Die Victoria Line, eine der zentralen Verbindungen im Londoner U-Bahn-System, wird zunehmend zum Synonym für unerträgliche Hitze. Trotz jahrelanger Bemühungen von Transport for London (TfL), die Temperaturen zu senken, bleiben die Temperaturen auf dieser Linie rekordverdächtig hoch. Im Jahr 2024 wurde eine Durchschnittstemperatur von 28 Grad Celsius gemessen – ein Wert, der sich im Vergleich zum Vorjahr nicht verbessert hat. Dies wirft die Frage auf, ob TfL im Kampf gegen die Hitze auf der Victoria Line an seine Grenzen stößt. Der Anstieg der Temperaturen ist alarmierend, vor allem wenn man bedenkt, dass die Werte selbst in den Wintermonaten nicht unter 25 Grad Celsius fallen.
Die Hitzewelle in London, die sich seit einigen Jahren verstärkt, macht auch vor der Underground nicht halt. Besonders im August 2024 wurde mit 31,1 Grad Celsius ein neuer Höchstwert erreicht, der sogar die Temperaturen des Vorjahres übertraf. Diese Belastungen führen zu einer besonderen Herausforderung für TfL, zumal gesetzliche Richtlinien der britischen Regierung vorschreiben, dass Transportbedingungen für Tiere nur bis zu einer Höchsttemperatur von 30 Grad als akzeptabel gelten. Um den Fahrgästen ein erträglicheres Klima zu bieten, wurden seitens TfL Millionen in verschiedene Kühltechnologien investiert. Rund 40 Prozent des gesamten Underground-Netzes sind inzwischen mit Klimaanlagen ausgestattet.
Zusätzlich wurden spezielle Tunnelbelüftungssysteme für die Victoria und Jubilee Lines installiert, um die Hitzeentwicklung zu reduzieren. Regenerative Bremssysteme, die beim Bremsen der Züge weniger Wärme erzeugen, zählen ebenfalls zu den eingesetzten technischen Maßnahmen. Trotzdem zeigen die Temperaturen nur minimale Anzeichen der Verbesserung, speziell auf der Victoria Line. Die besonderen baulichen Gegebenheiten der Victoria Line erschweren den Versuch, die Hitze effektiv zu bekämpfen. Die Linie gehört zu den tiefsten im Londoner U-Bahn-System und verläuft größtenteils durch dichten Londoner Tonboden, der als ausgezeichneter Wärmeisolator fungiert.
Durch diese geologische Beschaffenheit bleibt die Hitze in den Tunneln gefangen und staut sich, da sie kaum über Belüftungsöffnungen an die Oberfläche entweichen kann. TfL-Sprecher Chris Clements erklärt, dass die Tiefe der Tunnel und die umliegenden geologischen Schichten dafür sorgen, dass sich die Temperaturwerte auf der Victoria Line besonders stark erhöhen – ein Problem, das nicht auf andere Linien übertragen werden kann. Darüber hinaus ist das Streckennetz der Victoria Line gekennzeichnet durch kurze Abstände zwischen den Stationen, was häufiges Beschleunigen und Bremsen der Züge mit sich bringt. Dieser Mechanismus führt zu einer zusätzlichen Wärmeproduktion durch die Reibung der Bremsen, die ebenfalls nur begrenzt kompensiert werden kann. Im Gegensatz zur Victoria Line ist die Central Line von einem umfassenden Modernisierungsprogramm betroffen.
Mit einem Budget von 500 Millionen Pfund werden neue, klimatisierte Züge entwickelt, die bis 2029 eingeführt werden sollen. Diese Modernisierung verspricht eine spürbare Verbesserung der Temperaturbedingungen auf der Central Line und könnte eine Blaupause für spätere Verbesserungen auf der Victoria Line darstellen, wenngleich dort die technischen Herausforderungen noch größer sind. Die Auswirkungen der hohen Temperaturen auf die Fahrgäste sind nicht zu unterschätzen. Immer wieder berichten Pendler von gesundheitlichen Problemen aufgrund der Hitze in den Zügen. Beispielhaft hierfür ist der Fall einer jungen Frau, die im Februar 2024 auf der Northern Line vor Erschöpfung zusammenbrach.
Solche Vorfälle zeigen den steigenden Handlungsbedarf, um die Fahrgastkomfort und Sicherheit zu gewährleisten. Dabei ist zu beachten, dass die Untergrundlinien, die größtenteils klimatisiert sind, wie die Circle-, Hammersmith & City-, District- und Metropolitan Lines, wesentlich niedrigere Durchschnittstemperaturen aufweisen. Diese Linien erreichten im Jahr 2024 nur 19 Grad Celsius im Durchschnitt, während die Victoria Line deutlich darüber lag. Die historische Wahrnehmung der Londoner U-Bahn als kühler Rückzugsort an heißen Tagen scheint sich mit den neuen Umständen ins Gegenteil zu verkehren. Während früher Werbekampagnen wie jene von Austin Cooper aus dem Jahr 1924 noch für die angenehme Temperatur unter der Erde warben, ist der unterirdische Transport heute ein Ort, an dem sich die Hitze staut und das Reisen belastend machen kann.
Das Problem wird durch die sich verschärfende Klimakrise weiter verschärft. Die Anzahl und Intensität der Hitzewellen in London steigen, und damit auch die Anforderungen an das U-Bahn-System, sich diesen Bedingungen anzupassen. TfL steht somit vor der enormen Herausforderung, neue, innovative Lösungen zu finden, die den komplexen baulichen und klimatischen Gegebenheiten gerecht werden. Der Erfolg dieser Maßnahmen bleibt jedoch fraglich. Die derzeit eingesetzten Systeme zeigen an der Victoria Line nur begrenzte Wirkung, und eine kurzfristige Lösung ist nicht in Sicht.
Experten und Pendler fordern daher eine verstärkte Priorisierung der Forschung und Entwicklung im Bereich der Untergrundkühlung sowie eine mögliche strukturelle Neuausrichtung der Infrastruktur. Langfristig könnte das bedeuten, dass TfL alternative Strategien prüft, etwa die Entlastung der besonders betroffenen Linien durch den Ausbau anderer Verbindungen oder den verstärkten Einsatz oberirdischer Verkehrsmittel in den Sommermonaten. Auch der Ausbau der klimatisierten Flotte auf den Linien, die sie derzeit nicht besitzen, könnte ein entscheidender Schritt sein, um den Komfort zu steigern. Im laufenden Sommer 2025, der bereits mit einer Hitzewelle begonnen hat, dürfte sich die Problematik erneut verschärfen. Die Daten der letzten Monate deuten darauf hin, dass hohe Temperaturen im Londoner U-Bahn-Netz zur neuen Norm werden könnten.