Die Entscheidung der chinesischen Unternehmen BYD und Tsingshan, ihre milliardenschweren Investitionspläne für Lithium-Kathodenwerke in Chile zu stornieren, markiert eine bedeutende Veränderung im internationalen Rohstoffgeschäft, insbesondere im Segment der Batterietechnologie für Elektrofahrzeuge. Chile nimmt als zweitgrößter Lithiumproduzent der Welt eine Schlüsselrolle im globalen Markt ein. Die Verarbeitung des Rohstoffs zu batterierelevanten Materialien vor Ort gilt als entscheidender Schritt, um größere Wertschöpfungsketten innerhalb des Landes zu etablieren. Der Rückzug dieser zwei bedeutenden Akteure schadet somit nicht nur Chiles Ambitionen, die heimische Wertschöpfung zu steigern, sondern hat gleichermaßen gewichtige Auswirkungen auf die internationale Wettbewerbssituation. Lithium ist aufgrund seiner zentralen Bedeutung für die Herstellung von Akkumulatoren in Elektroautos und anderen grünen Technologien eine strategisch wertvolle Ressource.
Während Chile in der Förderung von Lithium global eine Spitzenposition innehat, hinkt die lokale Weiterverarbeitung hinterher, was für das Land mit verpassten wirtschaftlichen Chancen verbunden ist. Die von BYD und Tsingshan geplanten Anlagen hätten zur Produktion von Lithium-Eisenphosphat (LiFePO4), einer zunehmend gefragten Kathodenchemie in Batterien, beitragen sollen. Beide Projekte hätten beträchtliche Durchsatzkapazitäten bereitgestellt – mit Tsingshans angekündigtem Werk, das 120.000 Tonnen LiFePO4 jährlich fertigen sollte, und BYDs mit einer geplanten Jahreskapazität von 50.000 Tonnen.
Ursache für den Ausstieg sind vor allem die seit einiger Zeit stark gefallenen Lithiumpreise, die die Wirtschaftlichkeit der Investitionen erheblich beeinträchtigen. Das chilenische Wirtschaftsförderungsinstitut Corfo hatte den beiden Unternehmen zuvor attraktive Bedingungen für den Bezug von Lithium aus dem Bergbauunternehmen SQM bis 2030 eingeräumt, um die Ansiedlung der Veredelungsanlagen zu fördern. Doch trotz dieser Vorzugsregelungen zeigten sich die chinesischen Konzerne aufgrund des Preisverfalls und weiterer operativer Herausforderungen verunsichert und zogen sich zurück. Besonders auffällig ist, dass Tsingshan plante, die Projektentwicklung auf eine eigene Unternehmenseinheit zu übertragen, die allerdings im ursprünglichen Ausschreibungsverfahren nicht mitgewirkt hatte. Diese Vorgehensweise wurde von Corfo nicht akzeptiert, was weitere Spannungen und Verzögerungen bei der Umsetzung des Bauvorhabens mit sich brachte.
BYD hatte bereits im vergangenen Jahr Verzögerungen bei der Errichtung seines Lithiumwerks bekannt gegeben. Die Absage der Projekte ist kein Einzelfall. Bereits 2018 scheiterten vergleichbare Initiativen von internationalen und chinesischen Unternehmen wie Molymet, der Sichuan Fulin Transportation Group sowie einem koreanischen Joint Venture aus Posco und Samsung. Diese Vorgänge illustrieren die komplexen Herausforderungen, mit denen Chile bei der Entwicklung einer eigenständigen Lithiumverarbeitungsindustrie kämpft. Angesichts dieser Rückschläge hat Corfo jüngst eine neue Ausschreibung gestartet, die sich auf Liefervereinbarungen mit dem US-Lithiumproduzenten Albemarle bis 2043 stützt.
Hierbei wird eine alternative Preisfestlegung erprobt, um flexibler auf die Marktdynamik zu reagieren und Investoren zu motivieren. Dieses Manöver zeigt Chiles stetige Bemühungen, Strategien zu finden, die den Aufbau inländischer Verarbeitungsanlagen trotz volatiler Rohstoffpreise stützen können. Die Auswirkungen der Absagen auf die internationale Batterielieferkette könnten weitreichend sein. BYD, als weltweit größter Produzent von Elektrofahrzeugen, und Tsingshan, ein bedeutender Akteur im Metallsektor, hatten sich mit diesen Vorhaben als wichtige Zulieferer von Lithiumphosphat-Kathodenmaterial positioniert. Lithium-Eisenphosphat hat sich insbesondere bei günstigen und nachhaltigen Batterielösungen als attraktiver Kathodentyp herauskristallisiert.
Die Verlagerung oder Ausbleiben der Produktion in Chile könnte somit zu Verzögerungen oder höheren Kosten in der globalen Versorgung führen. Für Chile aber bedeutet der Rückzug eine erhebliche Einschränkung der Möglichkeit, mehr Wert aus den eigenen Rohstoffen zu gewinnen und auf dem globalen High-Tech-Markt für Batterietechnologie eine stärkere Rolle einzunehmen. Zudem signalisiert die Entwicklung, dass trotz der enormen Lithiumvorkommen der Aufbau einer lokalen Batterieindustrie schwieriger umzusetzen ist als erwartet, da riesige Investitionen, Preisvolatilitäten und regulatorische Herausforderungen bestehen bleiben. Dergleichen Entwicklungen werfen ein Schlaglicht auf die geopolitischen und wirtschaftlichen Dynamiken rund um kritische Rohstoffe. Während China traditionell als wichtiger Akteur in der Lithiumproduktion und -verarbeitung gilt, konnte es vor Ort in Chile nicht dauerhaft Fuß fassen.
Gleichzeitig versuchen andere Länder und Unternehmen ebenfalls, den Anschluss an die Wertschöpfung in der Batteriezulieferkette zu bekommen – ein Wettlauf, der von Preisschwankungen und technologischen Innovationen maßgeblich beeinflusst wird. Aus langfristiger Perspektive bleibt die Bedeutung von Lithium und seiner Verarbeitung für den globalen Übergang zu nachhaltiger Mobilität ungebrochen hoch. Die Bedingungen für Produzenten und Verarbeiter, sich in rohstoffreichen, aber herausfordernden Märkten wie Chile zu etablieren, sind hingegen volatil und komplex. Unternehmen wie BYD und Tsingshan müssen neben wirtschaftlichen auch strategische und regulatorische Barrieren überwinden. Das Scheitern ihrer Projekte vor Ort zeigt, dass selbst mit staatlicher Unterstützung keine Erfolgsgarantie besteht.
Der neue Fokus Chiles auf Kooperationen mit US-amerikanischen Produzenten wie Albemarle könnte eine Antwort auf die sich wandelnden globalen Rahmenbedingungen sein. Mögliche Preisfindungsmodelle, die stärker marktgetrieben und flexibler gestaltet sind, sollen Investoren ein besseres Risikomanagement ermöglichen. Ob dies nachhaltig zum Ziel führt, inländische Lithiumverarbeitung zu etablieren, bleibt abzuwarten, doch zeigt es die Anpassungsfähigkeit und Entschlossenheit des südamerikanischen Lithiumriesen. Alles in allem ist der Rückzug von BYD und Tsingshan aus Chile ein prägnanter Indikator für die Herausforderungen und Unsicherheiten im Lithiumsektor. Er illustriert, wie stark der Erfolg von Explorations- und Veredelungsprojekten von Rohstoffpreisen, politischen Rahmenbedingungen und internationalen Handelsstrategien abhängt.
Für Investoren und politische Entscheidungsträger ist es eine Mahnung, umfassende und flexible Ansätze zu verfolgen, um die Chance nachhaltiger und wertschöpfender Lithiumindustrien zu realisieren. Gleichzeitig bleibt Lithium das Gold der Zukunft für eine emissionsfreie Mobilität – die Konkurrenzen um seine Kontrolle und Nutzung werden dementsprechend weiter intensiv bleiben.