In den letzten Jahren hat die Net Zero Banking Alliance (NZBA) weltweit für Aufsehen gesorgt, da sie als Industriekonsortium wichtige Finanzinstitute zusammenführt, die sich dem Ziel verschrieben haben, ihre Kreditvergaben und Investitionen auf null Netto-Treibhausgasemissionen bis 2050 auszurichten. Ursprünglich initiiert vom Umweltprogramm der Vereinten Nationen und 2021 mit 43 Gründungsmitgliedern gestartet, galt die Allianz als Hoffnungsträger für die Finanzbranche im Kampf gegen den Klimawandel. Doch Ende 2024 und Anfang 2025 haben mehrere der größten US-amerikanischen Banken inklusive Bank of America, Citigroup, Goldman Sachs, JPMorgan Chase, Morgan Stanley und Wells Fargo die Allianz verlassen. Kurz darauf zogen fünf der führenden kanadischen Banken nach. Dieser Ausstieg stellt nicht nur die Glaubwürdigkeit der NZBA infrage, sondern wirft auch dramatische Fragen zur Ausrichtung und dem Engagement europäischer Finanzinstitute auf.
Der Abzug der großen nordamerikanischen Banken ist vor allem vor dem Hintergrund politischer Veränderungen in den USA zu verstehen. Die Wiederwahl von Donald Trump und dessen entschiedenes Eintreten gegen das Pariser Klimaabkommen sorgte für einen politischen Gegenwind, der sich direkt auf die Finanzbranche auswirkte. Verschiedene von republikanischen Bundesstaaten geführte Generalstaatsanwälte unterstellten der NZBA wettbewerbswidrige Praktiken, woraufhin immense rechtliche Risiken für Banken entstanden, die Mitglied blieben. Trotz anfänglicher Klarstellung der Allianz, dass ihre Empfehlungen freiwillig seien, setzten die politischen und juristischen Eingriffe eine angespannte Atmosphäre, die viele amerikanische Banken zum Rückzug bewog. Zusätzlich zu den politischen Ursachen waren viele der austretenden Banken bereits zuvor durch fehlendes ambitioniertes Klimahandeln aufgefallen.
Studien zeigen, dass diese Institute, darunter insbesondere JPMorgan Chase mit über 40 Milliarden Dollar an Finanzierungen für fossile Brennstoffe im Jahr 2023, weiterhin massiv in Kohle, Öl und Gas investierten und somit weit von einer tatsächlichen Klimawende entfernt sind. Der Rückzug vieler Nordamerikaner könnte daher auch als Ausdruck ihrer immensen Schwierigkeiten verstanden werden, glaubwürdige Nachhaltigkeitsziele umzusetzen. Für die europäischen Banken ergibt sich daraus ein komplexes Bild. Während alle großen US-amerikanischen Institute ihre Mitgliedschaft beendeten, betonen viele europäische Banken wie Société Générale, BNP Paribas und Crédit Agricole ihr anhaltendes Engagement in der Allianz. Sie sehen den Ausstieg ihrer amerikanischen Pendants nicht nur als Herausforderung, sondern auch als Chance, mehr Verantwortung zu übernehmen und nachhaltigere Wege einzuschlagen.
Insbesondere die führenden französischen Institute haben betont, dass die Dringlichkeit der Klimakrise nie größer gewesen sei und dass sie die Gelegenheit nutzen möchten, um ihre direkten und indirekten Emissionen transparenter zu machen und ehrgeiziger anzugehen. Einige europäische Banken konnten in den letzten Jahren bereits einen messbaren Rückgang ihrer Finanzierung von fossilen Brennstoffen verzeichnen, was sie als Beleg für ein stärkeres Engagement als ihre nordamerikanischen Kollegen werten. Allerdings ist die Verbindung zwischen den Fortschritten und der Zugehörigkeit zur NZBA nicht immer klar ersichtlich. Kritiker sehen oft, dass ambitionierte Maßnahmen mehr durch individuellen Druck oder gesellschaftliche Erwartungen als durch Allianz-Beschlüsse zustande kommen. Der Austritt der US-Banken hat beim ethischen niederländischen Finanzinstitut Triodos beispielsweise eine gemischte Reaktion ausgelöst.
Obwohl der Verlust von Partnern lamentiert wird, zeigt sich in der Konsequenz eine Möglichkeit, dass eine „Koalition der Willigen“ nun ernsthafte und glaubwürdige Maßnahmen vorantreiben kann, ohne von weniger engagierten Mitgliedern ausgebremst zu werden. Dies könnte letztlich eine Stärkung der Allianz bedeuten, die sich frei von kompromittierenden Einflüssen neu formiert. Gleichzeitig warnen Experten davor, dass der Rückzug großer Finanzakteure zumindest kurzfristig das ohnehin fragile Klimaengagement der Branche schwächen könnte. Die freiwillige Natur der NZBA wird als Schwachstelle bewertet, da sie Regulierungsbehörden Raum gibt, Verantwortung abzuschieben oder konkrete Verpflichtungen zu vermeiden. Ohne verbindliche gesetzliche Rahmenbedingungen und stringentere Kontrollmechanismen droht das Risiko, dass Banken lediglich kosmetische Maßnahmen ergreifen, ohne substanzielle Veränderungen herbeizuführen.
Die politische Lage in Europa scheint derzeit günstiger für ein verstärktes Engagement im Vergleich zu Nordamerika. Zwar gibt es auch hier unterschiedliche Auffassungen und wirtschaftliche Interessen, doch die strikteren regulatorischen Vorgaben der EU sowie ein gesellschaftlicher Konsens für Nachhaltigkeit schaffen einen Nährboden für ambitionierte Klimapolitik im Finanzsektor. Europa könnte daher die Führungsrolle übernehmen und als Vorbild für andere Regionen dienen, indem es eine stärkere und verbindlichere Ausgestaltung von Klimazielen in der Bankenbranche fordert. Nicht zuletzt könnte Europas Haltung gegenüber der NZBA dazu beitragen, dass Sanktionen gegenüber Vertragsverletzungen oder unzureichenden Fortschritten eingeführt werden. Dies wäre ein bedeutender Fortschritt gegenüber der bisherigen freiwilligen Mitgliedschaft und könnte die Net Zero-Ziele der Allianz tatsächlich beschleunigen.