiele für Migrationstools, die den zeitintensiven und fehleranfälligen Prozess des Datenbankschemawechsels automatisieren und absichern. Postgres hat sich mit seiner nativen Unterstützung für Schemas als sehr gut geeignet für Multi-Tenant-Ansätze erwiesen.
Die Verbindungspoolverwaltung mit Tools wie PgBouncer hilft dabei, die Datenbankverbindungen effizient zu managen und Engpässe in stark frequentierten Systemen zu vermeiden. Oft bringen schon diese wenigen, aber bewährten Werkzeuge große Stabilitäts- und Effizienzgewinne. Ein häufig unterschätztes Problem entsteht, wenn Teams zu früh versuchen, die perfekte Lösung zu bauen. Diese „Day-One-Optimierung“ kostet viel Zeit und lenkt von der eigentlichen Produktentwicklung ab. Noch schwerwiegender ist es, Backup- und Restore-Prozesse erst dann einzuführen, wenn die Produktion schon aufgelaufen ist.
Entsprechende Datenverlust-Szenarien können dann katastrophal sein und das Vertrauen der Kunden nachhaltig schädigen. Ein weiterer häufiger Fehler besteht darin, Connection-Pools zwischen verschiedenen Mandanten zu teilen, was zu unerwarteten Sicherheitsschwächen und Performanceproblemen führen kann. Direkt einsatzbereit sind viele moderne Plattformen, die Multi-Tenant-Funktionen wie Row-Level Security und Schema-Management bereits mitliefern. Ein gutes Beispiel ist Directus, das viele der notwendigen Bausteine out of the box bereitstellt und so den Einstieg erleichtert. Dennoch sollten Unternehmen stets die eigene Product-Roadmap und Skalierungspläne im Blick behalten, um rechtzeitig recht einfache Ansätze umzustellen und nicht in technologischen Sackgassen zu landen.
Letztlich geht es vor allem darum, das richtige Maß zu finden. Starten Sie mit einfachen Mitteln, beobachten Sie Kennzahlen wie Performance, Datenvolumen und Benutzerzahl genau und planen Sie das Wachstum realistisch. Ein gut strukturiertes Multi-Tenant-System ermöglicht Ihnen ruhige Nächte, sichere Daten und vernünftige Kosten, ohne unnötigem Overengineering zum Opfer zu fallen. Ein Tracking der Metriken pro Mandant unterstützt dabei, Probleme früh zu erkennen und rechtzeitig zu skalieren. Wer behauptet, es gäbe nur eine einzige »richtige« Methode für Multi-Tenancy, sieht die Realität nicht.
Softwarearchitektur ist auch immer pragmatisch und vor allem abhängig von konkreten Anforderungen. Ein zu starrer Ansatz birgt Risiken, oft mehr als ein bewusster Verzicht auf vermeintliche Best Practices. Bringen Sie deshalb Mut zur Einfachheit mit und bauen Sie eher evolutionär als revolutionär. Die Zukunft der Multi-Tenant-Architektur wird geprägt sein von praktischen, nachvollziehbaren Lösungen, die weder Architektur noch Teams überfordern. Wer hier Zeit spart und Kosten senkt, gewinnt gleich doppelt – im Wettbewerb und bei der eigenen Produktqualität.
Wer also seine Multi-Tenant-Strukturen überdenkt und für sich das »Keep it simple«-Prinzip umsetzt, schaut entspannter und sicherer in die Zukunft.