In einer Welt, in der gesellschaftliche Werte zunehmend im Mittelpunkt vieler Diskussionen stehen, offenbart eine aktuelle Studie des Kearney Consumer Institute (KCI) einen bemerkenswerten Trend: Konsumenten legen zunehmend mehr Gewicht auf den Preis und die Qualität von Produkten als auf die ethischen oder politischen Werte, die Marken vertreten. Während Themen wie Nachhaltigkeit, Vielfalt und soziale Gerechtigkeit in den Medien stark hervorgehoben werden, zeigt die Realität beim Einkauf ein differenzierteres Bild. Angesichts anhaltender Inflation und steigender Lebenshaltungskosten rückt das klassische Wertversprechen von Marken zugunsten eines fairen Preis-Leistungs-Verhältnisses in den Hintergrund. Die Erkenntnisse der Kearney-Studie liefern somit ein wichtiges Signal für Unternehmen, die sich auf veränderte Prioritäten der Verbraucher einstellen müssen. Die Sorgen vieler Haushalte rund um finanzielle Belastungen wie Mieten, Lebensmittelpreise und Energie schlagen sich direkt auf das Einkaufsverhalten nieder.
Die Ergebnisse der Umfrage belegen, dass fast acht von zehn Konsumenten angeben, dass einkaufen nach ihren persönlichen Werten in der Regel mit höheren Ausgaben verbunden ist. Dies zeigt den deutlichen Gegensatz zwischen dem idealistisch geprägten Anspruch an Marken und der tatsächlichen Kaufrealität vieler Verbraucher. Auch der Aufwand und die Erreichbarkeit von ethisch korrekten Produkten wirken sich hemmend aus. 71 Prozent der Befragten empfinden den Einkauf auf der Basis von Werten als oft unbequem oder weniger zugänglich. Somit steht der Wunsch nach praktischen, preiswerten und hochwertigeren Angeboten klar im Vordergrund.
Ein weiterer interessanter Aspekt der Studie ist, dass trotz aller Debatten nur 39 Prozent der Konsumenten innerhalb des letzten Jahres bewusst eine Marke boykottiert haben. Bei der Frage, ob Marken sich klar zu gesellschaftlichen oder politischen Themen äußern sollten, sind zwar immerhin 68 Prozent der Meinung, dass dies ihre Pflicht sei, doch nur die Hälfte davon weigert sich konsequent, Produkte von Firmen zu kaufen, die nicht zu ihren eigenen Überzeugungen passen. Damit wird deutlich, dass eine ethische Haltung der Marke zwar als sympathisch empfunden wird, aber nur selten zum ausschlaggebenden Kriterium für den Kauf wird. Die Rangliste der wichtigsten Kaufkriterien verdeutlicht zudem die Gewichtung der Verbraucherpräferenzen: Produktqualität wurde von 69 Prozent als Top-Argument genannt, gefolgt von einem fairen Preis mit 63 Prozent. Faktoren wie Nachhaltigkeit, Diversity oder faire Arbeitsbedingungen rangieren deutlich weiter unten.
Lediglich 10 Prozent der Befragten legten Wert auf ökologische Aspekte, während Diversity, Equity und Inclusion mit 6 Prozent nur eine untergeordnete Rolle spielen. Diese Zahlen spiegeln eine pragmatische Haltung wider, die viele Konsumenten in herausfordernden wirtschaftlichen Zeiten einnehmen. Vor allem das Attribut „lokal produziert“ erfreut sich überraschenderweise einer größeren Beachtung und liegt mit 20 Prozent noch vor Nachhaltigkeit. Dies zeigt, dass für viele Käufer der regionale Bezug eine wichtige Verbindung zum Produkt und zur Vertrauensbildung darstellt. Im US-amerikanischen Kontext gaben 28 Prozent an, bewusst Produkte aus heimischer Produktion gekauft zu haben – wobei Textilien dabei eine geringe Rolle spielen.
Für Unternehmen ergeben sich aus diesen Erkenntnissen klare Herausforderungen. Die aktuelle Marketingstrategie vieler Firmen, die sich vor allem über Wertepositionierungen definieren, könnte an Fahrt verlieren, wenn sie die elementaren Wohlfahrtsbedürfnisse der Konsumenten vernachlässigt. Die Studie warnt davor, mit zu starken werteorientierten Botschaften das Fundament der Kundenbeziehung zu untergraben. Kernkompetenzen wie Produktqualität, Erschwinglichkeit und ein gutes Einkaufserlebnis müssen daher Priorität haben. Warum ist der Bedeutungsverlust von Werten so bemerkenswert, obwohl gesellschaftliche Debatten weiterhin an Intensität gewinnen? Einer der Hauptgründe ist die sich verschärfende Situation vieler Konsumenten durch Inflation und wirtschaftliche Unsicherheiten.
In Phasen großer finanzieller Anspannung sind es vor allem pragmatische Bedürfnisse, die dominieren – Sicherheit, Verlässlichkeit und Preisbewusstsein. Dadurch geraten idealistische Ansprüche erst einmal in den Hintergrund. Zugleich ist der Alltag vieler Menschen von Zeitdruck geprägt. Die Bequemlichkeit beim Einkauf und ein reibungsloser Kaufprozess spielen daher eine entscheidende Rolle. Wenn der nachhaltige oder ethische Einkauf als umständlich wahrgenommen wird, greifen Verbraucher lieber zu einfacher verfügbaren, preisgünstigeren Produkten.
Andererseits bedeutet die Erkenntnis aus der Studie nicht, dass Werte komplett ignoriert werden. Vielmehr scheint der Markt differenzierter geworden zu sein. Werte wie lokale Herstellung gewinnen an Bedeutung und fungieren als Brücke zwischen praktischer Kaufentscheidung und ethischem Anspruch. Unternehmen, die es schaffen, Wertigkeit und Werte intelligent miteinander zu verknüpfen, haben die Chance, auch in schwierigen Zeiten Kunden zu binden. Auf den ersten Blick wirkt es, als ginge der Trend zum klassischen Konsumverhalten zurück, das sich stark an Funktionalität und Preisgeberorientierung ausrichtet.
Doch in Wahrheit verändern sich die Prioritäten und Erwartungen der Verbraucher in einem komplexen Umfeld. Nachhaltigkeit und soziale Verantwortung sind weiterhin wichtige Themen, aber sie konkurrieren mit dringenderen Bedürfnissen im Alltag. Zudem ist der Konsument heute differenzierter informiert und achtet auf ein stimmiges Gesamtpaket. So müssen Marken ihre Werte glaubwürdig und authentisch transportieren, ohne die Basis – also Produktqualität und ein faires Preis-Leistungs-Verhältnis – zu vernachlässigen. Für den Handel bedeutet dies vor allem eines: Flexibilität und Kundennähe sind entscheidend, um auf die sich wandelnden Bedürfnisse schnell reagieren zu können.
Anstatt sich rein auf ethische Botschaften zu konzentrieren, sollten Händler ein ausgewogenes Angebot bereitstellen, das auch den Anforderungen an Preis und Qualität gerecht wird. Die Studie unterstreicht außerdem die Rolle der Bequemlichkeit im Einkaufserlebnis. Digitale Einkaufsoptionen, unkomplizierter Zugang zu Produkten und einfache Transaktionen sind keine Nice-to-haves mehr, sondern zentrale Wettbewerbsfaktoren. Marken, die hier Defizite aufweisen, können im Preiskampf schnell ins Hintertreffen geraten. Zusammenfassend zeigt sich ein Bild, in dem Konsumenten zwar nicht grundsätzlich indifferent gegenüber Markenwerten sind, aber in drängenden wirtschaftlichen Situationen pragmatische Kriterien bevorzugen.
Das hat weitreichende Konsequenzen für Marketing, Produktentwicklung und Kommunikation. Unternehmen, die sich zu stark auf Werte-Positionierungen konzentrieren und dabei die fundamentalen Erwartungen an Qualität, Preis und Service vernachlässigen, riskieren Kundenverluste. Ganzheitliche Konzepte, die den Spagat zwischen pragmatischem Konsum und ethischem Anspruch schaffen, sind der Schlüssel zum Erfolg. In Zukunft wird es spannend sein zu beobachten, wie sich Konsumentenpräferenzen weiterentwickeln, insbesondere vor dem Hintergrund globaler Herausforderungen wie Klimawandel und sozialer Ungleichheit. Für den Moment jedoch zeigt die Kearney-Studie klar: Der Wert fürs Geld zählt mehr denn je.
Bei der Vielzahl von Einkaufsoptionen und zunehmender Komplexität im Marktumfeld bleibt das klassische Versprechen zuverlässiger Qualität und fairer Preise der Kompass für die meisten Käufer. Unternehmen, die hier ansetzen, sichern sich langfristig die Loyalität und das Vertrauen ihrer Kunden.